EM-Rente rückwirkend – muss man jetzt Leistungen zurückzahlen?

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Wer eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt, braucht Geduld. Zwischen dem formellen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) und dem endgültigen Bescheid vergehen häufig sechs bis zwölf Monate, bei medizinischen Gutachten oder Gerichtsverfahren sogar länger.

In dieser Zeit bleibt niemand ohne Einkommen: Erst zahlt in der Regel die Krankenkasse Krankengeld, anschließend – sobald der Anspruch endet – die Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld I; reicht die Zeitspanne noch weiter, springt das Jobcenter mit Bürgergeld ein. Damit entsteht ein komplexer Leistungsstrom, der später rückblickend wieder entwirrt werden muss.

Zwischen Krankengeld, Arbeitslosengeld und Bürgergeld

Das Sozialversicherungssystem sieht eine klare Rangfolge vor. Krankengeld hat Vorrang vor Arbeitslosengeld I, dieses wiederum vor dem seit 2023 geltenden Bürgergeld.

Wird die Erwerbsminderungsrente rückwirkend bewilligt, gilt sie als vorrangige Leistung; alle nachrangigen Kassen und Behörden haben dann einen Erstattungsanspruch gegenüber der DRV. Für den Versicherten bedeutet das: Der eigene Zahlungsfluss stoppt nicht abrupt, vielmehr wechseln lediglich die zuständigen Stellen im Hintergrund.

Automatische Verrechnung hinter den Kulissen

Sobald der Rentenbescheid rechtskräftig ist, informiert die DRV elektronisch Krankenkasse, Bundesagentur für Arbeit und gegebenenfalls Jobcenter. Diese ziehen daraufhin den Teil der Rentennachzahlung ein, der ihren Vorausleistungen entspricht. Das Verfahren ist in § 102 SGB X als Erstattungsanspruch ausgestaltet; der Empfänger muss weder Anträge stellen noch Beträge überweisen. Für Krankengeld zahlt daher die DRV an die Krankenkasse, nicht der Versicherte an die Kasse.

Keine Rückforderungen: Das schützt § 50 SGB V und die Rechtsprechung

Besonders verbreitet ist die Sorge, man könne an die Krankenkasse Geld zurückzahlen müssen, wenn das Krankengeld höher war als die spätere Rente.

Diese Befürchtung ist unbegründet. § 50 Abs. 1 SGB V verbietet eine solche Rückforderung; das Bundessozialgericht hat bereits 1992 bestätigt, dass Versicherte auf den rechtmäßigen Bezug vertrauen dürfen und einen sogenannten Spitzbetrag nicht erstatten müssen.

Gleiches gilt übrigens für Arbeitslosengeld I nach § 103 SGB III.

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Wenn die Rente höher ist – das Plus bleibt

Fällt die nachträglich bewilligte Rente höher aus als die Vorausleistungen, erhält der Betroffene eine Nachzahlung. Nach Abzug aller Erstattungsansprüche überweist die DRV den verbleibenden Restbetrag – oftmals ein willkommener finanzieller Puffer nach Monaten der Unsicherheit.

Reformpunkte 2025: Mehr Hinzuverdienst, längere Zurechnungszeit

Der Jahreswechsel 2024/25 brachte spürbare Verbesserungen. Die Hinzuverdienstgrenze bei voller Erwerbsminderung steigt ab Januar 2025 auf rund 19 661 Euro jährlich, bei teilweiser Erwerbsminderung auf etwa 39 322 Euro. Außerdem wächst die sogenannte Zurechnungszeit: Wer 2025 erstmals eine Rente bezieht, wird bei der Berechnung so gestellt, als habe er bis 66 Jahre und zwei Monate weitergearbeitet. Das erhöht die Rentenpunkte und damit den Zahlbetrag.

Bürgergeld nur in Ausnahmefällen

Seit Einführung des Bürgergeldes ersetzt die Grundsicherung Arbeitslosengeld II. Ein Anspruch besteht jedoch nicht parallel zu einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Er kann lediglich entstehen, wenn der Rentner mit erwerbsfähigen, hilfebedürftigen Angehörigen in einer Bedarfsgemeinschaft lebt und kein Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Sozialhilfe) besteht.

Praktische Hinweise für Betroffene

Während der Bearbeitungszeit lohnt es sich, alle Bescheide und Zahlungsnachweise sorgfältig aufzubewahren. Wichtig ist, jede Änderung des Gesundheitszustands unverzüglich an die DRV zu melden und Termine für ärztliche Gutachten einzuhalten.

Wer unsicher ist, kann sich an Rentenberater, Sozialverbände oder die Auskunfts- und Beratungsstellen der DRV wenden. Für Rückfragen zur Verrechnung hilft die jeweilige Krankenkasse oder Agentur für Arbeit, denn dort liegen die Detailberechnungen.

Fazit

Die rückwirkende Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente ist für Betroffene meist finanziell vorteilhaft und juristisch unkompliziert. Rückforderungen drohen in der Regel nicht, Nachzahlungen werden automatisch verrechnet und gutgeschrieben.

Die zum 1. Januar 2025 in Kraft tretenden höheren Hinzuverdienstgrenzen und die verlängerte Zurechnungszeit stärken darüber hinaus die Position von Erwerbsgeminderten dauerhaft.

Wer die Zeit bis zum Bescheid überbrücken muss, kann daher beruhigt sein: Das System ist auf Sicherheit, nicht auf Rückzahlungsfallen ausgelegt.