Gleichzeitiger Anspruch auf Arbeitslosengeld trotz Rente

Lesedauer 7 Minuten

Viele verlieren kurz vor dem Ruhestand ihren Arbeitsplatz oder stellen fest, dass die Rente allein kaum zum Leben reicht. Naheliegend ist dann die Frage, ob sich Rentenleistungen und Arbeitslosengeld kombinieren lassen – im Sinne eines doppelten Bezugs.

Die nüchterne Antwort zunächst lautet: Ein gleichzeitig ausgezahltes Arbeitslosengeld I und eine Altersvollrente sind in der Regel ausgeschlossen. Möglich sind aber kurze Überschneidungen bei Teilrenten und Kombinationen von Rente mit Bürgergeld, weil letztere Leistung bedarfsorientiert berechnet wird. Die Details sind kompliziert, und kleine zeitliche Fehler können teuer werden.

Tabelle: Wann Arbeitslosengeld trotz Rente möglich ist und wann nicht

Konstellation Arbeitslosengeld I trotz Rente?
Altersvollrente (vorgezogen oder ab Regelaltersgrenze) wird bereits gezahlt. Nicht möglich. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld I ruht vollständig, solange eine Altersvollrente gezahlt wird; ein zeitgleicher Bezug von ALG I und Altersvollrente findet nicht statt.
Alters-Teilrente wird seit mindestens sechs Monaten zusammen mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bezogen; diese Beschäftigung endet. Möglich, aber nur befristet. Arbeitslosengeld I kann für höchstens drei Kalendermonate neben der Teilrente gezahlt werden, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen für ALG I erfüllt sind und die genannte Überschneidung von Teilrente und Beschäftigung vorliegt.
Alters-Teilrente wird bezogen, aber die parallele Beschäftigung bestand weniger als sechs Monate oder es gab unmittelbar vor der Arbeitslosigkeit keine versicherungspflichtige Beschäftigung. In der Praxis nicht möglich. In diesen Fällen ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld I grundsätzlich von Beginn der Arbeitslosigkeit an; eine parallele Auszahlung von ALG I und Teilrente erfolgt dann nicht.
Anspruch auf Altersrente besteht bereits, es wurde aber noch kein Rentenantrag gestellt und es fließt noch keine Rentenzahlung. Möglich. Solange keine Altersrente ausgezahlt wird, kann Arbeitslosengeld I in voller Höhe bezogen werden. Viele Versicherte nutzen dies, um zunächst ALG I zu erhalten und den Rentenbeginn hinauszuschieben.
Rente wegen voller Erwerbsminderung (befristet oder unbefristet) wird gezahlt. Nicht möglich. Mit Beginn der vollen Erwerbsminderungsrente endet in der Regel der Bezug von Arbeitslosengeld I; die Rente tritt an die Stelle des ALG I. Gegebenenfalls kommt eine ergänzende Grundsicherung in Betracht, jedoch kein zeitgleicher ALG-I-Bezug.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wird gezahlt; die betroffene Person ist arbeitslos gemeldet und kann im Rahmen der verbliebenen Leistungsfähigkeit vermittelt werden. Möglich. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung schließt Arbeitslosengeld I grundsätzlich nicht aus. Ist die Person für eine Vermittlung im reduzierten Stundenumfang verfügbar und sind die übrigen Voraussetzungen erfüllt, kann ALG I neben der Teilerwerbsminderungsrente bezogen werden.

Hinweis: Die Übersicht orientiert sich an der Ruhensregelung des § 156 SGB III sowie an aktuellen Fachinformationen zu Altersrenten, Teilrenten und Erwerbsminderungsrenten, insbesondere zur Drei-Monats-Ausnahme bei Teilrenten und zum unterschiedlichen Umgang mit voller und teilweiser Erwerbsminderungsrente.

Zwei Leistungen mit unterschiedlicher Logik

Arbeitslosengeld I ist eine Versicherungsleistung aus der Arbeitslosenversicherung. Anspruch hat, wer zuvor ausreichend Beiträge gezahlt hat und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Die Betroffenen müssen also grundsätzlich bereit und in der Lage sein, eine neue Beschäftigung aufzunehmen.

