Hartz IV: Mutige Fallmanagerin verklagte das eigene Jobcenter

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Bereits vor einigen Jahren verklagte die Fallmanagerin Jana Grebe ihr eigenes Jobcenter. Der Grund: Ein menschenunwรผrdiger Umgang mit Hartz IV Leistungsbeziehern.

Es gibt auch in den Jobcentern Sachbearbeiter/innen, die gegen das Unrecht des Hartz IV Systems ankรคmpfen. Viele schweigen aber versuchen dennoch das Beste fรผr Leistungsbezieher herauszuholen. Andere gehen wie Inge Hannemann oder auch Jana Grebe an die ร–ffentlichkeit. Manchmal mit Erfolg, aber oft mรผssen auch Niederlage und persรถnliche Nachteile in Kauf genommen werden. โ€žIch bin mit der Klage voll gegen die Wand gefahrenโ€œ, berichtet Grebe.

Nicht mehr im Abfertigungssystem arbeiten

Im Jahre 2016 arbeitete Grebe als sog. Fallmanagerin im Jobcenter des Kreises Osterholz nรคhe Bremen. Sie wollte nicht mehr in einem Abfertigungssystem arbeiten, sondern nah am Menschen sein. Ganze zwei Jahre lang arbeitete Grebe in einem von der niedersรคchsischen Landesregierung gefรถrderten Projekt. Hauptziel war, den “Kundenkontakt” zu verbessern. Dabei sollte auf Sanktionen verzichtet und indiviuell auf den Menschen eingegangen werden.

Das sei eine gute Sache gewesen, erinnert sich die Ex-Jobcentermitarbeiterin. Und auch erfolgreich. “Aber es war so wie immer: Solche Projekte enden”. Nach dem Projekt sollte sie fรผr insgesamt 400 Leistungsbezieher zustรคndig sein. Statt individueller Betreuung stand nun der Jobcenteralltag an. Massenabfertig statt menschlicher Beratung und Fรถrderung.

Engpass im Jobcenter mit Selektierung

Hinzu kam, dass die Behรถrde einen Engpass an Personal hatte. 600 Leistungsbezieher/innen konnten deshalb nicht betreut werden. Deshalb sollten sich die Sachbearbeiter auf die “Kunden” konzentrieren, bei denen es mรถglich erschien, diese wieder schnell zu vermitteln.

Doch das Gesetz schreibt vor, dass allen Hartz IV Beziehern eine Betreuung zuteil werden sollte. Hierfรผr werden sogenannte Eingliederungsvertrรคge zwischen dem Jobcenter und dem Leistungsbezieher geschlossen. Festgehalten werden Pflichten und MaรŸnahmen, damit eine Vermittlung in den Arbeitsmarkt funktioniert. Dabei sollte der Vertrag zwischen den Parteien individuell zugeschnitten sein.

Serienbrief statt Betreuung

Stattdessen wurde aber ein Serienbrief seitens der Behรถrde aufgesetzt. โ€žAuf 15 Seiten und in einer Sprache, die selbst die Mitarbeiter kaum verstanden habenโ€œ, berichtet Grebe gegenรผber der “FR”. Wer die Eingliederungsvereinbarung unterschrieb, sollte zum Beispiel fรผnf Bewerbungen pro Monat schreiben. Wer dem nicht oder nicht vollstรคndig nachkam, wurde sanktioniert und erlitt zum Teil erhebliche Geldkรผrzungen.

Viele waren aber bereits seit einigen Jahren erwerblos, weil sie chronisch krank waren. Das interessierte aber nicht. Individuelle Beratungsgesprรคche fanden nรคmlich nicht statt.

Die Fallmanagerin weigerte sich die aus dem Serienbrief resultierenden Leistungskรผrzungen durchzusetzen. Stattdessen suchte sie das Gesprรคch mit ihren Vorgesetzten, dem Landkreis, Personalrat, Sozialdezernentin und Vorstand. โ€žAlle haben das gleiche gesagt: Ich habe zu tun, was man mir sagt. Und ich habe diese Dinge nicht zu hinterfragen.โ€œ

Klage gegen den eigenen Arbeitgeber

Doch das wollte sie nicht akzeptieren und klagte gegen den eigenen Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht. Das Gericht sollte sozialrechtliche Fragen klรคren und das rechtswidrige Verhalten der Behรถrde gegenรผber den Leistungsbeziehern rรผgen.

Das war damals eine groรŸe Belastung, erinnert sich Grebe. Sie wurde krank. Das Verfahren zog sich รผber Monate hin. Unterstรผtzung bekam sie keine. Nur wenige Medien berichteten darรผber. Auch von der Gewerkschaft Verdi bekam sie keine Unterstรผtzung, obwohl sie dort Mitglied war.

Schikane statt Unterstรผtzung

Stattdessen wurde innerhalb der Behรถrde Druck auf sie ausgeรผbt. Sie bekam zum Teil absurde Arbeitsauftrรคge. Grebe hatte des Gefรผhl einer stรคndigen Kontrolle seitens der Vorgesetzten. Auch die Kollegen zeigten sich kaum solidarisch, obwohl einige so dachten wie sie. Trotzdem machte sie weiter. Aufgeben war keine Option. โ€žIch hรคtte nie wieder in den Spiegel schauen kรถnnen”, sagt sie heute.

Trotz dieser Belastung hielt sie an der Klage fest. Ein Vergleichsangebot lehnte sie ab. Doch dann konnte sie nicht mehr. Sie kรผndigte ihre Stelle und war plรถtzlich selbst erwerblos. Das tat sie, um nicht selbst die “rechtswidrigen Sanktionen umsetzen zu mรผssen”. Dann kam die juristische Niederlage. Ihre Klage wurde abgewiesen.

Preis fรผr Zivilcourage

Ein halbes Jahr spรคter bekam die Ex-Fallmanagerin ein wenig Anerkennung. Die Solbach-Freise-Stiftung verlieh ihr den โ€žPreis fรผr Zivilcourageโ€œ. In einer Rede bei der Preisverleihung lobte Inge Hannemann Jana Grebe. Sie habe โ€žMenschlichkeit walten lassen โ€“ in dem Wissen, dass sie schlussendlich die Kosten dafรผr zu tragen hatโ€œ.

Nach ihrer Kรผndigung hat Jana Grebe zwei Ausbildungen absolviert. Heute hilft sie als Selbststรคndige Unternehmen “eine positive und produktive Betriebskultur zu entwickeln โ€“ ohne Angst, Stress oder Unsicherheit.”