Alle Steuervorteile bei Schwerbehinderung nutzen: Jetzt gibt’s mehr Geld vom Staat

Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung haben im deutschen Sozial- und Steuerrecht Anspruch auf besondere Ausgleiche. Sozialrechtlich ermöglicht die Altersrente für schwerbehinderte Menschen einen früheren Übergang in den Ruhestand mit geringeren Abschlägen als bei anderen Rentenarten.

Steuerrechtlich sieht der Gesetzgeber zusätzliche Entlastungen vor, die unabhängig davon gelten, ob Betroffene noch erwerbstätig sind oder bereits eine Rente beziehen. Maßgeblich ist nicht der berufliche Status, sondern der anerkannte Grad der Behinderung (GdB) und gegebenenfalls festgestellte Merkzeichen.

In Deutschland leben nach den amtlichen Statistiken rund acht Millionen schwerbehinderte Menschen – gut zehn Prozent der Bevölkerung. Hinter dieser Zahl stehen sehr unterschiedliche Lebenslagen: körperliche und psychische Erkrankungen, dauerhafte Funktionsbeeinträchtigungen und damit verbundene Einschränkungen im Alltag.

Die steuerlichen Ausgleichsregelungen dienen dazu, behinderungsbedingte Mehrbelastungen pauschal zu berücksichtigen, ohne jeden Einzelfall bürokratisch bis ins Detail prüfen zu müssen.

Tabelle: Alle Steuervorteile bei Behinderung nutzen

Aspekt Inhalt
Rechtsgrundlage § 33b Einkommensteuergesetz; Pauschbeträge berücksichtigen behinderungsbedingte Mehraufwendungen ohne Einzelnachweis, unabhängig davon, ob jemand arbeitet oder bereits Rente bezieht.
Anspruchsberechtigte Menschen mit anerkanntem Grad der Behinderung (GdB) ab 20; Merkzeichen können zusätzliche Ansprüche auslösen.
Pauschbeträge nach GdB GdB 20: 384 €; GdB 30: 620 €; GdB 40: 860 €; GdB 50: 1.140 €; GdB 60: 1.440 €; GdB 70: 1.780 €; GdB 80: 2.120 €; GdB 90: 2.460 €; GdB 100: 2.840 €; pro Jahr stets nur die eigene Stufe, keine Addition mehrerer Stufen.
Erhöhter Pauschbetrag Für Blinde, Taubblinde und Hilflose gilt ein Jahrespauschbetrag von 7.400 € anstelle der stufenweisen GdB-Pauschale.
Fahrtkostenpauschbetrag 900 € jährlich bei GdB 80 oder bei GdB 70 mit Merkzeichen G; 4.500 € jährlich bei Merkzeichen aG, H, Bl oder TBl; jeweils zusätzlich zum GdB-Pauschbetrag und ohne Einzelnachweis.
Pflege-Pauschbetrag 600 € bei Pflegegrad 2, 1.100 € bei Pflegegrad 3, 1.800 € bei Pflegegrad 4 oder 5 bzw. bei Hilflosigkeit; neben dem GdB- und Fahrtkostenpauschbetrag ansetzbar.
Nachweis Schwerbehindertenausweis oder Feststellungsbescheid des Versorgungsamts mit GdB und Merkzeichen; Eintragung in die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale möglich.
Geltendmachung Eintragung in der Steuererklärung unter außergewöhnliche Belastungen oder Berücksichtigung im Lohnsteuerabzug; ohne Anzeige beim Finanzamt keine Wirkung.
Rückwirkende Anerkennung Werden GdB oder Merkzeichen später rückwirkend festgesetzt bzw. erhöht, können Pauschbeträge für zurückliegende Jahre innerhalb der gesetzlichen Fristen nachträglich berücksichtigt und Erstattungen beantragt werden; in der Praxis regelmäßig bis zu vier Veranlagungsjahre.
Grenze der Wirkung Pauschbeträge mindern das zu versteuernde Einkommen und wirken nur, wenn die Einkünfte oberhalb des jeweils geltenden Grundfreibetrags liegen.
Kombinationen GdB-Pauschbetrag ist mit Fahrtkosten- und Pflege-Pauschbetrag kombinierbar; innerhalb der GdB-Tabelle ist ausschließlich die eigene Stufe nutzbar.
Ausblick Der Gesetzgeber hat eine Evaluierung der Regelungen bis zum 31. Dezember 2026 vorgesehen; mögliche Anpassungen der Pauschbeträge werden geprüft.
Praxis-Tipp GdB ab 20 gegenüber dem Finanzamt immer geltend machen und bei späterer Anerkennung Änderungs- oder Einspruchsanträge für die betroffenen Jahre prüfen, um Erstattungen zu sichern.

Rechtsrahmen: § 33b EStG

Die steuerlichen Entlastungen für schwerbehinderte Menschen ist im § 33b Einkommensteuergesetz geregelt. Er gewährt Pauschbeträge, die das zu versteuernde Einkommen mindern. Diese Pauschalen treten an die Stelle von Einzelnachweisen für typische, behinderungsbedingte Mehraufwendungen.

Wer sie nutzt, muss keine Bons oder Kilometerlisten sammeln; der Gesetzgeber unterstellt die Aufwendungen. Alternativ können Betroffene – wenn es im Einzelfall günstiger ist – weiterhin tatsächliche, höhere Kosten als außergewöhnliche Belastungen mit Belegen geltend machen.

Pauschbeträge nach Grad der Behinderung

Seit der Reform zum Veranlagungszeitraum 2021 beginnen die Pauschbeträge bereits bei GdB 20 und steigen stufenweise an. Der Jahrespauschbetrag beträgt bei GdB 20 384 Euro, bei GdB 30 620 Euro und bei GdB 40 860 Euro.