Bürgergeld (früher Arbeitslosengeld II) ist dagegen eine steuerfinanzierte Grundsicherungsleistung nach dem SGB II. Entscheidend ist hier, ob der Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln – also etwa aus Lohn, Rente oder Vermögen – gedeckt werden kann. Rente ist in diesem System grundsätzlich Einkommen und mindert den Anspruch.

Altersrenten, Erwerbsminderungsrenten und andere Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind Leistungen aus einem dritten System: der Rentenversicherung. Sie sollen an die Stelle des Arbeitsentgelts treten, wenn jemand aus Altersgründen oder wegen Krankheit dauerhaft weniger oder gar nicht mehr arbeiten kann.

Altersvollrente und Arbeitslosengeld I: Warum sich die Leistungen ausschließen

Mit Beginn einer Altersvollrente ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Das ergibt sich aus § 156 SGB III: Volle Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gelten dort als „erwerbsfeindliche“ Leistungen. Das bedeutet, dass der Zahlungsanspruch auf Arbeitslosengeld nicht gleichzeitig bestehen bleibt, auch wenn das Arbeitslosengeld höher wäre als die Rente.

Praktisch heißt das: Wer eine Altersvollrente bezieht, kann in derselben Zeitspanne kein Arbeitslosengeld I ausgezahlt bekommen. Ein wirklicher Doppelbezug findet nicht statt.

Hinzu kommt: Ab Erreichen der Regelaltersgrenze wird Arbeitslosengeld I nur noch bis zum Ende des Monats gezahlt, bevor die Altersrente einsetzt. Auch ein sehr hoher Versicherungsverlauf oder eine nur kleine Rente ändern daran nichts.

Die Regel gilt auch, wenn die Rente aus dem Ausland stammt, soweit sie von der Funktion her einer Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung entspricht. Die Agentur für Arbeit behandelt solche ausländischen Renten dann wie eine Altersrente und lässt den Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhen.

Teilrente und Arbeitslosengeld I: Die enge Ausnahme

Anders sieht es bei Teilrenten aus. Wer eine vorgezogene Altersrente nur anteilig bezieht und daneben noch gearbeitet hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen kurzfristig Arbeitslosengeld I erhalten, wenn die Beschäftigung endet.

Dr. Utz Anhalt, Sozialrechtsexperte bei Gegen-Hartz beschreibt: “Wenn während der letzten sechs Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bereits eine Teilrente bezogen und gleichzeitig eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde, kann nach Verlust des Arbeitsplatzes Arbeitslosengeld I gezahlt werden – allerdings nur für eine sehr begrenzte Zeit.

Der Anspruch besteht maximal für die ersten drei Kalendermonate, nachdem alle Voraussetzungen für das Arbeitslosengeld erfüllt sind.”

In dieser Konstellation fließen Teilrente und Arbeitslosengeld tatsächlich für kurze Zeit nebeneinander. Von einem dauerhaften Doppelbezug kann aber keine Rede sein. Wer auf längere Zeit mit Arbeitslosengeld neben einer Teilrente rechnet, wird in der Praxis enttäuscht.

Arbeitslosengeld I und späterer Rentenbeginn: Gestaltungsspielräume

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen „Rente beziehen können“ und „Rente tatsächlich beantragen“. Für den Anspruch auf Arbeitslosengeld spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob bereits ein Anspruch auf eine Altersrente besteht – entscheidend ist, ob die Rente auch wirklich in Anspruch genommen wird.

Viele Betroffene lassen sich deshalb zunächst arbeitslos melden, beziehen Arbeitslosengeld I und schieben den Rentenantrag bewusst auf. Dafür gibt es mehrere Gründe:

Zum einen ist das Arbeitslosengeld I häufig höher als eine vorgezogene Altersrente mit Abschlägen. Zum anderen zahlt die Agentur für Arbeit während des Bezugs von Arbeitslosengeld weiterhin Beiträge in die Rentenversicherung. Dadurch werden weitere Rentenpunkte aufgebaut und spätere Rentenabschläge gemindert, weil der Rentenbeginn nach hinten verschoben wird.

