Hartz IV entschärfen oder “Zuckerbrot & Peitsche”

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Hartz IV entschärfen, oder wie CDU und FDP mit Zuckerbrot und Peitsche das Volk veralbern

Altersvorsorge
Von bisher 250 Euro soll die geschützte Altersvorsorge, die im Übrigen einen Verwertungsausschluss nach § 168 VVG zwingend voraussetzt, auf 750 Euro x Lebensalter angehoben werden. Wer profitiert davon? Augenscheinlich alle die, welche in Kürze auf ALG II angewiesen sein werden, denn alle bisherigen ALG II Bezieher wurden ja schon zum Vermögensverbrauch genötigt. Doch bei genauerer Betrachtung wird klar, dass hier nur allein der Staat sich selbst hilft.

Bisher mussten alle ALG II Bezieher ihre angesparte Altersvorsorge fast vollständig aufbrauchen. Im Ergebnis wurden bzw. werden die davon Betroffenen auf Grundsicherung im Alter angewiesen sein, wo zuvor jedes Vermögen aufgebraucht werden muss. Man verlagerte das Problem also vom ALG II auf Grundsicherung im Alter. Indem man nun zukünftigen ALG II Beziehern ihre angesparte Altersvorsorge größtenteils belässt, wird zwar mehr ALG II ausgegeben, dafür spart man diese Ausgaben bei der Grundsicherung im Alter wieder ein, bei der bekanntermaßen zuvor alles Vermögen aufgebraucht werden muss. Lt. Bundesagentur für Arbeit wurden bisher auch nur 0,2% der ALG II-Anträge wegen zuviel Vermögen abgelehnt.

Selbst genutzte Eigenheime
Das die bisherigen Angemessenheitskriterien für selbst genutzte Eigenheime aufgehoben und diese nicht mehr angetastet werden sollen, hört sich erst Mal ganz hervorragend an. Aber auch dahinter steckt keinesfalls Wohlwollen. Indem man ALG II Empfänger nicht mehr zum Verkauf ihres als Alterswohnsitz gekauften Eigenheimes und zum Verbrauch des Verkaufserlöses statt ALG II nötigt, spart sich der Staat die sonst fällig werdende Zahlung der Kaltmiete beim ALG II und später bei der Grundsicherung im Alter, da diese Hilfebedürftigen ja sonst zur Miete wohnen müssten.

Beide Änderungen, die bei der Altervorsorge und die bei den selbst genutzten Eigenheimen, sind also de facto keine "Verbesserungen" für ALG II Bezieher, sondern eine Mogelpackung, denn das, was der Staat dafür ausgibt, spart er an anderer Stelle dafür wieder ein. Diese Verbesserungen werden somit in den meisten Fällen rein subjektiv sein.
Trotzdem werden diese Änderung, die de facto gar keine Verbesserungen für ALG II Bezieher darstellen, medienwirksam vermarktet.
Genau so medienwirksam wird man demnächst die Mehrkosten, die dem Staat dabei für ALG II entstehen, vermarkten und dringende Kostenkonsolidierung – das Politikerwort für Einsparungen – propagieren, auch wenn man diese Kosten später bei der Grundsicherung im Alter wieder einspart, was dabei natürlich nicht verraten wird.

Zuverdienst
ALG II Empfänger sollen mehr hinzu verdienen können. Die große Frage ist, wie das ausgestaltet werden soll. Wird der Grundfreibetrag von aktuell 100€ erhöht? Das wäre tatsächlich eine Verbesserung. Genau das ist aber eher nicht anzunehmen. Mit großer Warscheinlichkeit wird der Hinzuverdienst über 100€ mehr gestaffelt und zwar so, dass gerade der Mini- und Midijobbereich interessanter wird, denn diesen zu stärken haben sich CDU und FDP auf ihre Fahnen geschrieben.

