Bis zu 3 Jahre Hartz IV Sanktionen – Die Bundesregierung gibt sich ahnungslos

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Bundesregierung weiรŸ nichts zu den Hartz IV Sanktionen bei “sozialwidrigem Verhalten”

Die Linke im Bundestag startete eine kleine Anfrage zu den Hartz IV Ersatzansprรผchen an die Bundesregierung. In der Regel werden auf Anfragen der Opposition sachgerecht geantwortet. Zum Erstaunen vieler konnte dieses Mal das zustรคndige Bundesarbeitsministerium keine Auskรผnfte erteilen.

Bild: Peter Feldnick / pixelio.de

Die Linke fragte: “Wie viele Leistungsberechtigte im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhielten reduzierte Geldleistungen, weil ihre Ansprรผche mit Ersatzansprรผchen gem. ยง 34 SGB II (sozialwidriges Verhalten) aufgerechnet wurden, und รผber welche Zeitrรคume erstreckten sich die Aufrechnung?” Geantwortet wurde lapidar: “Der Bundesregierung liegen diesbezรผglich keine Erkenntnisse vor.”(Antwort der Bundesregierung)

Sanktionen bis zu 3 Jahre mรถglich

Bei Vorliegen von “sozialwidrigem Verhalten” kรถnnen die Jobcenter in Hรถhe von 30 Prozent des Hartz IV Regelbedarfs aufrechnen (ยง 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II) und diese Aufrechnung kann bis zu drei Jahre erfolgen (ยง 43 Abs. 4 SGB II). Das bedeutet im Klartext, dass die Betroffenen nicht fรผr drei Monate sondern fรผr drei Jahre (!) sanktioniert werden kรถnnen. Zwar steht “formal” im Text “bis zu drei Jahre”, allerdings entscheidet der Sachbearbeiter im Jobcenter, denn im Regelfall ist die Ersatzsumme so hoch, dass die vollen drei Jahre ausgefรผllt werden. Von Ermessensspielraum kann also keine Rede sein.

Harald Thomรฉ von der Sozialberatung Tacheles in Wuppertal gibt zudem zubedenken: “Besonders heftig ist, dass es eine gesetzliche Verpflichtung zur Wirkungsforschung der โ€žLeistungen zum Lebensunterhaltโ€œ gibt, so bestimmt es ยง 55 Abs. 1 SGB II. Dieser Verpflichtung kommt die Bundesagentur fรผr Arbeit offensichtlich nicht nach, denn sonst hรคtte sie dazu Informationen bringen mรผssen.”

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Schon vor dem Bundesverfassungsgericht unwissend

Bereits bei der mรผndlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zu den Sanktionen, konnte die Bundesagentur fรผr Arbeit keine Zahlen “der Mehrfachbetroffenheit bei Sanktionen, der Wirkung dieser zur Arbeitsmarktintegration, zu Wohnungs-, Stromverlusten und Verschuldung oder Anzahl von Lebensmittelgutscheinen vorlegen”, berichtet Thomรฉ.

Im Klartext: Bei den Aufrechnungen von Ansprรผchen wegen Ersatzansprรผchen wird das Existenzminimum um bis zu 3 Jahre massiv unterschritten. Dass dies ein verfassungswiderrechtlicher Eingriff in das “Grundrecht auf Gewรคhrleistung eines menschenwรผrdigen Existenzminimums” ist, interessiert offenbar weder die Bundesregierung noch die Bundesagentur fรผr Arbeit.

Bundesministerium versteckt sich hinter einer Mauer der Ignoranz und Unwissenheit

Fรผr Katja Kipping (Die Linke) steht fest: “Das Bundesministerium versteckt sich hinter einer Mauer der Ignoranz und Unwissenheit”. Die Bundesregierung hat noch “nicht einmal einen Plan, um das Elend von Hartz-IV-Betroffenen zu lindern”, so Kipping weiter. Anstatt die Anfrage der Linken zum Anlass zu nehmen, “sich mit dieser Form der Schikane und Repression auseinanderzusetzen, und zu schauen, wie man die Situation von Hartz-IV-Betroffenen verbessern kann, versteckt sich das Ministerium von Hubertus Heil hinter einer Mauer der Ignoranz und Unwissenheit.” Stattdessen antwortet man lapidar: “Der Bundesregierung liegen diesbezรผglich keine Erkenntnisse vor.” (sb)