Einhundert Seiten Hartz IV Antragsformulare

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Bürokratische Hürden statt schneller Hilfe

In der Corona-Krise versprach die Bundesagentur für Arbeit vereinfachte und unbürokratische Hartz IV-Anträge, damit Soloselbstständige und in erwerbslos gewordene Arbeitnehmer einfach und schnell Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten. Doch die von der Bundesregierung beschlossene „vereinfachte Beantragung auf Grundsicherung“ ist kaum vereinfacht und baut hohe Hürden auf. Viele warten seit Wochen auf Hilfe.

Sabine G. ist Fotografin. Vor allem auf Hochzeitsfotografie hat sie sich spezialisiert. Durch die Corona-Regeln ist ihr Geschäft zusammengebrochen. Wenn keine Hochzeiten stattfinden können, werden auch keine Fotografen benötigt. Also musste Sabine G. einen Antrag auf Hartz IV stellen.

In der Tat bekam sie einen „Vereinfachten Antrag auf Grundsicherung/Arbeitslosengeld II“. Das Formular umfasst 5 Seiten. Zusätzlich ist dem Formular noch eine zweiseitige „vereinfachte Anlage“ beigefügt. Hier soll sie ihr Einkommen ausfüllen. Soweit so gut.

45 Seiten Formulare zugeschickt

Doch dann übersandte die Behörde einen Antrag, der 45 Seiten umfasst. Zusätzlich eine Liste, die alle Dokumente und Unterlagen auflistet, die anbei gesandt werden sollen. Zudem fordert das Jobcenter Vermögensauskünfte von ihrem Ehemann. Auch sollen Auskünfte über das Vermögen erteilt werden, obwohl der “vereinfachte Antrag” nur eine Vermögensauskunft vorsieht, wenn bestimmte Vermögensbeträge von ihr und ihrem Mann eine Summe überschreiten. Doch das sei nicht so, erklärte ihr die Behörde.

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“Ich werde Tage und vielleicht Wochen benötigen, bis ich alles zusammen habe und den Antrag ausgefüllt habe”, klagt Sabine G. Für manche Unterlagen muss sogar der Steuerberater hinzu gezogen werden. “Das wird noch einmal extra Geld kosten”.

Verband berichtet von 100 Seiten Anträge

Sabine G. ist kein Einzelfall. Das beklagt auch der “Verband der Gründer und Selbstständigen”. In einem offenen Brief prangert der Verband die bürokratischen Machenschaften der Jobcenter an. “Warum versprechen Sie vor den Medien, es gäbe sechs Monate lang keine Vermögensprüfung bei der Grundsicherung? Um dann eine kleinteilige Prüfung zu etablieren (…) statt unbürokratisch Hilfe zu erhalten? Warum sprechen Sie öffentlich von einer vereinfachten Antragstellung, die dann bei den betroffenen Selbstständigen inklusive der Anlagen 100 Seiten und mehr umfasst – spätere Prüfungen und Nachweise noch nicht eingeschlossen?”

Unendliches Warten auf Hilfe

Carolin K., eine Sportleiterin aus Braunschweig, musste ebenfalls einen Hartz IV Antrag stellen, weil alle Sportangebote und Kurse eingestellt wurden. Mitte April stellte sie einen Antrag. Auch sie bekam eine Fülle von Formularen zugeschickt. “Ein freundlicher Mitarbeiter am Telefon erklärte mir zwar alles und versicherte mir eine schnelle Hilfe, aber bis heute habe ich kein Geld bekommen.” Sie lebt derzeit von der Hand in dem Mund, leiht sich Geld von ihreren Freunden, um wenigstens etwas zu essen zu kaufen. Seit nunmehr 5 Wochen wartet sie auf ihren Bescheid. Bei jeder Nachfrage bei der Behörde wurden neue Fragen gestellt. “Ich habe innerlich schon aufgegeben”.

Hartz IV Alltag bei Soloselbstständigen angekommen

Das was viele Soloselbstständige derzeit bei der Beantragung erleben, ist allerdings Hartz IV-Alltag für Millionen von Menschen. Selbst bei der “vereinfachten Beantragung” zeigt sich, welch bürokratisches Monstrum mittlerweile geschaffen wurde.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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