Viele Rentenversicherte möchten ihre Altersrente vor dem gesetzlich festgelegten Rentenalter beanspruchen, obwohl dann monatliche Abschläge drohen. Seit einigen Jahren ist ein massiver Anstieg der gezahlten Ausgleichsbeiträge zu beobachten.
Während 2015 etwa 31 Millionen Euro für die Kompensation von Rentenabschlägen an die gesetzliche Rentenversicherung (DRV) flossen, belief sich dieser Betrag 2018 bereits auf 291 Millionen Euro. Im Jahr 2022 wuchs er weiter auf etwa 1,1 Milliarden Euro.
Diese Entwicklung spiegelt den Trend wider, dass sich ungefähr 40 Prozent der rentenversicherten Beschäftigten für einen früheren Rentenbezug entscheiden. Häufig wird der Abschlag dabei bewusst einkalkuliert, obwohl er langfristig die Rente mindern kann.
Inhaltsverzeichnis
Rentenformel und Zugangsfaktor: So wird die monatliche Rente bestimmt
Die gesetzliche Rente richtet sich nach einer festgelegten Rentenformel. Diese besteht aus folgenden vier Elementen:
- Zugangsfaktor (ZxF)
- Entgeltpunkte (EP)
- Rentenartfaktor (RAF)
- Rentenwert (RW)
Mit (Zugangsfaktor x Entgeltpunkte x Rentenartfaktor x Rentenwert) wird die jeweilige Rentenhöhe berechnet. Bei allen Altersrenten beträgt der Rentenartfaktor 1,0, sodass er immer gleich ist. Der Zugangsfaktor ändert sich jedoch abhängig davon, ob die Rente vor oder nach dem gesetzlichen Rentenalter begonnen wird.
Wird eine Rente früher in Anspruch genommen, verringert sich der Zugangsfaktor pro Monat des vorgezogenen Rentenbezugs um 0,003 (entspricht 0,3 Prozent). Liegt der Rentenbeginn nach Erreichen der Regelaltersgrenze, steigt der Zugangsfaktor für jeden zusätzlichen Monat um 0,005 (0,5 Prozent).
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Beispielberechnung mit Eva: Wie der Zugangsfaktor den Rentenabschlag konkret beeinflusst
Eine Beispielsituation ist die von Eva, geboren am 19.08.1964. Regulär würde sie mit 67 Jahren, also am 18.08.2031, ihre Altersrente beziehen. Nun plant sie aber, bereits mit 63 Jahren in Rente zu gehen, und möchte die Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 01.09.2027 beziehen. Das bedeutet, sie nimmt ihre Rente 48 Monate vor dem regulären Termin in Anspruch.
Die Rechnung für ihren Zugangsfaktor lautet:
- 1.09.2027 bis 31.08.2031
= 48 Kalendermonate - Berechnung Zugangsfaktor
1- (48 × 0,003) = 0,856
Das entspricht einem Abschlag von 14,4 Prozent. Durch diesen Wert von 0,856 fließen ihre gesammelten Entgeltpunkte nur zu 85,6 Prozent in die Rente ein. Diese Kürzung behält Gültigkeit für die gesamte Laufzeit der Rente, auch über die Regelaltersgrenze hinaus.
Falls Eva eine Hinterbliebenenrente hinterlässt, wirkt sich dieser Faktor ebenfalls auf die künftige Rentenleistung für die Hinterbliebenen aus.
Ausgleichszahlungen: Option zur Kompensation von Rentenverlusten
Versicherte, die den vorgezogenen Rentenbeginn anstreben, haben die Möglichkeit, den entstehenden Abschlag teilweise oder vollständig auszugleichen. Dies funktioniert über Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, die nach § 187a SGB VI geregelt sind.
Die Höhe der möglichen Ausgleichszahlung richtet sich nach dem erwarteten Rentenminus, das sich aus dem geplanten Beginn der Rente ergibt. Wenn die Rente früher beginnt, fällt dieser Abschlag höher aus, sodass auch die Summe der Ausgleichszahlung steigt.
Entscheidend ist, dass diese Beiträge nicht als reguläre Pflicht- oder freiwillige Beiträge gelten. Sie können mehrfach, sogar mehrmals pro Jahr, geleistet werden. Die vorhandene Begrenzung auf zwei Zahlungen pro Jahr wurde aufgehoben. Versicherte bleiben dabei flexibel, weil die Erklärung, eine Altersrente vorzeitig in Anspruch nehmen zu wollen, später nicht bindend ist.
Solltest du dich beispielsweise doch dazu entschließen, erst nach der ursprünglichen Planung die Rente zu beziehen, bleiben die eingezahlten Beiträge im Versicherungskonto bestehen und wirken für dich rentensteigernd.
Voraussetzungen: Ab 50 Jahren den Abschlag ausgleichen
Bis 2017 war für eine Ausgleichszahlung an die Rentenversicherung ein Mindestalter von 55 Jahren erforderlich. Inzwischen können Versicherte bereits ab dem 50. Lebensjahr entsprechende Beiträge leisten.
Das schafft früher Klarheit und ermöglicht langfristige Überlegungen: Wer die Wartezeiten für bestimmte Rentenarten, wie die Altersrente für langjährig Versicherte oder für schwerbehinderte Menschen, erfüllt oder absehbar erfüllt, kann schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt planen.
