Schwerbehinderte Arbeitnehmer müssen sich bei der Beantragung von Kfz-Hilfe für einen Neuwagen den Verkehrswert ihres verkauften, noch mit einem Darlehen belasteten Altwagens anrechnen lassen.
Denn es würde zu einer Ungleichbehandlung führen, wenn sich der Verkaufserlös des noch mit einem Darlehen belasteten Altwagens nicht auf die Höhe der Kfz-Hilfe auswirken würde, wohl aber bei Antragstellern, die ihr Auto aus Ersparnissen finanziert oder das Darlehen für den Altwagen bereits getilgt haben, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 9. April 2024 (Az.: L 18 R 149/22).
Die Essener Richter ließen wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.
KFZ-Hilfe beantragt
Nach der bis zum 9. Juni 2021 geltenden Regelung konnten Menschen mit Behinderung zur Teilhabe am Arbeitsleben eine Kraftfahrzeughilfe von bis zu 9.500 Euro für den Kauf eines neuen Autos erhalten.
Voraussetzung war unter anderem, dass der Mensch mit Behinderung dauerhaft auf das Auto angewiesen ist, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Ab dem 10. Juni 2021 hat der Gesetzgeber die Kfz-Hilfe abhängig vom Nettoeinkommen auf bis zu 22.000 Euro erhöht.
Im konkreten Fall hatte eine schwerbehinderte städtische Angestellte mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 90 geklagt.
Aufgrund ihrer außergewöhnlichen Gehbehinderung war sie für den Weg zur Arbeit auf einen eigenen Pkw angewiesen. Am 21. Oktober 2018 verkaufte sie ihr bisheriges, mit einem Darlehen finanziertes Auto für 20.000 Euro. Davon hatte die Frau nichts, da der Verkaufserlös vollständig zur Tilgung des Darlehens verwendet wurde.
Nur drei Tage später kaufte sie einen behindertengerechten Neuwagen mit Automatikgetriebe zum Preis von 39.157 Euro. Sie erwartete vom zuständigen Reha-Träger eine Kraftfahrzeughilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe von hier 6.080 Euro.
Den erst im Februar 2019 gestellten Antrag lehnte der Reha-Träger ab, weil er nicht vor dem Kauf des Neuwagens und damit zu spät gestellt worden sei. Außerdem sei der Erlös aus dem Verkauf des Altwagens mindernd zu berücksichtigen, so dass kein Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe bestehe.
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Die Frau klagte und wies darauf hin, dass ihr in einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin des Reha-Trägers empfohlen worden sei, wegen der Neuregelung der Kfz-Hilfe Anfang 2019 einen Antrag zu stellen. Außerdem dürfe der Erlös aus dem Verkauf des alten Autos nicht angerechnet werden.
Da mit dem Geld das bestehende Darlehen abgelöst worden sei, habe sie nichts davon gehabt. Die Annahme, das Geld könne für die Anschaffung eines neuen Autos verwendet werden, sei daher falsch.
Wie zuvor das Sozialgericht wies auch das LSG die Klage ab. Die Klägerin habe den Antrag auf Kfz-Hilfe nicht vor dem Kauf und damit grundsätzlich zu spät gestellt. Letztlich komme es hierauf ebenso wenig an wie auf die behauptete Falschberatung durch den Reha-Träger, so das LSG.
LSG Essen: Gilt auch für mit Darlehen belasteten Altwagen
Denn ein Anspruch auf Kfz-Hilfe bestehe schon deshalb nicht, weil der Erlös aus dem Verkauf des Altwagens deutlich über der möglichen Förderung liege und angerechnet werden müsse.
Es würde eine Ungleichbehandlung des zu fördernden Personenkreises bedeuten, wenn der Verkauf eines noch mit einem Darlehen belasteten Altwagens nicht angerechnet würde, der Verkaufserlös eines mit Sparguthaben finanzierten oder getilgten Altwagens hingegen schon.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.