Haben Sie auch schon einmal einen sog. "Blauen Brief" vom Amt bekommen, dass Ihre Mietkosten sowie Ihre Nebenkosten zu hoch sind?
Die Kommune ist grundsätzlich verpflichtet die vollen Wohnungskosten bei Hartz 4 zu erstatten. Dabei dürfen Anteile von Mitbewohnern oder Angehörigen, die kein ALG II beziehen, abgezogen werden. Wenn Ihr ALG IIBescheid nicht alle Unterkunftskosten berücksichtigt, ohne dass Ihnen dies plausibel ist, fragen Sie Ihren Sachbearbeiter nach der Grundlage der Kürzung. Lassen Sie sich die für Sie geltenden "angemessenen" Kosten erläutern. Im Zweifel sollten Sie fristwahrend (4 Wochen nach Bescheiderteilung) Widerspruch bei der im Rechtsbehelf genannten Stelle einlegen. Auch Mieterorganisationen wie der Mieterbund sind eine gute Anlaufstelle bei Fragen zu den örtlichen Wohnungskonditionen.
Auch wenn Ihre Unterkunftskosten bei ALG II oberhalb von den laut Amt "angemessenen" Kosten liegen, müssen Sie nicht gleich mit einem Zwangsumzug rechnen. Die ARGE wird Ihnen eine Frist setzen, bis zu der es die Kosten übernimmt und Sie auffordern, sich um eine billigere Wohnung zu bemühen und diese Bemühungen nachzuweisen. Die "Schonfrist" beträgt allerdings nicht immer 6 Monate, sondern ist ebenfalls vom Einzelfall und dem örtlichen Wohnungsmarkt abhängig. Die Gesetzesformulierung lautet „in der Regel jedoch längstens für 6 Monate“ (§ 22 Abs. 1 SGB II). Teilweise wurden ALG II-Empfängern jedoch kürzere Fristen von 3 oder 4 Monaten eingeräumt.
Vorsicht: Sie können die eingeräumte Schonfrist nicht voll ausschöpfen, wenn bereits vorher eine geeignete Wohnung zur Verfügung steht. In diesem Fall verlieren Sie zwar nicht Ihren kompletten Unterkunftskostenanspruch, aber er wird auf den "angemessenen" Teil gekürzt. D.h. das Amt zahlt Ihnen nicht mehr die komplette Miete. Wenn ein Umzug – auch nach Ablauf der "Schonfrist" – nicht möglich oder zumutbar ist, haben Sie weiter Anspruch auf die tatsächlichen Kosten. Die Kommunen haben in der Regel Bagatellgrenzen eingeführt, bis zu der eine Überschreitung der „angemessenen“ Miete noch akzeptiert wird. Diese Grenzen sind örtlich unterschiedlich.
Hilfe zum Widerspruch
Kürzung der tatsächlichen Unterkunftskosten– Beispiel-Textbausteine für Widersprüche –
Die Textbausteine sind als Anregung zu verstehen. Unzutreffende Teile müssen gestrichen werden, andere Aspekte des Einzelfalls gegebenenfalls noch ergänzt werden ( Den Widerspruch kann der Antragsteller – also die Person, die den Antrag auf ALG II gestellt hat – einlegen. Er gilt als "Vertreter“"der Bedarfsgemeinschaft. Oder aber es unterschreiben alle Personen, die von dem Kürzungsbescheid benachteiligt sind (Eltern auch für ihre Kinder).
Wichtig: Vergessen Sie nicht den letzten Satz, der für alle Textbausteine gilt und ganz unten steht.
Absender:
Name ………………………………………………..
Straße ……………………………………………….
PLZ/Ort ……………………………………………..
Kunden-Nummer und/oder Nummer der Bedarfsgemeinschaft: ………………………………………………………….
An [das Amt, bei dem Sie Widerspruch einlegen müssen, ist in ihrem Bescheid angegeben]………………………………………………….
………………………………………………….
………………………………………………….
………………………………………………….
………………………..[Ort], den ………………………[Datum]
Widerspruch gegen Ihren Bescheid vom …………………………………………………
Sehr geehrte Damen und Herren!
Gegen Ihren Bescheid über Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom ………………………………, mir zugegangen am ………………………………,
lege ich hiermit WIDERSPRUCH ein.
Begründung:
Fehlende Einzelfallprüfung
Sie haben bei der Prüfung meiner/unserer Unterkunftskosten die Besonderheit meines/unseres Falls nicht berücksichtigt. Die Unterkunftskosten sind durch meine / unsere persönlichen Verhältnisse bedingt und gerechtfertigt. Ich bin gehbehindert und auf Gehhilfen und phasenweise sogar auf einen Rollstuhl angewiesen [Belege beifügen]. Dadurch ergibt sich ein Bedarf an einer größeren Wohnungsfläche und entsprechend höhere Unterkunftskosten.
oder
Sie haben bei der Prüfung meiner/unserer Heizkosten die Besonderheit meines/unseres Falls nicht berücksichtigt. Die Heizkosten sind durch den baulichen Zustand der Wohnung bedingt und gerechtfertigt. Die Wohnung hat viele Außenwände und ist schlecht isoliert. Die Fenster haben nur Einfachverglasung. Daher sind die Heizkosten in meinem / unserem Fall als angemessen anzusehen.
