Hartz IV: Grundnahrungsmittel werden teurer

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Offensichtlich haben die großen Lebensmittelmärkte flächendeckend beschlossen, den einzigen Posten in ihrem Sortiment massiv zu verteuern, von dem man sich eine deutliche Profitsteigerung erhoffen kann: die Grundnahrungsmittel.

Milch und alle Milchprodukte werden ab August um ca. 50% teurer. Ebenfalls Brot und Brötchen sowie alle Backwaren und Getreideprodukte sollen massiv verteuert werden. Als Begründung für Milch und alle Milchprodukte wird die steigende Nachfrage dieser Produkte auf dem Weltmarkt, speziell in Asien, genannt. Bei Getreide sind angeblich Missernten anderer Länder schuld.

Sind wir vom Weltmarkt abhängig? Nein! Deutschland produziert schon seit Jahrzehnten deutlich mehr, als für die Versorgung der eigenen Bevölkerung benötigt wird. Allein 1/3 aller Milchprodukte gehen in den Export. Felder für den Anbau von Getreide liegen von der EU erzwungen und bezahlt brach, Ernten wurden untergepflügt, Milch weggeschüttet, alles um die massive Überproduktion in den Griff zu kriegen. Und man kauft lieber Kartoffeln aus Ägypten ein, anstatt die Kapazitäten im eigenen Land zu nutzen.

Was sagen die deutschen Bauern dazu? Von ihnen gehe diese Preiserhöhung nicht aus. Und genau aus diesem Grund denken sie auch, dass von diesen Preiserhöhungen bei ihnen nichts ankommen wird. Den großen Reibach machen also die Lebensmittelgroßmärkte REWE, ALDI, etc. Wer zahlt diese massiven Profite? Der kleine Bürger, der ohnehin jeden Euro zwei mal umdrehen muss, bevor er ihn ausgibt.

Wirtschaftsweise reden von "es wird schon nicht so schlimm, der Markt werde sich selbst regulieren". Das ist großer Unfug und das wissen diese selbst ernannten Wirtschaftsweisen auch. Die Selbstregulation des Marktes ist schon vor Jahrzehnten zusammengebrochen, seit durch direkte und indirekte Preisabsprachen, durch künstliche Verknappung der Angebote (siehe oben), durch gezielte Werbung und andere Marktmanipulationen Angebot und Bedarf durch die Großkonzerne gezielt gesteuert wird.
Die Selbstregulation des Marktes funktioniert jedoch nur, wenn der Markt nicht durch äußere, derartige Manipulationen, beeinflusst wird, was wiederum mit der Realität nichts gemein hat. Ein selbstregulierender Markt ist Fiktion.

Die Politiker geben sich empört, das Kartellamt kündigt Preisprüfungen an. Doch reicht diese Empörung um den Ärmsten, den Bedürftigen ihr Überleben zu garantieren? Das darf erheblich bezweifelt werden!

Im Regelsatz eines ALG II-Empfängers sind 37% für Nahrungsmittel enthalten. Das sind 4,28 Euro/Tag für alleinstehende, 3,85 Euro/Tag für Verheiratete und Partner, 2,57 Euro/Tag für Kinder bis 14 Jahre, 3,43 Euro für Kinder ab 14 bis 24 Jahre. Diesen Beträgen liegt angeblich die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2003 zugrunde, deren Angaben dazu aber massiv um 15% bis 20% gekürzt wurden. Z.B. wurde gegenüber dem alten Regelsatz der Sozialhilfe Strom von 24,40 Euro/Monat auf 20,74 Euro/Monat gekürzt, Nahrung von 5,31 Euro/Tag auf 4,23 Euro/Tag. Der Regelsatz war also schon zur Zeit der Einführung des ALG2 am 01.01.2005 sowohl durch die vorgenommenen massiven Kürzungen im Regelsatz als auch durch die stetigen
Preiserhöhungen absolut unrealistisch und wies eine so gewollte erhebliche Bedarfsunterdeckung des soziokulturellen Existenzminimums auf.