Ab GdB 50 erhöht er sich auf 1.140 Euro, bei GdB 60 auf 1.440 Euro, bei GdB 70 auf 1.780 Euro, bei GdB 80 auf 2.120 Euro, bei GdB 90 auf 2.460 Euro und bei GdB 100 auf 2.840 Euro.

Pro Person und Jahr ist stets nur der Betrag der eigenen Stufe abziehbar; die Stufen lassen sich nicht addieren.

Höchstsatz für Blinde und Taubblinde

Für Blinde und Taubblinde – ebenso wie für als „hilflos“ anerkannte Menschen – gilt ein deutlich erhöhter Pauschbetrag von 7.400 Euro pro Jahr. Er ersetzt die stufenabhängige Pauschale und trägt den besonders hohen, regelmäßig wiederkehrenden Mehraufwendungen Rechnung.

Fahrtkostenpauschbetrag: Mobilität als Mehrbelastung

Zusätzlich zu den GdB-Pauschbeträgen existieren behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschalen. Menschen mit GdB 80 oder mit GdB 70 in Verbindung mit dem Merkzeichen G können pauschal 900 Euro pro Jahr ansetzen; das entspricht typisierten 3.000 Kilometern.

Für Personen mit den Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), H (hilflos), Bl (blind) oder TBl (taubblind) beträgt die Pauschale 4.500 Euro jährlich, typisiert für 15.000 Kilometer. Diese Fahrtkostenpauschalen werden zusätzlich zum GdB-Pauschbetrag gewährt, ohne Belegpflicht.

Pflege-Pauschbetrag: Entlastung für pflegende Angehörige

Wer eine Person im häuslichen Umfeld unentgeltlich pflegt, kann – unabhängig vom eigenen GdB – den Pflege-Pauschbetrag beanspruchen.

Er ist gestaffelt: Bei Pflegegrad 2 beträgt er 600 Euro, bei Pflegegrad 3 1.100 Euro, bei Pflegegrad 4 oder 5 sowie bei „Hilflosigkeit“ 1.800 Euro pro Jahr. Der Pauschbetrag kann neben dem Behinderten- und Fahrtkostenpauschbetrag geltend gemacht werden, sofern die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind.

Nachweis und Geltendmachung gegenüber dem Finanzamt

Voraussetzung ist ein amtlicher Nachweis: der Schwerbehindertenausweis oder der Feststellungsbescheid des Versorgungsamts mit GdB und Merkzeichen. In der Steuererklärung werden die Pauschbeträge im Bereich „Außergewöhnliche Belastungen“ erklärt; bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern können sie außerdem in die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale eingetragen werden, damit die Entlastung bereits beim monatlichen Lohnsteuerabzug wirkt.

Wichtig ist die formale Anzeige beim Finanzamt; ohne Antrag verpufft der Anspruch.

Rückwirkung, wenn der GdB später höher festgesetzt wird

Kommt es – etwa nach Widerspruch oder gesundheitlicher Verschlimmerung – zu einer rückwirkenden Feststellung oder Erhöhung des GdB, können die entsprechenden Pauschbeträge für die betroffenen Vorjahre nachträglich beansprucht werden.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Korrektur bestandskräftiger Steuerbescheide möglich, allerdings grundsätzlich nur innerhalb der gesetzlichen Fristen; regelmäßig lassen sich bis zu vier vergangene Veranlagungsjahre korrigieren.

In der Praxis bedeutet das: Bescheid und Feststellungszeitraum prüfen, Einspruchs- bzw. Änderungsanträge stellen und Erstattungen anfordern.

Grenze der steuerlichen Wirkung: Der Grundfreibetrag

Pauschbeträge mindern das zu versteuernde Einkommen. Eine spürbare Steuerersparnis entsteht deshalb vor allem dann, wenn die eigenen Einkünfte oberhalb des jeweils geltenden Grundfreibetrags liegen.

Wer mit seinen Einkünften unterhalb dieses Betrags bleibt, hat ohnehin keine Einkommensteuer zu zahlen; die Pauschalen können dann nicht „wirksam“ werden. Für alle anderen reduziert der Pauschbetrag die Bemessungsgrundlage – und damit die Steuerlast.

Als Faustregel lässt sich sagen: Ein Pauschbetrag von 2.460 Euro führt bei einem persönlichen Grenzsteuersatz von 20 Prozent zu einer Entlastung von rund 492 Euro.

Evaluierungspflicht der Bundesregierung

Mit der Reform 2021 wurden die Pauschbeträge modernisiert und deutlich angehoben. Der Gesetzgeber hat zugleich festgelegt, dass der Regelungsrahmen bis zum 31. Dezember 2026 evaluiert werden soll. Jetzt besteht die Frage, ob Höhe und Zuschnitt der Pauschalen die tatsächlichen Mehrbelastungen noch realistisch abbilden.

Fazit: Wer Anspruch hat, sollte ihn nutzen

Menschen mit Behinderung verschenken bares Geld, wenn sie die Pauschbeträge nach § 33b EStG nicht ausschöpfen. Der Weg ist vergleichsweise unkompliziert, der Nutzen spürbar – und er lässt sich mit Fahrt- und Pflegepauschbeträgen sinnvoll ergänzen.

Entscheidend sind ein aktueller amtlicher Nachweis, die korrekte Erklärung in der Steuererklärung oder den Lohnsteuermerkmalen und – bei späterer Anerkennung – die rechtzeitige Beantragung rückwirkender Korrekturen. Wer hier sorgfältig vorgeht, erhält genau den Nachteilsausgleich, den das Gesetz ausdrücklich vorsieht.