Erwerbsfähig bis zum bewiesenen Gegenteil

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Jobcenter muss erstmal Hartz IV Leistungen zahlen, bis zweifelsfrei eine Erwerbsunfähigkeit festgestellt wurde

02.11.2015

Oft gibt es Streit darüber, ob ein Leistungsberechtigter erwerbsfähig ist oder nicht. Während in vielen Fällen der ärztliche Dienst der Jobcenter eine Erwerbsunfähigkeit vorschnell bescheinigt, prüft die Deutsche Rentenversicherung teilweise viel zu streng. Das bedeutet in erster Linie Stress für den Betroffenen. Denn das Verfahren kann sich über Jahre hinweg ziehen, vor allem wenn danach sich eine Erwerbsminderungsrente anschließt.

Der Berliner Rechtsanwalt Kay Füßlein berichtet von einem Verfahren, dass er für eine Betroffene führte. „Nach Ansicht des JobCenters war meine Mandantin nicht erwerbsfähig, die DRV hat bislang auf den Erwerbsminderungsrentenantrag noch keine medizinischen Ermittlungen angestellt; hier steht man also noch ganz am Anfang.“ Dann kam, was kommen musste. Das Jobcenter stellte die Leistungen ein, da keine Erwerbsfähigkeit amtlich vorlag. Daraufhin klagte die Betroffene.
Das Sozialgericht Berlin (Az: S 203 AS 19872/15 ER) stoppte das Zuständigkeits -bzw. Verschiebekarussell auf Kosten des Betreffenden:

1. Bis zu einer konsensualen Entscheidung der betreffenden Leistungsträgern ist von einer Erwerbsfähigkeit auszugehen und es sind Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen

2. § 44a SGB II enthält eine Nahtlosigkeitregelung, die mit einer Zahlungspflicht des Leistungsträges einhergeht.

Die Jobcenter stellen sich immer wieder quer, weil Erstattungsansprüche nur in geringer Art und Weise gegenüber der Deutschen Rentenversicherung in der Vergangenheit durchgesetzt werden konnten. Die Rentenversicherung ihrerseits benötigt eine überlange Zeit, um die Anträge zu bearbeiten. Manches Mal kommen dann die danach geführten Prozesse mit Gutaachtern zu ganz anderen Ergebnissen, als die Rentenversicherung selbst. „Zumindest dürfte jetzt klargestellt sein, daß dies zumindest nicht zu Lasten des Hilfebedürftigen geht“, so Füßlein. (sb)

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