Kinderfreibetrag verfassungswidrig zu gering

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Bund setzt Ergebnisse des „Existenzminimumberichts“ nicht um

24.02.2016

(jur). Nach Überzeugung des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) in Hannover ist der steuerliche Kinderfreibetrag verfassungswidrig zu niedrig. Er wurde zum Steuerjahr 2015 ein Jahr zu spät und zudem nicht in ausreichendem Umfang angehoben, wie das FG in einem am Dienstag, 23. Februar 2016, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: 7 V 237/15). Es gewährte damit einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Töchtern vorläufigen Rechtsschutz.

Der Streit wirkt sich für alle steuerpflichtigen Eltern beim Solidaritätszuschlag aus, bei der Einkommensteuer selbst für Eltern mit höherem Einkommen, die statt des Kindergeldes den steuerlichen Freibetrag in Anspruch nehmen.

Bei der Berechnung ihrer Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags für 2014 hatte das Finanzamt zunächst einen steuerlichen Grundfreibetrag von 8.354 Euro berücksichtigt, für die beiden Kinder zudem Freibeträge von zusammen 7.008 Euro.

Wie nun das FG Hannover entschied, reicht dies nicht aus. Zur Begründung verwies es auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach dürfe auf das Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner Kinder keine Einkommensteuer erhoben werden. „Es darf niemand Steuern auf Einkommen in einem Bereich bezahlen, in dem Bedürftige bereits einen Anspruch auf Sozialleistungen haben“, betonte das FG.

Im Existenzminimumbericht der Bundesregierung vom November 2012 sei für 2014 ein Existenzminimum eines Kindes in Höhe von 4.440 Euro berechnet worden. Der Kinderfreibetrag habe aber nur 4.368 Euro betragen, also 72 Euro weniger. Die Bundesregierung habe zwar angekündigt, den Kinderfreibetrag entsprechend anzuheben. Dies habe sie dann aber erst für das Steuerjahr 2015 getan. Zudem seien bei der Berechnung ältere Kinder nicht ausreichend gewichtet worden. Eigentlich müsse der Kinderfreibetrag um weitere 444 Euro jährlich höher liegen, rechneten die Hannoveraner Richter vor.

Weiter rügte dass FG, dass für arbeitslose unterhaltsberechtigte Kinder über 21 Jahren der reguläre Grundfreibetrag (2016: 8.652 Euro) angerechnet wird, für Kinder, die sich noch in einer Ausbildung befinden, aber nur der niedrigere Kinderfreibetrag (2016: 4.368 Euro) angerechnet werde. Dies sei sachlich nicht gerechtfertigt und daher ebenfalls verfassungswidrig.

Nach dem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 16. Februar 2016 darf das Finanzamt die von der alleinerziehenden Mutter geforderten Steuern für 2014 vorerst nicht einziehen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das FG aber die Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) in München zu. (mwo/fle)

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