Für einen realistischen ALG II Regelsatz, der den ungekürzten und damit tatsächlichen Bedarf des soziokulturellen Existenzminimums sowie die teilweise massiven Preiserhöhungen seit 2003 berücksichtigt, insbesondere bei der Haushaltenergie, müsste dieser um ca. 50% angehoben werden. Hinzu kommt der Anteil im Regelsatz für Nahrungsmittel, welcher aufgrund der jüngsten Preistreiberei ebenfalls um 50% angehoben werden müsste, um diese Preiserhöhung auszugleichen. Außerdem müsste in
Erfüllung des Grundgesetzes und der Menschenrechte die Höhe des Regelsatzes an die allgemeine Preisentwicklung gekoppelt werden, anstatt wie bisher an die Rentenentwicklung, welche ihrerseits an die Bruttolohn- und -gehaltsentwicklung gekoppelt ist. Denn ALG II und Rente sind zwei unterschiedliche, nicht miteinander vergleichbare Systeme mit völlig unterschiedlichen Zielen.

Die Grundsicherung nach SGB II dient der Existenzsicherung Erwerbsfähiger, so wie das SGB XII der Existenzsicherung von Rentnern und Erwerbsunfähigen dient. Beides hat nicht das Geringste mit Rente oder Rentenansprüchen zu tun. Im Gegensatz zum SGB XII, das bei der Regelsatzbemessung die Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten berücksichtigt, wird in der derzeitigen Fassung des SGB II durch die Kopplung des Regelsatzes an den Rentenwert lediglich auf die Entwicklung von Bruttolohn und -gehalt Bezug genommen. So führen stagnierende oder
sinkende Bruttolöhne zu einer gleichbleibenden oder sogar sinkenden Regelsatzhöhe des SGB II. Im Zusammenhang mit der Preisentwicklung bewirkt dies eine stetig steigende Unterdeckung des mit dem SGB II zu sichernden soziokulturellen Existenzminimums, was sowohl gesetz- als auch verfassungswidrig wäre.

Die absolut realitätsfremde Höhe des Anteiles für Nahrung im Hartz IV Regelsatz spiegelt sich schon im Vergleich der tatsächlichen Preise wider, wenn man für Frühstück und Mittagessen im Kindergarten 2,70 Euro zahlen muss. Das sind nämlich schon 13 Cent mehr, als ein 5jähriges Kind für das Essen und Trinken eines ganzen Tages zur Verfügung hat. Woher den Rest nehmen? Den zahlen die Eltern aus ihrer Regelleistung drauf!

Wenn ich mich entscheiden muss: kaufe ich eine Flasche Sekt, um mit Frau und Freunden an meinem Geburtstag anstoßen zu können, oder kaufe ich Brot und Butter um etwas zum Essen zu haben, dann entscheide ich mich für letzteres und sch…e auf meinen Geburtstag. Oder soll ich meinen Kindern vielleicht erklären, dass sie heute hungern müssen, weil Papa Geburtstag hat?

Sein wir doch mal ehrlich, das trifft auf den überwiegenden Teil der ALG II-Empfänger zu, diese würden sich genau so für ihre Kinder einsetzen, nur dass das keiner sehen will. Stattdessen wird in der Öffentlichkeit ein gegenteiliges Bild gezeichnet. Frühere Sozialhilfeempfänger, die aufgrund Alkoholismus, Drogensucht, etc. arbeitsunfähig waren, sind heute allein aufgrund der
Hartz IV-Gesetzesänderung ebenfalls ALG2- bzw. Sozialgeld-Empfänger. Vor Hartz IV hat man von den Arbeitslosenhilfeempfänger so gut wie nichts gehört, heute werden sie von realitätsverleugnenden und verantwortungslosen Politikern mit Drogensüchtigen und Alkoholabhängigen gleichgesetzt, um politische Stimmung zu machen. (Falko Lincke- 01.08.2007)