Die Frage, ob eine nachträglich festgestellte Schwerbehinderung zu einer rückwirkend höheren Altersrente führt, beschäftigt Betroffene – und auch Sozialgerichte – seit Jahren.
Die Antwort lautet: Ja, unter bestimmten Voraussetzungen lässt sich die günstigere Rentenart rückwirkend durchsetzen. Allerdings greift dies nicht automatisch; wer den Vorteil nutzen will, muss die sozialrechtlichen Spielregeln kennen.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet eine rückwirkende Feststellung des GdB rechtlich?
Stellt das Versorgungsamt den Grad der Behinderung (GdB) 50 oder mehr nicht erst ab Bescheiddatum, sondern rückwirkend zu einem früheren Stichtag fest, gilt die Schwerbehinderteneigenschaft für die Rentenversicherung von diesem Tag an als existent.
Das Bundessozialgericht hat bereits 2007 entschieden, dass der Rentenversicherungsträger an dieses rückwirkende Datum gebunden ist; damit besteht rein rechtlich schon damals ein Anspruch auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen – selbst wenn der erste Rentenantrag seinerzeit eine andere Rentenart auswies.
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Entsteht dadurch automatisch ein höherer Rentenanspruch?
Die Praxis zeigt zweierlei: Die Rentenversicherung prüft zwar von Amts wegen, welche Rentenart die günstigste ist (sogenanntes Günstigkeitsprinzip). Dennoch wird die bessere Rente häufig erst nach einem „Überprüfungsantrag“ nach § 44 SGB X neu berechnet.
Der Grund: Solange weder der ursprüngliche Rentenantrag noch ein späterer Antrag auf Schwerbehindertenrente vorliegen, fehlt die formale Grundlage für eine Neufeststellung. Erst der Antrag – oder ein Widerspruch, falls die Umstellung abgelehnt wird – eröffnet die Möglichkeit, den Bescheid zu ändern und Nachzahlungen zu verlangen.
Zeitpunkt des ersten Rentenantrags wichtig
Wer bereits beim Rentenantrag auf eine mögliche Schwerbehinderung hinweist, hat die beste Ausgangsposition. Die Deutsche Rentenversicherung sieht vor, dass ein laufendes Feststellungsverfahren zum GdB unbedingt im Formular erwähnt wird.
Wird der GdB danach rückwirkend zum Rentenbeginn anerkannt, kann der ursprüngliche Bescheid ohne weiteres ersetzt werden – die Differenz wird in voller Höhe nachgezahlt.
Das interne Fachliche Weisungswerk (§ 99 SGB VI) unterstreicht: Wird der Schwerbehindertenstatus ab dem Ersten eines Monats bescheinigt, beginnt die höhere Rente mit diesem Tag, sofern alle übrigen Voraussetzungen vorliegen.
Was gilt, wenn der Rentenantrag den Schwerbehindertenstatus nicht erwähnt?
Fehlt der Hinweis, bleibt noch das Günstigkeitsprinzip aus dem BSG-Urteil; dennoch muss die oder der Versicherte regelmäßig aktiv werden.
Innerhalb von vier Jahren nach Bekanntgabe des ursprünglichen Rentenbescheids lässt sich mit einem Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X die komplette Neuberechnung verlangen.
Liegt der Bescheid länger zurück, kann die Rente nur noch für maximal zehn Jahre rückwirkend korrigiert werden, sofern keine Amtspflichtverletzung der Rentenversicherung vorliegt. Auch dann ist Schriftform Pflicht: Ohne ausdrücklichen Antrag läuft die Frist einfach weiter.
Welche Unterlagen verlangt die Rentenversicherung?
Erforderlich sind der Änderungs- bzw. Überprüfungsantrag, der Schwerbehindertenbescheid im Original oder in beglaubigter Kopie samt genau datierter rückwirkender Feststellung sowie – falls vorhanden – die Vorgangsnummer des ersten Rentenantrags.
Ärztliche Gutachten oder Befundberichte werden nur nachgefordert, wenn Zweifel am Datumszusatz des Versorgungsamts bestehen. In der Regel genügt der amtliche Bescheid als Beweis, dass der GdB rückwirkend vorlag.
Wie hoch fällt die Nachzahlung aus?
Der finanzielle Effekt ergibt sich aus der Differenz der Abschläge: Ohne Schwerbehinderung mindert sich die Rente für jeden Monat vor regulärem Rentenalter um 0,3 Prozent; bei Schwerbehinderung liegt der Abschlag für denselben Zeitraum 7,2 Prozentpunkte niedriger.
Wird die Rente neu festgesetzt, zahlt die Rentenversicherung diese Differenz für alle zurückliegenden Monate sowie die künftigen Renten aus – einschließlich Dynamisierungen durch jährliche Rentenanpassungen.
Was sagt die aktuelle Rechtsprechung?
Neben dem Grundsatzurteil AZ: B 13 R 44/07 R bestätigt eine Reihe jüngerer Entscheidungen der Landessozialgerichte, dass der rückwirkend festgestellte GdB zwingend zur Rentenanpassung führt, wenn der Anspruch bereits dem Grunde nach bestand.
Strittig bleibt lediglich die Frage der Fristen – hier verweisen die Gerichte regelmäßig auf § 44 SGB X sowie § 99 Abs. 2 SGB VI, wonach eine rückwirkende Leistung maximal zwölf Kalendermonate vor Antragstellung möglich ist, wenn überhaupt noch kein Rentenantrag existierte.
Fazit: So sichern Sie sich die höhere Rente bei Schwerbehinderung
Eine nachträgliche Anerkennung des Schwerbehindertenstatus kann die Altersrente deutlich steigern und wird grundsätzlich rückwirkend berücksichtigt.
Entscheidend ist, dass der Rentenantrag entweder von Beginn an auf die laufende GdB-Prüfung hinweist oder – falls das versäumt wurde – rechtzeitig ein Überprüfungsantrag gestellt wird.
Wer die Fristen beachtet und den Bescheid des Versorgungsamts beilegt, hat sehr gute Chancen, die finanziellen Vorteile im Nachhinein zu erhalten.
Wurde hingegen weder ein Hinweis noch ein Überprüfungsantrag eingereicht, drohen dauerhafte Einbußen. Fachkundige Beratung bei Sozialverbänden oder Rentenberatern ist deshalb ratsam, sobald sich eine rückwirkende Schwerbehinderung abzeichnet.