Hartz IV: Kürzungen bei Behinderten willkürlich

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Hartz IV: Kürzungen bei Behinderten willkürlich

07.03.2011

Völlig untergegangen in der Debatte um die Festlegung der regulären Hartz IV Regelsätze ist die massive Kürzung erwerbsgeminderter behinderter Menschen über 25 Jahre. Hier wurden im Zuge der „Hartz IV Reformen“ massive Kürzungen vorgenommen.

Behinderte, die das 25 Lebensjahr überschritten haben und noch zu Hause wohnen, erhalten seit Jahresbeginn 73 Euro weniger, also nur noch 291 Euro monatlich. Im Gegensatz dazu erhalten Nicht-Behinderte Menschen den vollen Regelsatz. Diese offensichtliche Ungleichbehandlung stößt nun auch innerhalb der Bundesregierung auf scharfe Kritik. So forderte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), eine schelle Überprüfung der Regelleistungen für erwerbsgeminderte behinderte Menschen über 25 Jahren. Gegenüber dem „Tagesspiegel“ sagte Hüppe: „Die Prüfung darf nicht eine Ewigkeit dauern. Wir sollten zügig eine Entscheidung treffen, bevor die ersten Kläger vor die Sozialgerichte ziehen“. Behindertenverbände hatten bereits im letzten Jahr die Kürzungsabsichten der Bundesregierung stark kritisiert und auf eine Klagewelle hingewiesen. Schließlich wurde die Kürzung willkürlich festgelegt. Diese Ansicht teilt nun auch der Behindertenbeauftragte Hüppe. „Es ist weder nachvollziehbar noch gerecht, dass behinderte Menschen schlechter gestellt werden als über 25-jährige Hartz-IV-Bezieher, die noch bei ihren Eltern wohnen“, sagte er gegenüber der Zeitung.

Die Bundesregierung begründet die massive Kürzung der Regelbedarfsstufe III mit dem Argument, die Betroffenen würden sich „in aller Regel“ nicht an den Haushaltskosten beteiligen und müssten demnach weniger finanzielle Mittel für den eigenen Lebensunterhalt aufbringen. In der Neufassung des Gesetzestextes steht: Mit der Stufe III seien "erwachsene Leistungsberechtigte, die keinen eigenen Haushalt führen, weil sie im Haushalt anderer Personen leben" gemeint. Hier stehe nur noch eine Regelleistung von 291 Euro monatlich zur Verfügung. Ausgeschlossen sollen diejenigen sein, die in einer Ehe oder Ehe ähnlichen Gemeinschaft leben. Hier wird auch nicht der volle Satz bezahlt, sondern der Regelsatz in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft. Zudem könnten ja Betroffene bei den Leistungsträgern volle Regelleistungen beantragen, wenn es wirtschaftlich erforderlich sei, so die lapidare Begründung. In der Realität bedeutet dies, dass die Betroffenen sich erst mit den Behörden streiten müssen, um ihre Lebensexistenz zu sichern.

Eine unfassbare Ungerechtigkeit, wie auch der Sozialexperte Markus Kurth der Bundestagsfraktion der Grünen befindet. Denn der willkürlich berechnete Abschlag trifft vor allem Menschen, die an ihrer Einkommenssituation nichts ändern können. Die schwarz-gelbe Koalition kann nicht nachvollziehbar begründen, warum sie eine solche Kürzung vornimmt. „Es ist nachvollziehbar, dass sich durch das Zusammenleben gewisse Ersparnisse ergeben, etwa durch die gemeinsame Nutzung eines Kühlschranks. Aber da die Regierung keine statistischen Belege liefert, handelt es sich um willkürliche Schätzungen“, sagte Kurth mit Verweis auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil in Sachen Hartz IV. Der Grünen-Politiker schlägt daher vor, die Kürzungen wieder zurück zunehmen, bis eine Sonderauswertung stattgefunden hat. Eben jene Neubewertung kann Jahre andauern, wie Ilja Seifert von den Linken befürchtet. „Die Betroffenen benötigen aber schon jetzt das Geld. Wer behindert und erwerbsunfähig ist, benötigt Pflege und Assistenz“, mahnte Seifert. Da von „Synergien“ zu sprechen, sei mehr als „zynisch“. Auch der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung spricht sich für den vollen Regelsatz aus, bis eine nachvollziehbare Berechnung stattgefunden hat. (sb)

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