Hartz IV: Eine halbe Million Kinder hat Schulden bei der Bundesagentur

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Über eine halbe Million Kinder und Jugendliche wachsen mit Schulden auf. Sie haften bei der Agentur für Arbeit für die „Fehler“ ihrer Eltern, also beispielsweise überbewilligte Leistungen wegen verspätet gemeldeter höherer Einkommen, gerade bei schwankenden Einkommen ein häufiges Problem. Die jungen Erwachsenen schulden dem Staat durch diese Aufrechnung insgesamt einen dreistelligen Millionenbetrag. Viele werden von den Jobcentern nicht hinreichend über die Hintergründe und Widerspruchsrechte informiert und werden von den Inkassoforderungen völlig überrumpelt.

Hundertausende Kinder sind unverschuldet bei der Bundesagentur verschuldet

Laut Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hat die Bundesagentur für Arbeit offene Forderungen bei aktuell 517.669 Minderjährige in gesamthöhe von 173.671.919 Euro. Die Zahlen sind in den letzten Monaten leicht zurück gegangen. Im April waren es noch 570.000 Minderjährige, die 192,2 Millionen Euro Schulden beim Staat hatten. Grund dafür ist Hartz IV.

Die Kinder und Jugendlichen werden für die Fehler ihrer Eltern bestraft. Stehen diese im Leistungsbezug und kommen ihren Mitwirkungspflichten nicht nach, melden also beispielsweise eine neue Anstellung oder Lohnerhöhung nicht unmittelbar an das Jobcenter, kommt es zur Neuberechnung der Ansprüche und Rückforderungen.

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Mit der Volljährigkeit kommt der Inkassobescheid von der Bundesagentur

Die Rückforderungen werden natürlich gegen die Eltern geltend gemacht, würde man annehmen. Das stimmt aber nur zum Teil. Denn alle „zuviel“ gezahlten kinderbezogenen Leistungen gehen auf Kosten der Kinder. Mit Erreichen der Volljährigkeit erhalten diese dann Rückforderungen von den Inkassobüros der Bundesagentur für Arbeit.

Das Bundessozialgericht hat immerhin eine Haftungsbeschränkung durchgesetzt, nach der nur das bis zur Volljährigkeit angesparte Vermögen mit der Schuldentilgung belastet werden darf. Außerdem erhalten seit Januar 2021 Volljährige mit einem gesondereten Schreiben Informationen über die Möglichkeit der Beschränkung der Minderjährigenhaftung gemäß § 1629a BGB.

Von der Bundesagentur werden diese Schreiben bisher nur zögerlich verschickt und viele Betroffene zahlen die Schulden daher aus Unwissen in Raten ab. Wer von dieser gerichtlich durchgesetzten Regelung nicht weiß, zahlt unter Umständen und startet verschuldet ins Erwachsenenleben. Sozialverbände, Verbraucherzentralen und Parteien fordern daher ein Ende der Schuldenübertragung und bessere Möglichkeiten zur Schuldenabsenkung für junge Erwachsene.

Bild: Dmitry Lobanoc / AdobeStock