Hartz IV: Jobcenter verweigert Kosten für barrierefreie Wohnung

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Nachdem ein Mann aufgrund eines Schlaganfalls auf einen Rollstuhl angewiesen ist, sieht dieser sich gezwungen, seine Dachgeschosswohnung zu verlassen. Das Jobcenter weigert sich allerdings sowohl die Miete als auch die Umzugskosten zu zahlen.

Mit Rollstuhl in einer Dachgeschosswohnung ohne Fahrstuhl

Der Fall der Familie Heppke sorgt im Raum Essen derzeit für Aufruhr. Beide sind auf Hart IV angewiesen. Herr Heppke ist seit einem Schlaganfall 2014 auf einen Rollstuhl angewiesen. Er ist seitdem schwerstpflegebedürftig. Zu der Zeit wohnte das Ehepaar auf 58 Quadratmetern in einer Dachgeschosswohnung ohne Fahrstuhl.

Herr Heppke war dadurch in seiner Wohnung gefangen. Hinzu kam, dass er einige Bereiche gar nicht mehr erreichen konnte. Auch das Badezimmer war viel zu klein, um einen Pflegebedürftigen beim Waschen zu unterstützen und die Türen zu eng, um gefahrlos durch diese hindurch zu fahren.

Frau Heppke suchte über mehrere Monate eine angemessene Bleibe. Ohne Erfolg. Barrierefreie und zugleich bezahlbare Wohnungen im Raum Essen sind Mangelware. Unterstützung erhielt sie keine. Ihre Verzweiflung stieg zunehmend.

Passende Wohnung überstieg erlaubte Miete um 60 Euro

Mit viel Glück fand das Ehepaar schließlich nach fast einem Jahr doch eine Wohnung. Diese hatte einen Fahrstuhl. Zudem war sie mit breiten Türen und einer ebenerdigen Dusche ausgestattet. Das Problem: Die Wohnung war 69 Quadratmeter groß.

Die Miete lag inklusive Nebenkosten bei 520 Euro. Das Jobcenter übernahm zu der Zeit nur die Miete in Höhe von 458,20 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt. Eine Ausnahme machten sie bei dem erkrankten Leistungsbezieher nicht.

Auch für die Kaution und den Umzug wollte das Jobcenter nicht aufkommen. Folglich musste das Ehepaar die Mietdifferenz aus eigener Tasche zahlen. Das war mit dem niedrigen Hartz IV-Regelsatz (heute Bürgergeld) verständlicherweise nicht sehr einfach. Jedoch blieb ihnen keine andere Wahl. In der ohnehin schon schweren Zeit, musste nun zusätzlich an anderer Stelle gespart werden. Letztlich blieb dem Ehepaar monatlich noch 100 Euro.

Ab Juli 2017 gilt Angemessenheitskonzept für barrierefreie Wohnungen

Seit dem 1. Juli 2017 verlangt der Gesetzgeber ein Angemessenheitskonzept für barrierefreie Wohnungen. In diesem wurde erstmals festgelegt, wie teuer Wohnungen in solchen Fällen für Leistungsbezieher sein dürfen.

Im Rahmen dieses Konzeptes, stellte sich heraus, dass die Wohnung der Familie Heppke doch angemessen ist. Seither werden auch die vollen Mietkosten übernommen. Denn die Mietgrenze liegt nun höher, als bei „normalen“ Wohnungen. Zusammen mit ihrem Anwalt Peter Karaiskas kämpft das Ehepaar nun darum, das Geld für den Umzug und die Kosten der Mietdifferenz rückwirkend erstattet zu bekommen.

Eine Jobcenter-Sprecherin betont auf eine Nachfrage allerdings, dass die Mietgrenze rückwirkend nicht angewendet werden könne.

Anwalt kritisiert Verhalten des Jobcenters

Das sieht Karaiskas jedoch anders. Ferner verweist er auf das SGB II. In diesem sei schließlich geregelt, dass das Jobcenter in Einzelfällen von den Angemessenheitsgrenzen abweichen dürfe. Er halte es vollkommen unstrittig, dass es sich bei einem Rollstuhlfahrer um einen solchen Fall handle.

Folglich hätte das Jobcenter sowohl den Umzug als auch die Miete anstandslos gewähren müssen. Der Anwalt betont, dass das Jobcenter vermutlich heute noch die Mietdifferenz von der Familie fordern würde, wenn diese nicht einen Anwalt eingeschaltet hätte. Weiter gibt er zu bedenken, dass der Fall der Familie Heppke erneut darlege, wie Betroffene vom Jobcenter allein gelassen werden.

Wer ist anspruchsberechtigt?

Angemessene Kosten für barrierefreies Wohnen können ohne weitere Prüfung anerkannt werden, wenn:

  • der Leistungsberechtigte auf einen Rollstuhl angewiesen ist
  • ein Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen aG vorhanden ist
  • der Pflegegrad 4 festgestellt ist

Die entsprechende Wohnung muss dafür:

  • stufenlos erreichbar sein (ebenerdig, über eine Rampe oder einen Aufzug)
  • keine Schwellen oder Niveauunterschied innerhalb der Wohnung aufweisen
  • angemessene Türen vorweisen
  • ein behindertengerechtes Badezimmer bieten
  • einen Balkon, Erker, Wintergarten oder Loggia besitzen

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