Diese Strategie endet allerdings spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze. Ab diesem Zeitpunkt ist ein paralleler Bezug von Arbeitslosengeld I und Altersvollrente nicht mehr möglich; das Arbeitslosengeld läuft dann aus.

Bürgergeld und Rente: Gleichzeitiger Bezug als „Aufstockung“

Während sich Altersvollrente und Arbeitslosengeld I praktisch ausschließen, können Altersrenten und Bürgergeld durchaus nebeneinander eine Rolle spielen.

Bürgergeld soll das Existenzminimum sichern. Wer eine niedrige Altersrente oder Erwerbsminderungsrente erhält, kann ergänzend Bürgergeld beantragen, wenn die Rente und sonstiges Einkommen den Bedarf nicht decken.

Die Rente gilt dabei als Einkommen und wird auf den Bürgergeldanspruch angerechnet. Entscheidend ist also nicht, ob die Leistungen parallel gezahlt werden, sondern ob nach Anrechnung der Rente noch ein ungedeckter Bedarf bleibt.

Seit der Einführung des Bürgergeldes 2023 ist die früher häufig praktizierte „Zwangsverrentung“ entschärft worden. Grundsätzlich wird Bürgergeld bis zum regulären Rentenalter gezahlt. Nur in einigen Fällen – etwa bei abschlagsfreien Renten für besonders langjährig Versicherte oder schwerbehinderte Menschen – kann eine frühere Renteninanspruchnahme verlangt werden.

Das bedeutet: Ein paralleler Bezug von Rente und Bürgergeld ist möglich, aber nicht im Sinne einer doppelten Leistung, sondern als aufeinander abgestimmte Grundsicherung.

Erwerbsminderungsrente, Nahtlosigkeitsregelung und Arbeitslosengeld
Besondere Bedeutung hat der Übergang zwischen Krankheit, Arbeitslosigkeit und Erwerbsminderungsrente. In der Praxis entstehen hier häufig Lücken, die mit der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung geschlossen werden sollen.

Die Nahtlosigkeitsregelung greift, wenn jemand voraussichtlich länger als sechs Monate weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann, aber noch keine Entscheidung der Rentenversicherung über eine Erwerbsminderungsrente vorliegt. In dieser Zeit kann dennoch Arbeitslosengeld I gezahlt werden, obwohl die betroffene Person dem Arbeitsmarkt eigentlich nicht im üblichen Sinn zur Verfügung steht.

Sobald die Rentenversicherung die Erwerbsminderung rechtskräftig festgestellt und eine Erwerbsminderungsrente bewilligt hat, endet das Arbeitslosengeld im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung. Künftig fließt dann die Rente; ein Dauerbezug von Arbeitslosengeld und Erwerbsminderungsrente nebeneinander ist nicht vorgesehen.

Wer nur eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhält, kann daneben – je nach Leistungsfähigkeit – weiterhin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. In der Grundsicherung nach dem SGB II (Bürgergeld) wird eine solche Rente als Einkommen angerechnet, ein ergänzender Anspruch auf Bürgergeld bleibt aber im Grundsatz möglich.

Arbeitslosigkeit als Rentenzeit: Auswirkungen auf die spätere Rente

Arbeitslosigkeit ist für die spätere Rentenhöhe keineswegs bedeutungslos. Wer Arbeitslosengeld I bezieht, bleibt in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, sofern im Jahr vor dem Leistungsbezug Versicherungspflicht bestand. Die Agentur für Arbeit zahlt in dieser Zeit Beiträge, die wie Beitragszeiten aus Erwerbstätigkeit zählen – wenn auch meist auf Basis eines reduzierten fiktiven Entgelts.

Diese Zeiten können helfen, Mindestversicherungszeiten zu erfüllen, etwa die 35 Jahre für eine vorgezogene Altersrente für langjährig Versicherte oder die 45 Jahre für die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte.

Allerdings gilt eine wichtige Besonderheit: In den letzten 24 Monaten vor dem Beginn einer abschlagsfreien Rente für besonders langjährig Versicherte zählen Zeiten mit Arbeitslosengeld im Regelfall nicht zur erforderlichen 45-jährigen Wartezeit, es sei denn, die Arbeitslosigkeit beruht auf Insolvenz oder Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers.

