Hartz IV: Schmutziges Täuschungsmanöver

Lesedauer 3 Minuten

Schmutziges Täuschungsmanöver: Streit um das Arbeitslosengeld I

Mit dieser sich nunmehr allein auf die Verlängerung des ALG I für ältere Arbeitnehmer konzentrierende Scheindiskussion wird bewusst die Forderung zurückgedrängt, dass Regelsätze bei ALG II aufgrund der drastischen Erhöhung der Lebensmittel- und Energiepreise – nicht zuletzt durch die Erhöhung der MWST losgetreten – anzugleichen sind. Laut Pressemitteilung vom 10.08.2007 wollte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Ergebnisse seiner Überlegungen, u.A. „welche Konsequenzen sich ergeben, wenn der zum 1. Juli 1997 durchgeführte Wechsel der jährlichen Anpassung der Sozialhilfe hin zum Rentenanpassungsfaktor weiter gilt oder durch andere Regelungen, etwa die Inflationsrate oder den Verbraucherpreisindex, ersetzt würden“, bis Ende November 2007 vorlegen. Indess haben Städte, Gemeinden und Landkreise sich gegen einen Inflationsausgleich für Hartz-IV-Empfänger ausgesprochen. "Wir haben den Regelsatz beim Arbeitslosengeld II gerade erst erhöht, wir müssen keine zweite Erhöhung hinterherschieben", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags, Hans-Günter Henneke, der Berliner Morgenpost am 12.08.2007. RICHTIG: Um überwältigende 2,- Euro!

Nun ist es den Frontmännern der Meinungsverschiedenheiten, Parteichef Kurt Beck und Arbeitsminister Franz Müntefering sowie der Kanzlerin Angela Merkel gelungen, dieses Thema aus den Medien zu verdrängen! Liegt es daran, weil das Sozialgericht Berlin die Frage um die Kürzung des Arbeitslosengelds für ältere Arbeitslose dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, weil die Knappe Übergangsfristen das Grundrecht auf Eigentum (= erhebliche Eigenleistung in die Arbeitslosenversicherung) verletzen. Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Eigenleistungen) durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG geschützt (vgl. BVerfG 72, 9, (19f.); 74, 9 (25); 74, 203 (213); 76, 220 (235); 92, 365 (405) Beschluss vom 18. November 1996 – 1 BvL 29/83 –)! 1987 wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I auf 32 Monate in der Hoffnung angehoben, dass die Unternehmen dann ältere Arbeitnehmer sozialverträglich entlassen würden, um jüngere Arbeitslose einzustellen.

Im Ergebnis wurden jedoch die älteren Beschäftigten auf Kosten der Arbeitslosenversicherung entlassen. Lediglich jeder siebte Arbeitsplatz wurde danach neu besetzt. „Innerhalb der Sozialgerichte ist die Frage umstritten, ob das „Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt“ vom Dezember 2003 in allen Teilen verfassungsgemäß ist. Das Gesetz hatte die Höchst-Dauer für Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose nahezu halbiert von 32 Monaten auf 18 Monate. Für die Mehrzahl der übrigen Arbeitslosen wurde die Höchst-Dauer einheitlich auf 12 Monate begrenzt. Die Kürzung betrifft alle Arbeitslosen, die seit dem 1. Februar 2006 einen Antrag auf Arbeitslosengeld bei der Agentur für Arbeit gestellt haben. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe soll nun eine abschließende Entscheidung zu dem Reformgesetz treffen. Die 56. Kammer des Berliner Sozialgerichts hat dort zwei Muster-Fälle zur Überprüfung vorgelegt“, heißt es u.A. in der Pressemeldung vom 01.10.2007 des Bundesssozialgerichts. Diese Vorlage ist der Regierung bekannt, da das Bundesverfassungsgericht bei solchen Vorlagen stets die Gesetzgebung zur Stellungnahme auffordert. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass diese medial inszenierte Schmierenkomödie wohlkalkuliert das eigentliche Thema verdrängen soll, nämlich die Erhöhung des bei Einführung vom sog. „Hartz IV“ (ALG II) bewusst „heruntergerechneten“ sozialen Existenzminimum auf 345,- Euro monatlich.

Stattdessen werden die auf dieses Existenzminimum angewiesenen Menschen weiterhin als sozialschmarotzende Säue durch Dorf getrieben – zuletzt durch das Skandal-Interview des Glamour-Boys der SPD, Klaus Wowereits, „ALG-II-Empfänger könnten nicht mit Geld umgehen und ließen sich vom Konsum berauschen, statt erst einmal die notwendigsten Dinge zu bezahlen“. Inzwischen fährt die Agentur für Arbeit weiterhin Milliardenüberschüsse ein. Nein, nein, nicht wegen des (schöngerechneten) „Aufschwungs“ – sondern auf Kosten der nach 12 Monaten in ALG-II gestossenen! Und die Kosten für Hartz IV? Ist es nicht so, dass, wenn der Bund in diesem Jahr rd. 23 Mrd. Euro für die Kosten für die Grundsicherung (ALG II) zahlen muss, dem Bund Zuzahlung für die Bundesagentur für Arbeit nämlich deswegen erspart bleiben, weil die Bezugszeiten aus Versicherungsleistungen (ALG I) sowie die Anwartschaftszeiten abgesenkt und die Berechnung des täglichen Anspruchs auf einheitlich 30 Tage umgestellt wurden? Aber: "Aus dem erwarteten Jahresüberschuss plant die BA, noch 2007 eine Versorgungsrücklage in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro zu bilden. Damit wird ein Kapitalstock aufgebaut, um die aktuellen und späteren Pensionslasten der BA zu decken." Damit sollen die Beitragszahler die Pensionslasten der BA zahlen!

Ist das nicht Betrug am Beitragszahler, wenn ihm zu Gunsten der Pensionen zu seinen Ungunsten erhebliche Ansprüche aus Versicherungsleistungen gestrichen werden? Und sind nicht die Ausgaben für ALG II im Lichte der Einsparungen bei ALG I zu betrachten (vgl. Drucksache 16/2960, 16. Wahlperiode 17. 10. 2006)? Wie schön doch Politik ist! (Ein Leserbeitrag von Marii Mai, 18.10.2007 )