Ehrenamtler müssen Schwächen des Sozialsystems ausbügeln

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Das Sozialsystem in Deutschland ist massiv auf ehrenamtliche Arbeit angewiesen. Ohne Freiwillige wäre eine flächendeckende soziale Versorgung nicht möglich. Eine wissenschaftliche Studie zeigt, dass Freiwillige zunehmend zu preiswerten Arbeitskräften des Wohlfahrtmarktes werden und der Bundesfreiwilligendienst in Ostdeutschland zum zweiten Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose. Die Politik habe diese Entwicklung befördert, stellen die Forscher fest.

Systematische Ausweitung freiwilliger Arbeit

Soziologinnen der Universität Jena haben in dem Wissenschaftsjournal WSI-Mitteilungen 5/2021 den Aufsatz „Umsonst freiwillig?“ veröffentlicht, der auf Forschungen beruht, die durch die Hans-Böckler-Stiftung finanziert wurden. Darin kommen sie zu dem Ergebnis, dass in vielen Bereichen des Sozialsystems zunehmend informelle freiwillige Arbeitskräfte für Aufgaben herangezogen werden, anstatt bezahltes Fachpersonal.

Diese Entwicklung gehe auch auf politische Weichenstellung zurück. Die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes 2011 sowie das Ehrenamtsstärkungsgesetz von 2013 und diverse Förderprogramme und Werbekampagnen hätten dazu beigetragen, dass ein immer größerer Teil der Wohlfahrtsarbeit durch Freiwillige erledigt wird, die höchstens kleine Aufwandsentschädigungen erhalten.

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Ehrenamtler müssen Einsparungen ausgleichen

Gleichzeitig zur Ausweitung freiwilliger Arbeit in vielen sozialen und kulturellen Bereichen habe eine Einsparungspolitik zur Schließung diverser Einrichtungen geführt, die dann von Freiwilligen weiter betrieben werden müssen. Es findet also ein Austausch von teuren, nicht gewinnorientierten Einrichtungen mit freiwilliger sozialer Arbeit statt. Allerdings passiert dies indirekt, denn das Gebot der Arbeitsmarktneutralität verhindert, dass sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze unmittelbar ersetzt werden.

Immer stärker würde mit kleinen Aufwandsentschädigungen gelockt, die Freiwilligenarbeit so als Nebenverdienstmöglichkeit für Menschen in Hartz IV oder Grundsicherung beworben. Insbesondere in Ostdeutschland sind sehr viele ältere Menschen im Bundesfreiwilligendienst tätig. Die Forscherinnen fordern daher, eine gesetzliche Präzisierung ehrenamtlicher Arbeit und Maßnahmen gegen die Erosion des Sozialwesens.

Bild: Gina Sanders / AdobeStock