Hartz IV: Hohe Strom-Abschlagszahlungen und Nachforderungen beim Jobcenter beantragen

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Haushaltsenergie: Hohe Abschlagszahlungen und Nachforderungen für Strom – Das sollten Hartz IV und Sozialhilfe Beziehende beantragen

Die Energiekrise ist erst am Anfang. Viele Stromversorger haben bereits jetzt begonnen, sehr viel höhere Abschlagszahlungen für zu verlangen. Zudem stehen Verbrauchern hohe Nachforderung am Ende des Abrechnungszeitraums bevor. Ganz besonders betroffen sind Hartz IV (SGB II) und Sozialhilfe Beziehende. Dieser kleine Leitfaden soll helfen, die Strompreise “irgendwie” zu meistern.

Strom muss aus den Regelleistungen gezahlt werden

Strom muss im Gegensatz zu den Heizkosten aus den laufenden Regelleistungen bezahlt werden. Solange der Gesetzgeber keine wirkliche Regelsatzerhöhung oder laufende Energiebeihilfen in bedarfsdeckender Höhe plant, stehen nur die sozialrechtlichen Hilfen zur Verfügung, die derzeit gültig sind.

Zu erwarten ist, dass aufgrund der massiv steigenden Stromkosten fast alle Haushalte in Deutschland mit Nachforderungen und erhöhten Abschlagszahlungen der Energieversorger rechnen müssen.

Keine bedarfsgerechte Regelsatz-Erhöhung geplant

Die Koalition plant erst zum Jahreswechsel eine Anpassung der Regelsätze bei Hartz-4 um rund 50 Euro. Der genaue Anpassungsbetrag steht noch nicht fest, wird aber bereits jetzt als “schlechter Scherz” von Sozialverbänden kritisiert.

Nachforderungen des Stromanbieters: Zunächst ein Darlehen beim Jobcenter beantragen

Bei Nachforderungen der Stromversorger sollten Betroffene zunächst ein Darlehen beim Jobcenter nach § 24 Abs. 1 SGB II/§ 37 Abs. 1 SGB XII beantragen. Ein solches Darlehen wird in den Folgemonaten mit 10 Prozent der Regelleistung des Darlehensnehmers mit der zustehenden Hartz-IV-Leistung aufgerechnet. Im SGB XII beträgt die Aufrechnungshöhe bis zu 5 Prozent des Eckregelsatzes.

Umwandlung des Darlehens in eine Beihilfe beantragen

Wurde das Darlehen seitens des Jobcenters gewährt, kann im SGB II eine Umwandlung des Darlehens in eine Beihilfe nach § 44 SGB II beantragt werden, weil die Rückforderung „angesichts außergewöhnlicher Preissteigerungen bei einer derart gewichtigen Ausgabeposition“ eine unbillige Härte darstellen würde.

Die Bundesregierung hat nämlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (AZ: 1 BvL10/12, Rn. 144), dass in Situationen galoppierender Preise eine außerplanmäßige Erhöhung der Regelbedarfe anmahnt, bislang nicht umgesetzt.

Nachforderungen der Stromanbieter bei Sozialhilfe: Antrag auf dauerhafte Stundung stellen

Im SGB XII ist in dieser Konstellation nur ein Antrag auf dauerhafte Stundung möglich (Aufrechnung mit bis zu 5 Prozent des Regelbedarfs, § 37 Abs. 4 SGB XII; analog der BMAS-Weisung für die Kostenübernahme digitale Endgeräte für den Distanzunterricht vom Februar 2021).

Möglich wäre im SGB II bei einer höheren einmaligen Nachforderung für Strom auch ein Antrag auf eine Beihilfe nach § 21 Abs. 6 SGB II (Härtefallmehrbedarf) möglich, wenn ein Darlehen nach 24 Abs. 1 SGB II wegen der Höhe der Nachforderung „ausnahmsweise nicht zumutbar“ ist.

Hohe Abschlagszahlungen: Antrag auf Härtefallbeihilfe nach § 21 Abs. 6 SGB II

Auch ist damit zu rechnen, dass die Abschlagszahlungen an die Stromversorger sich deutlich erhöhen. Schon jetzt berichten viele Leistungsbeziehende, von ihren Stromversorgern eine Aufforderung bzw. Ankündigung erhalten zu haben.

Auch hier wäre bei laufenden Abschlagszahlungen, die sehr stark von den im Regelsatz vorgesehenen Strombedarfen abweichen, ein Antrag auf eine solche Härtefallbeihilfe nach § 21 Abs. 6 SGB II möglich. Bei laufenden Bedarfen sind die Anforderungen zur Gewährung des Härtefallmehrbedarfs geringer als bei einmaligen Bedarfen.

Die Sozialhilfe kennt keine Härtefallmehrbedarfe

Das Nachsehen haben allerdings Sozialhilfe-Bezieher. Das SGB XII kennt keine entsprechende Regelung für einmalige Härtefallmehrbedarfe. Betroffene können lediglich erheblich gestiegene Abschlagszahlungen über eine flexible Erhöhung des Regelsatzes nach § 27a Abs. 4 SGB XII realisieren.

Ob hier aus verfassungsrechtlichen Erwägungen auch im SGB XII einmalige Bedarfe über die abweichende Festsetzung der Regelsätze zu realisieren sind, wird lediglich mittelfristig über den Klageweg vor den Sozialgerichten geklärt werden können.

Klageweg wird wahrscheinlich Abhilfe schaffen

Die schlechte Nachricht ist, dass davon auszugehen ist, dass die Jobcenter als auch die Sozialämter trotz massiv steigender Strompreise die Härtefallregelung bzw. die flexible Erhöhung der Regelsätze nicht stattgeben werden.

Leistungsbeziehende müssen demnach bereits sein, solche Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. Es ist aber davon auszugehen, dass zahlreiche Betroffene sich nicht scheuen werden, die Gerichte anzurufen, um entsprechende Hilfen einzuklagen.

Wohngeld und Kinderzuschlag Bezieher sollten Hartz IV-Antrag bei hoher Nachzahlung stellen

Einkommensschwache Haushalte, die aufgrund hoher Nachzahlungen unter das Hartz-IV-Niveau fallen, Bezieher von Wohngeld und Kinderzuschlag oder auch Bezieher von Ausbildungsleistungen können in dem Monat der hohen Nachzahlung einen Antrag auf SGB II Leistungen stellen.

Voraussetzung dafür wäre jedoch die beschriebene Anerkennung der erhöhten Stromkosten im Rahmen der Härtefallmehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II bzw. über eine abweichende Festsetzung des Regesatzes nach § 27a Abs. 4 SGB XII.

Allerdings werden auch hier die Jobcenter sehr wahrscheinlich die Bedarfe nicht anerkennen, weshalb auch hier die Betroffenen den Klageweg beschreiten sollten, um Ansprüche durchzusetzen.

Die Chancen sind gut

Insgesamt sind die Chancen aufgrund des zitierten Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht schlecht. Allerdings müssen Betroffene bereit sein, den Klageweg zu beschreiten, solange die Bundesregierung nicht für bedarfsdeckende Regelleistungen sorgt.

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