Teufelskreis Hartz IV: Stigmatisierung durch Hartz IV verringert Chancen auf einen Job
15.01.2015
Am 1. Januar 2005 trat das „vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ in Kraft, für das eine Kommission unter der Leitung von Peter Hartz zuvor Vorschläge zur effizienteren Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik und einer Modernisierung der staatlichen Arbeitsvermittlung erarbeitet hatte. Damit wurden Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu Arbeitslosengeld II (ALG II, Hartz IV) zusammengefasst. Die vermeintliche Vereinfachung hatte aber in erster Linie eine Verringerung der Leistung zur Folge. Zudem wurde die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I (ALG I) auf 18 Monate gekürzt. Matthias Knuth, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen, hat die Auswirkungen von zehn Jahren Hartz IV untersucht. Sein Fazit: Hartz IV blockiert stark und fördert Erwerbslose nur wenig.
Auswirkungen von Hartz IV
Knuth zufolge hat Hartz IV vor allem eines wirkt: Arbeitnehmer haben seit der Arbeitsmarktreform eine wesentlich geringere Bereitschaft ihren Job zu wechseln. Die Gründe sind niedrigere Einstiegslöhne, häufig befristete Arbeitsverträge und nicht zuletzt das erhöhte Risiko, bei einem Jobverlust auf Hartz IV angewiesen zu sein. „Eine Reform mit dem Ziel der Aktivierung und Flexibilisierung hat die Fluktuation am Arbeitsmarkt insgesamt verringert“, schreibt der Arbeitsmarktexperte in seinem Übersichtspapier zu der Untersuchung.
Ein großes Problem sei zudem die soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung von Hartz IV-Beziehern. Hartz IV bedeute ein „Leben am untersten Rand der Einkommensverteilung“. Viele Betroffene könnten sich nicht von diesem hohen ökonomischen Druck befreien. Doch das mache es noch schwieriger, einen Job zu finden, so der Wissenschaftler.
Viel Fordern aber wenig Fördern
Das Motto „Fördern und Fordern“ wird in der Praxis vor allem hinsichtlich des Forderns umgesetzt. So werden Hartz IV-Beziehern viele Pflichten auferlegt, um sie aktivieren. Das habe jedoch nur bei denjenigen eine Wirkung, die „reale Handlungsmöglichkeiten“ auf dem Arbeitsmarkt haben, also Erwerbslose mit ausreichender Qualifikation, die gesund und erst kurze Zeit arbeitslos sind. Allen anderen müssten dabei unterstützt werden, ihre Handlungsmöglichkeiten zu erweitern, so der Arbeitsmarktexperte. Aber die Förderung von Erwerbslosen kommt Knuth zufolge viel zu kurz. „Die Mittel für die Förderung von Arbeitslosen sind weitaus stärker gekürzt worden als die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist. Dabei ist es doch offensichtlich, dass bei abnehmender Arbeitslosigkeit eher diejenigen zurückbleiben, die eine stärkere Förderung brauchen würden – die Kürzung der Fördermittel hätte also allenfalls unterproportional zum Rückgang der Arbeitslosigkeit erfolgen dürfen“, erläutert der Arbeitsmarktexperte. Statt Hartz IV-Bezieher noch stärker unter Druck zu setzen, sei es viel sinnvoller, sie durch „Weiterbildungen bis zu einem Berufsabschluss“ zu fördern.
Knuth schreibt, dass „die vielgepriesene große Sozialreform heute allerdings dringend selbst reformiert werden“ müsste. Er nennt unter anderem dringenden Verbesserungsbedarf bei der Förderung von Langzeiterwerbslosen, der Gleichstellung von Frauen und Männern, der Einbeziehung von Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht voll erwerbsfähig sind und der Erhöhung von Kinder- und Wohngeld. (ag)
Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de
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