Antrag auf besondere Rentenauskunft: Wie du die exakte Höhe des Ausgleichsbetrags erfährst
Um den genauen Umfang der Ausgleichszahlungen zu bestimmen, beantragen Versicherte eine sogenannte besonders detaillierte Rentenauskunft. Dafür ist der Vordruck V 0210 gedacht. Er enthält die relevanten Daten, auf deren Grundlage die Rentenversicherung eine Prognose über die Höhe der künftigen Rente und den möglichen Abschlag erarbeitet.
In die Berechnung fließen neben den bereits vorhandenen Beitragszeiten auch mögliche fiktive Entgeltpunkte für Monate bis zum geplanten Rentenbeginn ein.
Sobald die Rentenversicherung alle Angaben geprüft hat, erhalten Versicherte einen Bescheid, der drei Informationen enthält:
- Die geschätzte Rentenhöhe zum gewünschten vorzeitigen Rentenbeginn.
- Den sich daraus ergebenden Abschlag.
- Die Summe der Ausgleichsbeiträge, die notwendig wäre, um diesen Abschlag ganz oder teilweise auszugleichen.
Wer bereits die Anspruchsvoraussetzungen für eine abschlagsfreie Regelaltersrente erfüllt, kann einen solchen Antrag nicht mehr stellen, da es bei einer regulären Altersrente ohne Abschläge nichts mehr auszugleichen gibt.
Einfluss laufender Beitragszeiten auf die Prognose
Damit die Rentenversicherung den künftigen Abschlag realistisch berechnen kann, wird im Antragsmonat geprüft, ob Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge geleistet werden. Bei Arbeitnehmern liegen diese Daten problemlos über das gemeldete Arbeitsentgelt vor.
Fehlen Angaben zum Einkommen, nutzt die Rentenversicherung statistische Durchschnittswerte, basierend auf den bisherigen Beitragszeiten.
Änderungen, die nach der Erstellung dieser besonderen Rentenauskunft eintreten – etwa, dass das tatsächliche Arbeitsentgelt von der Schätzung abweicht oder eine Krankheit auftritt – werden in der Regel nicht nachträglich berücksichtigt. Die Ausgleichssumme bleibt also stabil, auch wenn sich die realen Einkommensverhältnisse noch verändern sollten.
So werden Ausgleichszahlungen in Entgeltpunkte umgerechnet
Die Ausgleichsbeiträge sind kein klassischer Monatsbeitrag, sondern sie werden als Kapitalzahlungen verstanden. Daher werden sie in Form von zusätzlichen Entgeltpunkten deinem Rentenkonto gutgeschrieben. Die Ermittlung dieses Zuschlags erfolgt mit einem Umrechnungsfaktor, der im jeweiligen Jahr in einer amtlichen Bekanntmachung veröffentlicht wird. Aktuell lautet die Formel vereinfacht:
100 geteilt durch Durchschnittsentgelt x Beitragssatz.
Zahlst du verschiedene Teilbeträge in unterschiedlichen Kalenderjahren, wird die Zuordnung dieser Zahlungen jeweils mit dem dann gültigen Umrechnungsfaktor vorgenommen.
Beispiel: Ausgleichszahlung von 60.000 Euro
Angenommen, du zahlst am 15.12.2024 eine Summe von 60.000 Euro zur Kompensation deines erwarteten Abschlags ein, und dieser Betrag geht am 20.12.2024 beim Rentenversicherungsträger ein.
Wenn das vorläufige Durchschnittsentgelt für 2024 bei 45.358 Euro liegt und der Beitragssatz 18,6 Prozent beträgt, ergibt sich:
60.000 € x Umrechnungsfaktor (2024)
100: (45.358 € x 18,6 %)= 0,0001185313
60.000 € x 0.0001185313
7,1119 Entgeltpunkte
Diese 7,1119 Entgeltpunkte werden dauerhaft auf deinem Versicherungskonto als Zuschlag vermerkt und wirken rentensteigernd für sämtliche Rentenarten, einschließlich einer eventuellen Erwerbsminderungsrente oder Hinterbliebenenrente.
Steuerliche Behandlung: Sonderausgabenabzug und Grenzen
Ausgleichszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung zählen steuerlich zu den Altersvorsorgeaufwendungen. In Deutschland gilt die nachgelagerte Besteuerung von Renten, sodass die Rentenleistungen später einkommensteuerpflichtig werden.
Aktuell liegt der Höchstbetrag für diese Sonderausgaben bei 27.565 Euro (für Alleinstehende im Jahr 2024).
Da laufende Pflichtbeiträge aus einem Beschäftigungsverhältnis und zusätzliche Ausgleichszahlungen zusammengerechnet werden, kann die Summe der steuerlich abziehbaren Beiträge schnell die Obergrenze erreichen.
Deswegen entscheiden sich manche Versicherten für mehrere Teilzahlungen über mehrere Jahre, um den steuerlichen Vorteil optimal zu nutzen.
Keine Wartezeitanrechnung: Was du bei den gezahlten Beiträgen beachten solltest
Anders als Pflicht- oder freiwillige Regelbeiträge verbessern die Ausgleichszahlungen nicht deine Wartezeit für Rentenansprüche. Diese Zahlungen erhöhen lediglich deine Entgeltpunkte, was deine monatliche Rente steigern kann.