Die Regelaltersgrenze liegt für alle, die 1964 oder später geboren sind, bei 67 Jahren. Vor diesem Zeitpunkt in Rente zu gehen, ist möglich – allerdings meist mit dauerhaft wirkenden Abschlägen. Daneben existieren Sonderwege ohne Abschläge, etwa bei besonders langer Versicherungszeit oder bei anerkannter Schwerbehinderung.
Wer seine Optionen kennt, kann den Übergang in den Ruhestand klug planen – und typische Fallstricke vermeiden.
ALG I als Brücke: Anspruch ja, Pflichtprogramm inklusive
Arbeitslosengeld I (ALG I) ist eine Versicherungsleistung und kann die Zeit bis zum Rentenstart überbrücken. Ab 58 Jahren sind – bei mindestens 48 Monaten Versicherungspflicht in den letzten fünf Jahren – bis zu 24 Monate ALG I möglich.
Die Leistung ruht allerdings bei Sperrzeiten, etwa nach Eigenkündigung, in der Regel bis zu zwölf Wochen; die Auszahlung verkürzt sich entsprechend. Während des Bezugs führt die Agentur für Arbeit in aller Regel Rentenbeiträge ab – Bemessungsgrundlage sind 80 Prozent des Arbeitsentgelts, das für die ALG-Berechnung herangezogen wird.
Wichtig: Leistungsbeziehende müssen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und Bewerbungsobliegenheiten erfüllen.
„Einfach in Rente gehen“ – und weiterarbeiten: Was seit 2023 anders ist
Seit dem 1. Januar 2023 gibt es bei vorgezogenen Altersrenten keine Hinzuverdienstgrenzen mehr. Wer beispielsweise mit 63 in die Altersrente für langjährig Versicherte (mindestens 35 Versicherungsjahre) geht, kann regulär weiterarbeiten, ohne dass die Rente gekürzt wird.
Der vorzeitige Bezug führt zwar zu Abschlägen von 0,3 Prozent pro Monat, maximal 14,4 Prozent bei 48 Monaten. Durch den gleichzeitigen Erwerbslohn steigt aber die verfügbare Liquidität – und fortgesetzte Beiträge können die Rente zusätzlich erhöhen.
Ein Zahlenblick macht das deutlich: Aus einer angenommenen Bruttorente von 1.300 € werden bei 14,4 Prozent Abschlag 1.112,80 € monatlich. Wer die Rente 48 Monate früher bezieht, erhält dadurch rund 53.414 € vorzeitig ausgezahlt – zusätzlich zum laufenden Gehalt. Das kann Spielräume für Rücklagen schaffen oder den schrittweisen Ausstieg aus dem Vollzeitjob finanzieren. (Rechenbeispiel; individuelle Werte abweichend.)
Tabelle: Früher in Rente gehen
Rententrick | Was zu beachten ist |
---|---|
Ausgangslage & Ziel | Die Regelaltersgrenze liegt – je nach Jahrgang – bei bis zu 67 Jahren. Wer früher in Rente gehen möchte, braucht eine klare Strategie, realistische Rechenbeispiele und einen prüfbaren Anspruchsnachweis. |
ALG I als Brücke | Arbeitslosengeld I kann die Zeit bis zur Rente überbrücken. Anspruch setzt u. a. ausreichende Vorversicherungszeiten voraus; Eigenkündigung führt häufig zu einer Sperrzeit. Während des Bezugs besteht Mitwirkungspflicht gegenüber der Arbeitsagentur. |
Vorgezogene Rente & Weiterarbeiten | Die vorgezogene Altersrente kann mit Erwerbstätigkeit kombiniert werden. Durch gleichzeitiges Arbeitseinkommen steigt die Liquidität; neue Beiträge können Abschläge teilweise kompensieren. |
Abschläge verstehen | Der vorzeitige Rentenbeginn mindert die Monatsrente dauerhaft, bringt jedoch früher und länger Zahlungen. Ein individueller Break-even-Vergleich hilft, den „Preis“ der gewonnenen Lebenszeit realistisch einzuordnen. |
Langfristige Vorsorge | Ein früh aufgebautes Kapitalpolster erleichtert den vorgezogenen Ausstieg. Entscheidend sind breite Streuung, lange Spardauer und ein zur Risikotragfähigkeit passender Anlagemix; Nischenanlagen bleiben Zusatz, nicht Basis. |
Besonders langjährig Versicherte | Mit 45 Versicherungsjahren ist ein abschlagsfreier Rentenbeginn zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze möglich. Anrechenbar sind u. a. Beschäftigungszeiten, rentenversicherungspflichtige Minijobs und Kindererziehungszeiten. |
