Sollten Haushalte mit geringem Einkommen im Zweifelsfall immer "aufstockendes" ALG II beantragen? Oder – aufgrund der vielfältigen Auflagen und Pflichten beim ALG II – lieber alternativ von Wohngeld plus ggf. Kindergeld und Kinderzuschlag leben? Hier einige erste Orientierungen zu einer schwierigen Frage. Einerseits sollten etwa geringverdienende Arbeitnehmer oder Erwerbslose mit geringem oder unklarem Anspruch auf ALG I möglichst frühzeitig und im Zweifelsfall lieber einen Antrag zuviel auf ALG II stellen. Denn: ALG II wird – im Regelfall – nicht rückwirkend sondern erst ab dem Tag der Antragstellung gewährt.
Andererseits kann es im Einzelfall wegen der z.T. nervigen und überzogenen Pflichten (Eingliederungsvereinbarung, 1-€-Jobs usw.) aber auch "günstiger" sein, auf einen bestehenden Anspruch zu verzichten.
Es gilt die Vor- und Nachteile zwischen ALG II auf der einen und Wohngeld plus ggf. Kindergeld und Kinderzuschlag auf der anderen Seite abzuwägen. Und "Pi mal Daumen" abzuschätzen: Welches Haushaltseinkommen kann jeweils erreicht werden?
Aufstockendes ALG II beantragen?
Oder lieber Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag?
Wer bekommt ALG II?
Wenn Sie nur ein geringes Einkommen haben, können Sie unter Umständen einen Anspruch auf aufstockendes Arbeitslosengeld (ALG) II haben. Dazu müssen Sie nicht arbeitslos sein. ALG II ist die Sozialleistung für alle „Erwerbsfähigen“ – also alle, die arbeiten können oder tatsächlich arbeiten –, deren eigenes Einkommen und Vermögen nicht zum Leben reicht. Auch Arbeitnehmer mit einem niedrigen Lohn, kleine Selbständige mit geringem Gewinn oder Bezieher des „regulären“ Arbeitslosengeldes I können aufstockend ALG II erhalten. ALG II ist kein Almosen, sondern Ihr gutes Recht, wenn Sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.
Es kann sich für Sie durchaus lohnen einen Antrag auf ALG II zu stellen oder von einer Beratungsstelle oder Ihrer Gewerkschaft prüfen zu lassen, ob ein Anspruch besteht.
Der Haken: Pflichten ohne Ende…
Aber: Wer ALG II bezieht, der muss viele Pflichten und Auflagen erfüllen: Es muss eine so genannte Eingliederungsvereinbarung unterschrieben werden. Das ist eine Art erzwungener Vertrag, in dem vielfältige Pflichten des ALG-II-Beziehers und meist nur wenige Hilfsangebote der Ämter festgeschrieben werden. Wer ALG II bezieht muss auch nahezu jede Arbeit annehmen, etwa auch 1-Euro-Jobs und Mini-Jobs. Es muss alles unternommen werden, um den ALG-II-Auszahlbetrag, den man bekommt, möglichst gering zu halten.
Diese vielfältigen Pflichten gelten nicht nur für denjenigen, der ALG II beantragt. Sie gelten für alle, die mit einem ALG-II-Bezieher in einer so genannten Bedarfsgemeinschaft zusammenleben.
Leben mit ALG II oder ohne ALG II?
Daher kann es im Einzelfall auch günstiger sein, auf einen bestehenden Anspruch auf ALG II zu verzichten und stattdessen vom vorhandenen, eigenen Einkommen plus Wohngeld zu leben bzw. von Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag.
Was tun? Welche Sozialleistung beantragen? ALG II oder Wohngeld plus ggf. den Kinderzuschlag?
Für wen stellt sich die Frage?
Einkommensgrenzen zur Orientierung
Wenn Ihr Netto-Haushaltseinkommen unter den Grenzwerten der nachfolgenden Tabelle liegt, dann kann unter Umständen ein Anspruch auf ALG II bzw. alternativ auf den Kinderzuschlag bestehen. Dann stellt sich auch die Frage, welche Sozialleistung(en) "günstiger" sind.
In diesen Fällen empfehlen wir eine genauere Prüfung. Mit Haushalts-Nettoeinkommen ist die Summe aller Netto-Einkünfte im Haushalt gemeint also z.B. Netto-Lohn oder ALG I oder Krankengeld plus Wohngeld und Kindergeld.
Empfehlung „Pi mal Daumen“…
… für Alleinstehende sowie Paare ohne Kinder
Der Geldbetrag, den man beim ALG II für die Warmmiete bekommt, ist deutlich höher als das Wohngeld. Das heißt, ein Verzicht auf ALG II und stattdessen von sonstigem, vorhandenem Einkommen plus Wohngeld zu leben, ist nur eine Überlegung wert, wenndas vorhandene, sonstige Netto-Einkommen (etwa Netto-Lohn, ALG I, jeweils ohne Wohngeld) deutlich über der Regelleistung des ALG II liegt,
bei Alleinstehenden also deutlich über 345 €, etwa in der Größenordnung von 400 bis 500 €.Bei einem 400-€-Mini-Job plus Wohngeld lässt sich – je nach Höhe der zuschussfähigen Miete – ein Gesamteinkommen von 458 € bis 570 € erzielen.Bei Paaren also deutlich über 622 €, etwa in der Größenordnung von 800 bis 900 € liegt.
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