Hartz IV: Pflichtteil aus Erbe ein Muss

Lesedauer 3 Minuten

Hartz IV-Bezieher müssen den Pflichtteil aus einem Erbe mit Barvermögen grundsätzlich einfordern. Dies gilt auch dann, wenn die Erbschaft auf ein sogenanntes Berliner Testament zurückgeht und der Leistungsbezieher damit später auf einen zukünftigen Nachlass keinen Anspruch mehr hat, entschied das Sozialgericht Mainz in einem am Dienstag, 27. September 2016 bekanntgegebenen Urteil (Az.: S 4 AS 921/15).

Laut Testament war Mutter des Erwerbslosen Alleinerbin

Das „Berliner Testament“ ist vor allem bei Ehepaaren üblich. Dabei setzen sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein. Die Kinder können lediglich ihren gesetzlichen Pflichtteil verlangen. Erst nach dem Tod auch des zweiten Ehepartners können die Kinder die Erbschaft für das noch bestehende Gesamterbe antreten.

Hartz-IV-Bezieher muss Pflichtteil aus Erbe geltend machen

Im jetzt entschiedenen Fall starb der Vater des klagenden Hartz-IV-Beziehers im Frühjahr 2015. Laut „Berliner Testament“ hatten die Eltern sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Erst mit dem Tod der Mutter sollten auch die zwei gemeinsamen Kinder das gesamte Erbe antreten können. Konkret ging es um eine Erbschaft im Wert von 140.000 Euro, darunter ein Barvermögen von 80.000 Euro.

Doch das Jobcenter verlangte, dass der Hartz-IV-Bezieher nicht bis zum Tode der Mutter warten dürfe. Er sei verpflichtet, zumindest seinen Pflichtteil sofort geltend zu machen. Danach müsse die Mutter ihn mit rund 16.500 Euro auszahlen. Hartz-IV-Leistungen wurden ihm daher nur noch als Darlehen bewilligt.

Erbe während Leistungsbezug gilt als Einkommen

Dass das Jobcenter wollte, dass der Mann sein Erbe antritt, hat einen einfachen Grund: Wer erbt während er Hartz IV bezieht, dem wird das Erbe als Einkommen angerechnet. Bei einer Erbschaft in dieser Höhe dürfte das für den Leistungsbezieher bedeuten, dass er längere Zeit überhaupt keine Leistungen vom Jobcenter mehr bekommt.

Wer weniger erbt, bei dem kann das Einkommen gegebenenfalls auch über einige Monate gestreckt auf die Leistung angerechnet werden. Wichtig ist immer, dass man das Jobcenter über ein Erbe informiert um später Ärger zu vermeiden.

Mann wollte seine Mutter nicht verklagen

Der Hartz-IV-Bezieher wollte seinen Pflichtteil aber nicht einfordern. Denn dann hätte er nach dem Tode seiner über 80 Jahre alten, schwer behinderten und pflegebedürftigen Mutter keinen Anspruch mehr auf den Großteil des Erbes.

Er habe zudem Skrupel, den Pflichtteil gegen seine Mutter geltend zu machen. Sie benötige das Barvermögen dafür, dass sie noch möglichst lange ihre anfallenden Ausgaben bezahlen kann. Seine Mutter habe zudem angekündigt, dass sie den Pflichtteilsanspruch nicht freiwillig auszahlen wolle.

SG Mainz: Erwerbsloser muss von Mutter Geld verlangen

In seinem Urteil vom 23. August 2016 urteilte das Sozialgericht, dass zwar im Falle eines Berliner Testaments grundsätzlich von einem Leistungsempfänger nicht verlangt werden könne, dass dieser den Pflichtteil geltend macht. Dies sei unzumutbar, da damit der vereinbarte Wille der Eltern unterlaufen würde.

Anders sehe dies jedoch aus, wenn ausreichend Barvermögen vorhanden ist, um den Pflichtteilerben auszahlen zu können. Dies sei hier der Fall. Die Auszahlung des Pflichtteils könne problemlos erfolgen, ohne dass beispielsweise ein Grundstück verkauft oder beliehen werden muss. Damit sei die Geltendmachung des Pflichtteils auch zumutbar.

Grund: Genug Bargeld zum Auszahlen vorhanden

Schließlich sei das Barvermögen nach den Berechnungen des Klägers auch erst in ein paar Jahren aufgebraucht. Es gebe zudem auch keine sichere Prognose über die finanziellen Entwicklungen bei der Mutter, die eine besondere Härte und damit eine Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Pflichtteilerbes begründen könnten.

Hartz IV-Bezieher können mit Bedürftigentestament trotzdem erben

Hartz IV-Betroffene haben also quasi gar nichts davon, wenn sie erben. Um dieser Problematik aus dem Weg zu gehen, verfassen manche Erblasser ein Bedürftigentestament.

Darin setzen Sie einen oder mehrere Nacherben ein und machen den Hartz IV-Bezieher zum Vorerben. Die Nacherben bekommen das Erbe nach dem Tod des Vererbenden sofort. Der Hartz IV-Bezieher bekommt dann nicht nur den Pflichtteil, sondern ein Drittel bis die Hälfte des ganzen Erbes. Als Vorerbe darf er aber nicht auf die ganze Erbschaft zugreifen. Stattdessen bekommt er regelmäßig Beträge davon ausgezahlt. Um die Auszahlung muss sich ein Testamentsvollstrecker kümmern.

Tipp: Nacherben-Regelung sollte enden wenn ein Job gefunden ist

Wenn Ihnen jemand mit einem Bedürftigentestament Geld hinterlassen will, achten Sie darauf, dass die Nacherben-Regelung endet, wenn Sie einen Job finden. Lassen Sie festhalten, dass die normalen Erbbedingungen gelten sollen, wenn Sie nicht mehr hilfebedürftig sind.

 

Quellen:

Az.: S 4 AS 921/15