Der DGB-Bundesvorstand spricht sich fรผr eine verlรคngerte Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld Eins (ALG I) fรผr รltere gemรคร der beigefรผgten Anlage aus. Die derzeit geltende Staffelung soll grundsรคtzlich beibehalten, aber fรผr รคltere Arbeitnehmer/innen modifiziert werden.
Die Bezugszeit des Arbeitslosengeldes nur von der Dauer der vorangehenden Beitragsleistung abhรคngig zu machen, ist keine geeignete Alternative. Die verlรคngerte Bezugsdauer darf nicht zu einem Nachlassen bei der Fรถrderung der Wiedereingliederung รคlterer Arbeitsloser fรผhren. Die รnderung soll ergรคnzt werden durch die Wiedereinfรผhrung der Erstattungspflicht des Arbeitslosengeldes fรผr Arbeitgeber, die langjรคhrig Beschรคftigte entlassen.
Begrรผndung:
รltere Arbeitnehmer/innen tragen ein besonders hohes Arbeitsplatzrisiko. Werden sie arbeitslos, sind ihre Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz schlecht. Daher ist der Schutz des bestehenden Arbeitsverhรคltnisses vorrangig. Im Falle des Eintritts von Arbeitslosigkeit soll nicht bereits nach 12 bzw. 18 Monaten (fรผr mindestens 55-Jรคhrige) das Abrutschen in die Hartz-IVFรผrsorgeleistung stehen.
Die Wiedereinfรผhrung der Erstattungspflicht etabliert auch fรผr Arbeitgeber ein Element des Forderns. Entlassen sie langjรคhrige Beschรคftigte, ohne dass einer der gesetzlich genannten Ausnahmetatbestรคnde vorliegt, sollen sie zum Kostenersatz herangezogen werden. Hierdurch wird ein Abwรคlzen von betriebsbedingten Kosten auf die Sozialversicherung erschwert.
Der DGB Arbeitslosengeld 1 (ALG I) Vorschlag fรผr รคltere Erwerbslose
Der DGB macht einen pragmatischen Vorschlag, der an die geltende Regelung anknรผpft, nicht mit Kรผrzungen fรผr andere Alters- oder Personengruppen verbunden ist und auch unter Berรผcksichtigung finanzieller Gesichtspunkte vertretbar ist.
Sozialversicherungspflichtige Beschรคftigungsdauer in Monaten (in den 5 Jahren vor der Arbeitslosigkeit) | Nach Vollendung Lebensjahr | Bezugsdauer in Monaten |
30 | 45 | 15 |
36 | 50 | 18 |
42 | 50 | 24 |
Praktischer Vorschlag zur Verlรคngerung des Arbeitslosengeld I
Der Vorschlag verbessert den Anspruch fรผr รผber 45-Jรคhrige. Zugleich bleibt er deutlich der bis Anfang 2006 in der Spitze mรถglichen 32-monatigen Bezugsdauer zurรผck. Durch Einfรผhrung nur einer zusรคtzlichen Stufe (zweijรคhrige Bezugsdauer) im Vergleich zum geltenden Recht ist der Vorschlag gut umsetzbar. Eine Kopplung an die Gesamtdauer der Beitragszahlung wรคre hingegen mit enormem Verwaltungsaufwand verbunden.
Die verlรคngerte Bezugsdauer begrรผndet sich aus dem besonderen Arbeitsmarktrisiko. Der Vorschlag versteht sich nicht alternativ zu einer Verbesserung der Vermittlung, Beschรคftigungsfรถrderung und Qualifizierung รคlterer Arbeitnehmer/innen. Die Wiedereingliederung Arbeitsmarkt hat Vorrang vor Lohnersatzleistungen.
Damit Betriebe die Kosten der Entlassung langjรคhrig beschรคftigter รlterer nicht so leicht Arbeitslosenversicherung abwรคlzen, fordert der DGB die Wiedereinfรผhrung der Erstattungspflicht der Arbeitgeber (ยง 147a SGB III, bis Februar 2006). Die Erstattungspflicht soll dann eintreten, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten zehn Jahre weniger als acht Jahre gleichen Arbeitgeber beschรคftigt war. Fรผr Kleinbetriebe und insolvenzgefรคhrdete Betriebe gelten gesetzliche Ausnahmeregeln.
Finanziert werden kรถnnen die Leistungsverbesserungen fรผr รltere durch einen Verzicht Beitragssatzsenkung, die รผber 2 Prozentpunkte auf dann 4,5% hinausgeht. Eine alternative Finanzierung ist durch die Einschrรคnkung des Aussteuerungsbetrages mรถglich. Im BA- 2007 ist eine Abfรผhrung von 4 Mrd. Euro Beitragsmitteln in die Kasse des Bundes vorgesehen. Ein lรคngerer Arbeitslosengeldbezug fรผr รltere schiebt den รbergang in das Hartz IV-System hinaus oder vermeidet ihn im besten Fall ganz. Zugleich vergrรถรert sich der Aktionszeitraum, dem die Arbeitslosenversicherung fรผr die Eingliederung der Arbeitslosen zustรคndig ist. fordert seit langem, dass die Investitionen der Arbeitslosenversicherung in die Wiedereingliederung Arbeitsloser zu einer Reduzierung des Aussteuerungsbetrages fรผhren mรผssen.
