Eine Regenbogenfahne im Fenster allein macht schon verdรคchtig und kann weitreichende Folgen haben. Das berichtet die Erwerbsloseninitiative “Ya Basta” in Berlin.
Weil ein Hartz IV Bezieher eine Regenbogenfahne an seinem Balkon hing und ihm deshalb eine Bedarfsgemeinschaft unterstellt wird, verweigert ein Jobcenter in Berlin die kompletten Hartz IV-Leistungen, bis dieser nachweist, dass er keine Bedarfsgemeinschaft bildet.
Jobcenter verweigert die Leistungen
So schreibt “Ya Basta”: “Das Jobcenter konstruiert eine Bedarfsgemeinschaft und verweigert die Leistungen, weil u.a. eine Regenbogenfahne am Fenster hรคngt. Die Person ist jetzt ohne Leistungen (keine Miete, kein Geld fรผr Essen), bis sie beweist, keine Bedarfsgemeinschaft zu bilden.”
Regenbogenfahne steht fรผr Toleranz und Frieden
Aber was sagt diese Fahne eigentlich aus? Mit einer solchen Fahne wird in vielen Lรคndern der Erde die Stimmung fรผr Aufbruch, Verรคnderung und Frieden ausgedrรผckt. Sie gilt zudem als ein Zeichen fรผr Toleranz und Akzeptanz der Vielfalt von Lebensformen und der Hoffnung und der Sehnsucht.
Ist also eine Fahne fรผr Frieden und Toleranz perse verdรคchtig? Offenbar fรผr den Prรผfdienst des Jobcenters schon, wie aus dem Ablehnungsbescheid zu entnehmen ist:
Offenbar geht die Behรถrde davon aus, dass der Antragsteller und der WG-Bewohner gemeinschaftlich wirtschaften und beispielsweise eine Lebenspartnerschaft bilden.
Im Grundsatz ist eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II dann gegeben:
- alle Mitglieder eines Haushaltes, in dem gemeinsam gewirtschaftet wird
- Eheleute und eingetragene Lebenspartner
- Kinder unter 25 Jahren
- Partner, die in einer eheรคhnlichen Gemeinschaft leben
Das bedeutet dann auch, dass das Jobcenter einen geringeren Regelsatz zahlt, weil die Behรถrde von einem gemeinschaftlichen Wirtschaften ausgeht. Fรผr den Prรผfdienst ist offenbar die Regenbogenfahne Beweis genug, dass der Mitbewohner und der Antragsteller in einer eheรคhnlichen Gemeinschaft leben.
Die Erwerbsloseninitiative ist jedoch dabei, dieses merkwรผrdige Argument des Prรผfdienstes auseinander zunehmen, wie die Beratungsstelle schreibt. Vor keinem Sozialgericht wรผrde dieser “Beweis” nicht standhalten. Denn nach ยง 7 Abs. 3 SGB II ist der Mitbewohner nun mal ein Mitbewohner, mit oder ohne Regenbogenfahne.
Wohngemeinschaft keine Bedarfsgemeinschaft
Denn in einer Wohngemeinschaft (WG) wirtschaftet jedes Mitglied fรผr sich selbst, auch wenn Miete und Nebenkosten in aller Regel geteilt werden.
Dennoch kommt jeder WG-Bewohner fรผr seinen Lebensunterhalt finanziell und materiell fรผr sich selbst auf. Aus diesem Grund mรผssen auch WG-Mitbewohner/innen einem Hartz IV-Antragsteller oder einer Leistungsbehรถrde auch keine Angaben zum Einkommen und Vermรถgen offenlegen.
Widerspruch und Nachweis wichtig
Wer in einer รคhnlichen Lage ist und das Jobcenter eine Bedarfsgemeinschaft unterstellt, sollte einen Widerspruch einlegen. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Widerspruchsfrist gegen einen Jobcenter erstellten Bescheid 1. Monat nach Zustellung betrรคgt.
Grundvoraussetzung ist allerdinghs eine strikte Kostentrennung, die man nachweisen sollte. Mehr zu diesem Thema finden Sie hier. (Bild: Tobias Kleinlercher / Wikipedia – Eigenes Werk)