Schwerbehinderung | Bei einem anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50 sind frühere Altersrenten möglich, teils ohne Abschläge. Wartezeit und genaue Altersgrenzen richten sich nach Geburtsjahrgang und Rentenart. |
Kontenklärung | Ein vollständiger Versicherungsverlauf ist zentral. Schul-, Studien- und Erziehungszeiten sollten geprüft und fehlende Zeiten rechtzeitig festgestellt werden, damit Wartezeiten und Entgeltpunkte korrekt zählen. |
Kindererziehungszeiten | Pro Kind werden für frühe Lebensjahre Entgeltpunkte gutgeschrieben. Die Zuordnung kann zwischen den Eltern vereinbart werden. Der Antrag sollte frühzeitig gestellt und der Bescheid sorgfältig geprüft werden. |
Sonderzahlungen / Rentenpunkte „kaufen“ | Sonderzahlungen können Abschläge ausgleichen oder die Rente planbar erhöhen. Vorteilhaft sind steuerliche Effekte und Planungssicherheit; nachteilig sind Bindung des Kapitals, Kostenhöhe und die Abhängigkeit von der individuellen Lebensdauer. |
Arbeitszeitkonto / Wertguthaben | Überstunden und Entgeltbestandteile lassen sich in ein Wertguthaben überführen, das später für Freistellungen genutzt wird. Wichtig sind klare Regeln, Insolvenzsicherung und transparente Entnahmebedingungen. |
Altersteilzeit | Der gleitende Übergang erfolgt per Vereinbarung, etwa im Gleichverteilungs- oder Blockmodell. Vorteile sind Planbarkeit und Entlastung; zu beachten sind geringere laufende Bezüge und mögliche Auswirkungen auf spätere Rentenansprüche. |
Aktuelle Rechengrößen | Rentenwert, Beitragssätze und Ausgleichsbeträge ändern sich regelmäßig. Berechnungen sollten stets mit den aktuell gültigen Werten erfolgen; offizielle Auskünfte der Rentenversicherung schaffen Verbindlichkeit. |
Liquidität & Sicherheit | Frührente gelingt leichter mit ausreichenden Rücklagen für mehrere Jahre. Notgroschen, Versicherungsschutz und ein realistischer Ausgabenplan sind die Basis, bevor Entnahmen oder Ausgleichszahlungen geplant werden. |
Fazit | Der frühere Ruhestand ist erreichbar, wenn Anspruchsvoraussetzungen belegt, Konten geklärt und Abschläge sauber gegen gewonnene Lebenszeit und Liquidität abgewogen werden. Individuelle Beratung und belastbare Zahlen sind entscheidend. |
Sonderwege: 45 Jahre, Schwerbehinderung – und was zählt
Wer 45 Versicherungsjahre nachweist („besonders langjährig Versicherte“), kann ohne Abschläge zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze in Rente – für den Jahrgang 1964 also mit 65. Anrechenbar sind u. a. Pflichtbeiträge aus Beschäftigung (auch aus rentenversicherungspflichtigen Minijobs) und Kindererziehungszeiten.
Zeiten mit ALG I in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zählen grundsätzlich nicht, es sei denn, sie beruhen auf Insolvenz oder vollständiger Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers.
Bei einem anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50 ist die abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 65 möglich; mit Abschlägen bereits ab 62.
Abschläge entzaubert: Wann sich „früher“ trotzdem rechnet
Abschläge sind dauerhaft – doch der „Preis“ für gewonnene Lebenszeit wird oft überschätzt. Beispiel: Wer statt regulär ein Jahr früher in Rente geht und dadurch 3,6 Prozent Abschlag auf 1.200 € Bruttorente akzeptiert, verzichtet auf 43,20 € im Monat – erhält aber zugleich 12 zusätzliche Monatsrenten von rund 1.156,80 €.
Der rechnerische Ausgleich der früheren Bezüge durch den Monatsabzug tritt erst nach etwa 322 Monaten ein, also knapp 27 Jahren. Solche Break-Even-Überlegungen gehören in jede Entscheidung – ebenso wie Gesundheitslage, Jobbelastung und private Absicherung.