Der DGB lehnt eine Finanzierung der Verlรคngerung des Arbeitslosengeldes fรผr รltere Leistungskรผrzungen an anderer Stelle, z.B. fรผr Jรผngere, ab.
Zum Vorschlag der CDU
Im Antrag der CDU-Landesverbรคnde NRW und Saar an den CDU-Parteitag heiรt es u. โWer den Menschen etwas zumutet, muss ihnen auch eine Perspektive bieten generell รผberholen Der Bundesparteitag mรถge beschlieรen:Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wird wieder stรคrker an die Dauer der Beitragszahlung gekoppelt. Es wird eine Staffelung umgesetzt, bei der sichergestellt ist, dass zukรผnftig jemand, der jahrzehntelang Beitrรคge gezahlt hat, deutlich lรคnger Arbeitslosengeld erhalten kann als jemand, der nur kurz gearbeitet und Beitrรคge gezahlt hat.
Im Regelfall wird Arbeitslosengeld bis zu 12 Monaten gezahlt. Bei einer versicherungspflichtigen Vorbeschรคftigungszeit von mindestens 15 Jahren erhรถht sich die Bezugsdauer auf bis zu 15 Monate. Wer mindestens 25 Jahre lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, hat einen Leistungsanspruch von bis zu 18 Monaten. Fรผr einen รbergangszeitraum wird das Arbeitslosengeld bei mindestens 40 Beitragsjahren bis zu 24 Monate gezahlt.
Bewertung:
Das erklรคrte Ziel ist richtig, dass insbesondere รคltere Arbeitnehmer nach langer Erwerbstรคtigkeit nicht so schnell auf Hartz IV verwiesen werden. Die vorgeschlagene Umsetzung ist lรผckenhaft und mit mehreren Nachteilen verbunden.
Der Vorschlag schwรคcht das Solidarprinzip in der Arbeitslosenversicherung und fรผhrt bei vergleichbarer Situation wรคhrend der Arbeitslosigkeit zu sehr stark schwankenden Unterstรผtzungsleistungen. Dabei werden die geplanten (im Antrag aber nicht genannten) Kรผrzungen fรผr jรผngere Arbeitslose nicht einmal explizit erwรคhnt. Selbst รltere kรถnnen im
Vergleich zum geltenden Recht negativ betroffen sein.
Nach der geltenden Rechtslage kรถnnen 55-Jรคhrige nach drei Beitragsjahren 18 Monate Arbeitslosengeld erhalten, nach dem CDU-Antrag mรผssten sie kรผnftig sogar 25 Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Die 24 Monate Bezugsdauer sind weitgehend Etikettenschwindel, zeigt doch die Rentenversicherung, dass (trotz Zurechnungszeit und Beitragszahlungen wรคhrend der Arbeitslosigkeit) nur relativ Wenige beitragspflichtige Erwerbsbiographien von 40 Jahren haben. Zudem erreichen diese Versicherungsjahre hรคufiger nur Personen mit einem unterdurchschnittlichen Risiko der Arbeitslosigkeit.
Fรผr die neuen Bundeslรคnder ist vollkommen ungeklรคrt, wie Arbeitsjahre in der DDR gewertet werden sollen. Gleiches gilt fรผr Menschen, die ihre Erwerbstรคtigkeit z.B. fรผr eine Familienphase unterbrechen.
Nach dem Antrag der CDU kรถnnten auch Arbeitslose im mittleren Alter im Vergleich zum geltenden Recht profitieren, soweit sie mindestens 15 versicherungspflichtige Jahre nachweisen kรถnnen.
Nicht beantwortet wird die Frage, ob bei Phasen der Arbeitslosigkeit die Beitragszeiten wieder von vorne beginnen. Wer arbeitslos wird, muss danach wieder “zurรผck auf Start” und sich die Leistungsansprรผche neu aufbauen. Wer z. B. mit 22 Jahren eine versicherungspflichtige Beschรคftigung aufnimmt, 14 Jahre beitragspflichtig gearbeitet hat und nach einem Jahr Arbeitslosigkeit wieder 14 Jahre arbeitet, wird bei erneuter Arbeitslosigkeit mit 51 Jahren nicht besser gestellt als bisher. In diesen Phasen der Arbeitslosigkeit wรผrde er nur ein Jahr Arbeitslosenunterstรผtzung erhalten. Das konkrete Modell einer stรคrkeren Staffelung des Arbeitslosengeldes nach der Beitragsdauer weckt Erwartungen, die unrealistisch sind und sich bei konkreter Betrachtungsweise oftmals als Etikettenschwindel erweisen.
Eine Umsetzung des Vorschlags wรผrde die Dokumentierung sรคmtlicher Beitragsjahre bei der Bundesagentur fรผr Arbeit voraussetzen. Mit Wirkung fรผr die Vergangenheit ist dieser Vorschlag unrealistisch. (DGB, verรถffentl. 05.12.06)
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