Intelligent umgesetzt wird diese Staffelung aber insgesamt nicht zu höheren Freibeträgen führen. Für ALG II Bezieher wird das aber erhebliche Nachteile haben, sie werden in den Mini- und Midijobbereich regelrecht hineingedrängt, aber weiterhin mit der Forderung nach ALG II-Ausstieg durch Vollzeitjob von den Leistungsträgern unter Druck gesetzt und getriezt. CDU und FDP haben die Entscheidung darüber und die Umsetzung an das BMAS abgetreten, nur dass dieses im SGB II diesbezüglich keine Verordnungsermächtigung hat. Eine Änderung der Freibeträge kann nur durch eine Gesetzesänderung erfolgen. Ob was kommt und was kommt, bleibt also weiter ein Geheimnis.

Unterkunftskosten
Unterkunftskosten sollen grundsätzlich direkt an den Vermieter gezahlt werden. Verkauft wird das damit, dass so die zweckentfremdete Nutzung verhindert wird. Das gibt es aber schon, lt. § 22 Abs. 4 SGB II darf der Leistungsträger in Fällen, in denen die zweckbestimmte Verwendung der Unterkunftskosten nicht sicher gestellt ist, diese direkt an den Vermieter zahlen. Die Generalisierung stigmatisiert ALG II Empfänger weiter, verleumdet sie in der Öffentlichkeit und beschneidet ihre Rechte nach § 1 SGB II.

Mindestlohn
Zwar lehnen CDU und FDP einen Mindestlohn ab, wollen aber Lohndumping verhindern, indem sie gesetzlich die Unterschreitung des tariflichen Mindestlohnes um mehr als 30% verbieten wollen. Auch das ist eine Mogelpackung, wenn Arbeitgebern hier nicht auch drastische Strafen drohen, denn die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes betrachtet bereits einen Lohn, der mehr als 30% unter dem branchenüblichen bzw. Tariflohn liegt, als sitten- und damit rechtswidrig. In der Praxis ändert sich damit für Arbeitnehmer nichts. Aber eine Bestrafung ist bislang nicht geplant.

Nach objektiver Wertung aller Tatsachen erkennt man klar, dass es sich hier keinesfalls um die von CDU und FDP propagierte "Entschärfung von Hartz IV" handelt, für die sich in maßloser Selbstbeweihräucherung hauptsächlich die FDP feiert, sondern tatsächlich nur um psychologische Tricks, mit denen man die Teile der Bevölkerung, die es nicht besser wissen, oder wissen wollen, veralbert und ruhig hält. Etwas, das gerade die FDP sehr gut beherrscht. Man gibt etwas, dass man dafür an anderer Stelle wieder nimmt. Man verschiebt etwas Geld zwischen den "Töpfen" des SGB II und SGB XII. Man gibt ALG II Empfängern so etwas Würde zurück, bzw. gestattet ihnen davon nun ein bisschen, mehr nicht.

Da CDU und FDP ja nun "so viel Gutes" für aktuelle und künftige ALG II Bezieher getan haben, stellt sich die Frage nach der "Peitsche". Denn schließlich heist es ja "Fördern und Fordern". Was also wird im Gegenzug für "Null-Komma-Nichts" gefordert?
Kommt die von der CDU schon seit längerem angekündigte Änderung des Sanktionsparagraphen 31 des SGB II nach dem Willen der FDP "Pflichtverletzung = ALG II weg = Obdachlos = Hunger" ? Etwas, an dem die CDU schon lange bastelt und das vermutlich bereits fix und fertig als Gesetzesvorlage in einer Schublade darauf wartet, endlich verabschiedet zu werden, sobald in der Öffentlichkeit die Meinungen entsprechend manipuliert wurden, so dass es breite Akzeptanz findet. Und ist die Zwangszahlung der Unterkunftskosten an den Vermieter etwa eine vorbeugende Maßnahme, kommt nun die von der FDP geforderte nicht bedarfsdeckende Pauschalierung der Unterkunftskosten und sollen so Mietschulden verhindert werden, die dann automatisch entstehen, weil man vom kargen Hartz IV Regelsatz keine Miete bezuschussen kann? (16.10.2009)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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