Kontenklärung und Kindererziehungszeiten: Verschenken Sie keine Punkte
Fehlende oder falsch erfasste Zeiten schmälern den Rentenanspruch. Eine rechtzeitige Kontenklärung (Formular V0100) schließt Lücken im Versicherungsverlauf.
Kindererziehungszeiten bringen Entgeltpunkte: Für Kinder vor 1992 werden bis zu 30 Monate (entspricht grob 2,5 Entgeltpunkten), für Geburten ab 1992 bis zu 36 Monate (rund 3 Entgeltpunkte) berücksichtigt.
Die Zuordnung kann – auf gemeinsamen Antrag – auch dem anderen Elternteil zugutekommen. Der Antrag auf Feststellung der Kindererziehungszeiten erfolgt mit V0800.
Rentenpunkte „kaufen“: Wann Sonderzahlungen sinnvoll sind
Wer vorzeitig in Rente gehen will, kann Abschläge ab 50 durch Sonderzahlungen ganz oder teilweise ausgleichen. Die Höhe orientiert sich an den jährlichen Rechengrößen der Rentenversicherung. Als grobe Hausnummer: 2024 lag der Betrag pro Entgeltpunkt bei rund 8.436 €, 2025 bei etwa 9.392 € – Tendenz abhängig von Durchschnittsentgelt und Beitragssatz.
Solche Einzahlungen sind steuerlich begünstigt, aber endgültig gebunden; ob sich das lohnt, hängt von Laufzeit, Steuersatz, Lebenserwartung und Alternativen im Depot ab. Eine verbindliche Auskunft erteilt die DRV auf Antrag.
Arbeitszeitkonto/Wertguthaben: Zeit ansparen – rechtssicher bitte
Überstunden und Teile des Entgelts lassen sich auf ein Wertguthaben umleiten und später für Freistellungen – etwa den vorgezogenen Ausstieg – nutzen. Seit „Flexi II“ (2009) sind Wertguthaben grundsätzlich in Geld zu führen und gegen Arbeitgeber-Insolvenz abzusichern.
Die Details regeln Vereinbarungen im Betrieb; ohne klare Regeln drohen steuer- und sozialversicherungsrechtliche Risiken. Wer diesen Weg wählt, sollte ausdrücklich die Insolvenzsicherung und die Entnahmebedingungen prüfen.
Altersteilzeit: Gleitender Ausstieg – kein Rechtsanspruch, aber oft attraktiv
Altersteilzeit beruht auf freiwilligen Vereinbarungen. Typisch sind das Gleichverteilungs- und das Blockmodell. Gesetzlich vorgesehen ist ein Aufstockungsbetrag von mindestens 20 Prozent auf das reduzierte Entgelt; zusätzlich führt der Arbeitgeber Beiträge zur Rentenversicherung mindestens auf 80 Prozent des früheren Regelentgelts ab.
In der Praxis entspricht das häufig etwa 70 Prozent des früheren Nettos – tariflich teils mehr. Zu beachten sind geringere laufende Bezüge und organisatorische Bindungen; dafür gewinnen Unternehmen Planungssicherheit und Beschäftigte einen klaren, gestuften Übergang.
Aktuelle Rechengrößen kennen: Wert eines Rentenpunkts
Der aktuelle Rentenwert – also der monatliche Betrag je Entgeltpunkt – beträgt seit dem 1. Juli 2025 bundesweit 40,79 €. Diese Größe fließt unmittelbar in jede Rentenkalkulation ein und ändert sich jährlich. Wer Szenarien durchrechnet oder Sonderzahlungen erwägt, sollte stets mit den aktuellen Werten arbeiten.
Früh in Rente gehen ist also machbar und planbar
Ob über ALG I als Brücke, eine vorgezogene Altersrente mit Weiterarbeit, über Sonderwege wie die 45-Jahre-Regel oder per Altersteilzeit: Es gibt legale, praktikable Routen in den früheren Ruhestand.
Die richtige Wahl hängt von Ihrer Erwerbsbiografie, Ihrer Gesundheit, Ihren Finanzen und Ihrem Sicherheitsbedürfnis ab. Prüfen Sie die Anspruchsvoraussetzungen, klären Sie Ihr Rentenkonto, rechnen Sie die Abschläge gegen die gewonnene Lebenszeit und Liquidität – und holen Sie sich für Detailfragen eine individuelle Auskunft der Deutschen Rentenversicherung oder eine neutrale Beratung. So wird aus dem Wunsch „früher in Rente“ ein belastbarer Plan.