[Weitere Gründe für einen besonderen Bedarf können z.B. sein: Schwangerschaft, Behinderung, notwendiges Arbeitszimmer bei selbständiger/freiberuflicher Tätigkeit.]
Nur zu viele Quadratmeter oder zu hoher Quadratmeterpreis
Im oben genannten Bescheid begründen Sie die Kürzung der Unterkunftskosten damit, dass meine/unsere Wohnung zu groß sei [oder der Mietpreis pro Quadratmeter zu teuer sei]. Dies ist rechtswidrig. Laut Gesetz (§ 22 Abs. 1 SGB II) sind die Aufwendungen für die Unterkunft, also die Kosten insgesamt, entscheidend. Die einzelnen Faktoren „Wohnfläche“ und „Quadratmeterpreis“ sind jeweils für sich alleine betrachtet für die Prüfung der Angemessenheit unerheblich. Im Ergebnis liegt meine Miete unter dem Produkt aus „angemessene Wohnungsgröße“ multipliziert mit dem „angemessenen Quadratmeterpreis“ und ist daher als angemessen anzusehen.
Kostensenkung nicht zumutbar
Unabhängig von der Frage, ob meine Unterkunftskosten als angemessen anzusehen sind, kann mir ein Umzug in eine billigere Wohnung nicht zugemutet werden. Ich bin alleinerziehend. Meine vierjährige Tochter besucht z.Z. die nahegelegene Kindertagesstätte „Kunterbunt“ in der Musterstraße. Meine Eltern, die in der Nähe wohnen, betreuen nachmittags bei Bedarf meine Tochter. Bei einem Umzug würden diese Möglichkeiten der Kinderbetreuung wegfallen. Dadurch würde mir meine Arbeitsuche und insbesondere die Aufnahme einer Arbeit wesentlich erschwert.
Ich kann meine Unterkunftskosten auch nicht durch Untervermietung senken, da dafür kein Zimmer vorhanden ist [oder mein Vermieter dem nicht zustimmt / dies in meinem Mietvertrag ausgeschlossen ist]
[Weitere Gründe dafür, dass ein Umzug nicht zumutbar ist, können z.B. sein: Pflege von Angehörigen in der Nachbarschaft, Schulwechsel eines Kindes würde erzwungen, in Aussicht stehende Arbeitsaufnahme / Beendigung Leistungsbezug, eine ältere Person lebt im Haushalt…]
Kostensenkung nicht möglich
Es ist uns nicht möglich, unsere Unterkunftskosten zu senken. Eine Untervermietung ist nicht möglich. Eine billigere Wohnung können wir – zwei Erwachsene und vier Kinder! – hier am Ort nicht bekommen.
Unsere jetzige Wohnung haben wir vor einem Jahr nach sehr langer Suche bezogen. Schon damals war es nahezu unmöglich, überhaupt irgendeine (!) Wohnung zu finden. Immer wieder wurde uns gesagt, dass eine so große Familie mit vier Kindern nicht ins Haus passe und nicht erwünscht sei.
An der Schwierigkeit für kinderreiche Familien, eine Wohnung zu finden, hat sich bis heute nichts geändert. Auf Ihre Aufforderung hin, haben wir uns intensiv um eine billigere Wohnung bemüht (eine Auflistung der Bemühungen liegt bei). Unser Bemühen hatte aber keinen Erfolg. Auch wurde uns bis heute vom Träger der Grundsicherung für Arbeitslose keine geeignete Wohnung angeboten, die unserem Bedarf entspricht.
Oder auch, wenn die angemessenen Mietobergrenzen insgesamt rechtswidrig zu niedrig festgesetzt wurde, also zu diesen Preisen gar keine Wohnungen frei verfügbar sind.
Bei "unangemessenen" Betriebskosten / kalten Nebenkosten sollten Sie vorbringen, dass Sie diese nicht beeinflussen und nicht senken können (etwa wenn eine Wohnung nur mit einem Auto-Stellplatz vermietet wurde oder die Betriebskosten zwingend im Mietvertrag vorgesehen sind.)]
Wichtig: Schlussteil für alle Textbausteine
Ich / wir beantrage(n) den oben genannten Bescheid aufzuheben und mir / uns die tatsächlichen Unterkunftskosten in voller Höhe zu gewähren.
Mit freundlichen Grüßen
…………………………………[Datum] …………………………………[Unterschrift]
(Dies ist ein Bespiel für einen Widerspruch, der von den Erwerbslosen- Initiativen der Gewerkschaften vorgeschlagen wird. Eine Rechtssicherheit und Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht gewährt werden.)
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