Damit kann die Entscheidung, ob man vor der Rente Arbeitslosengeld bezieht, die Rentenplanung beeinflussen – weniger wegen eines möglichen Doppelbezugs, sondern wegen der Frage, ob bestimmte Rentenarten überhaupt erreicht werden.

Typische Konstellationen aus der Praxis

In der Beratungspraxis zeigen sich einige wiederkehrende Situationen:
Eine 61-jährige Arbeitnehmerin verliert ihren Arbeitsplatz und hat Anspruch auf 24 Monate Arbeitslosengeld I.

Sie könnte mit 63 eine vorgezogene Altersrente mit Abschlägen beziehen. Entscheidet sie sich dafür, zunächst zwei Jahre lang Arbeitslosengeld zu beziehen, erhält sie nicht nur eine oft höhere Leistung, sondern sammelt zusätzlich Rentenpunkte.

Erst anschließend beantragt sie die Altersrente. In dieser Phase gibt es keinen Doppelbezug, aber eine zeitlich geschickte Staffelung der Leistungen.

Ein anderer Fall: Ein 64-jähriger Arbeitnehmer bezieht bereits eine Teilrente und arbeitet in reduziertem Umfang. Der Arbeitgeber baut Stellen ab, der Betroffene wird arbeitslos.

Da die Teilrente schon während der letzten sechs Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit gezahlt wurde und die Beschäftigung versicherungspflichtig war, besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld I – allerdings nur für drei Monate. In dieser kurzen Zeit fließen Teilrente und Arbeitslosengeld parallel. Anschließend bleibt allein die Rente, gegebenenfalls ergänzt durch Bürgergeld.

Ein drittes Beispiel: Eine Rentnerin erhält eine sehr niedrige Altersrente und hat keine weiteren Einkünfte. Sie meldet sich nicht arbeitslos, da sie nicht mehr arbeiten möchte. Hier kommt kein Arbeitslosengeld I in Betracht, weil die Versicherungsleistung an Arbeitslosigkeit und Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt anknüpft.

Stattdessen kann ein Anspruch auf Bürgergeld bestehen, das die Rente bis zum gesetzlich definierten Existenzminimum aufstockt – die Rente wird vollständig als Einkommen angerechnet.

Fazit: Doppelbezug bleibt die Ausnahme – Planung ist entscheidend

Ein klassischer Doppelbezug von Arbeitslosengeld I und Altersvollrente ist im deutschen Sozialrecht ausdrücklich ausgeschlossen. Mit Beginn der Altersvollrente ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld; ein paralleler Dauerbezug findet nicht statt. Nur bei Teilrenten und unter engen Voraussetzungen kann es kurzfristig zu einer Überschneidung mit Arbeitslosengeld I kommen.

Anders ist die Lage beim Bürgergeld: Hier kann eine Rente zwar gleichzeitig bezogen werden, wird aber als Einkommen angerechnet. Bürgergeld wirkt in diesen Fällen wie eine aufstockende Leistung, nicht wie eine zusätzliche Zahlquelle.

Wer sich in einer Übergangsphase zwischen Arbeit, Arbeitslosigkeit und Ruhestand befindet, sollte deshalb nicht nur auf die Höhe einzelner Leistungen schauen, sondern den zeitlichen Ablauf genau planen: Wann läuft das Arbeitslosengeld aus? Wann lohnt sich ein Rentenantrag? Gefährden Zeiten der Arbeitslosigkeit kurz vor der Rente vielleicht den Anspruch auf eine abschlagsfreie Leistung?

Weil kleine Fehler bei Anträgen und Fristen schnell mehrere Hundert Euro im Monat ausmachen können, ist eine individuelle Beratung – etwa durch die Deutsche Rentenversicherung, Sozialverbände oder spezialisierte Beratungsstellen – in vielen Fällen sinnvoll.

Die rechtlichen Spielräume liegen weniger im gleichzeitigen Bezug von Rente und Arbeitslosengeld als in der geschickten Abstimmung von Beginn und Ende der einzelnen Leistungen.