Viele Hartz-IV Betroffene fühlen sich durch die Pflicht zur Ortsanwesenheit gedemütigt – zu Recht!
Zunächst einmal ist es wichtig zwischen Gesetzen und Anordnungen des Verwaltungsrats der BA zu unterscheiden. Während das Gesetz im SGB III, § 119 von dem Arbeitslosen verlangt, dem Arbeitsamt zur Verfügung zu stehen, hat der Verwaltungsrat des Arbeitsamtes per Anordnung eine Ortsanwesenheitspflicht erlassen. Die Ermächtigung dazu ergibt sich wiederum aus einem Gesetz. Im SGB III § 152 wird die Bundesagentur ermächtigt, durch Anordnung näheres zu bestimmen zu den Pflichten des Arbeitslosen, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung Folge leisten zu können. Mit der Erreichbarkeits-Anordnung in der derzeit gültigen Form macht die Agentur für Arbeit aus der vom Gesetzgeber vorgesehenen Erreichbarkeitspflicht eine Ortsanwesenheitspflicht. Dies ist m.E. rechtswidrig, da eine Ortsanwesenheitspflicht keine nähere Regelung der Erreichbarkeitspflicht ist, sondern eine völlig neue Vorschrift, die schon allein wegen der Einschränkung des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Freiheit der Person (Artikel 2) in keinem Fall durch eine Anordnung der BA erfolgen kann. Artikel 2 des Grundgesetzes sieht ausdrücklich vor, dass in das Recht auf Freiheit ausschließlich durch ein Gesetz eingegriffen werden darf, und nicht durch eine Anordnung.
Die Regelung der Ortsanwesenheitspflicht, die es sonst nur für Straftäter im offenen Vollzug, für Tatverdächtige in einem Ermittlungsverfahren oder in der Bundesrepublik befristet geduldete Asylsuchende gibt, ist für die Durchsetzung der Erreichbarkeit zudem völlig unverhältnismäßig. Heute ist fast jeder Mensch an jedem Ort zu jeder Zeit per E-Mail oder Handy ohne Zeitverlust zu erreichen. Insofern sind auch die von den Argen praktizierten „Urlaubsregelungen“ völliger Unsinn. Wenn ich mich drei Wochen an einem anderen Ort, warum auch immer, aufhalte, möchte ich doch nicht nach meiner Rückkehr hören, dass man letzte Woche die optimale Stelle für mich verfügbar hatte, sie aber jemand anderen überlassen musste, weil ich drei Wochen nicht ortsanwesend war. Wer intensiv eine Stelle sucht, ist oft schon allein deshalb Ortsabwesend. Das bedeutet aber nicht, dass er für die Arge nicht verfügbar ist. Die jetzige Regelung ist unsinnig, Kontraproduktiv und zudem Rechtswidrig. Braucht man wirklich erst wieder ein Urteil aus Karlsruhe um hier etwas zu ändern? Worum geht es der Bundesagentur eigentlich – Vermittlung zu optimieren oder Betroffene zu schikanieren? (05.09.2009, Dietmar Brach, Wiesbaden Rechtsbeistand Arbeitslosenhilfe Rheinland-Pfalz)
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