Bundesregierung weiß nichts zu den Hartz IV Sanktionen bei “sozialwidrigem Verhalten”
Die Linke im Bundestag startete eine kleine Anfrage zu den Hartz IV Ersatzansprüchen an die Bundesregierung. In der Regel werden auf Anfragen der Opposition sachgerecht geantwortet. Zum Erstaunen vieler konnte dieses Mal das zuständige Bundesarbeitsministerium keine Auskünfte erteilen.
Die Linke fragte: “Wie viele Leistungsberechtigte im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhielten reduzierte Geldleistungen, weil ihre Ansprüche mit Ersatzansprüchen gem. § 34 SGB II (sozialwidriges Verhalten) aufgerechnet wurden, und über welche Zeiträume erstreckten sich die Aufrechnung?” Geantwortet wurde lapidar: “Der Bundesregierung liegen diesbezüglich keine Erkenntnisse vor.”(Antwort der Bundesregierung)
Sanktionen bis zu 3 Jahre möglich
Bei Vorliegen von “sozialwidrigem Verhalten” können die Jobcenter in Höhe von 30 Prozent des Hartz IV Regelbedarfs aufrechnen (§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II) und diese Aufrechnung kann bis zu drei Jahre erfolgen (§ 43 Abs. 4 SGB II). Das bedeutet im Klartext, dass die Betroffenen nicht für drei Monate sondern für drei Jahre (!) sanktioniert werden können. Zwar steht “formal” im Text “bis zu drei Jahre”, allerdings entscheidet der Sachbearbeiter im Jobcenter, denn im Regelfall ist die Ersatzsumme so hoch, dass die vollen drei Jahre ausgefüllt werden. Von Ermessensspielraum kann also keine Rede sein.
Harald Thomé von der Sozialberatung Tacheles in Wuppertal gibt zudem zubedenken: “Besonders heftig ist, dass es eine gesetzliche Verpflichtung zur Wirkungsforschung der „Leistungen zum Lebensunterhalt“ gibt, so bestimmt es § 55 Abs. 1 SGB II. Dieser Verpflichtung kommt die Bundesagentur für Arbeit offensichtlich nicht nach, denn sonst hätte sie dazu Informationen bringen müssen.”
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Schon vor dem Bundesverfassungsgericht unwissend
Bereits bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zu den Sanktionen, konnte die Bundesagentur für Arbeit keine Zahlen “der Mehrfachbetroffenheit bei Sanktionen, der Wirkung dieser zur Arbeitsmarktintegration, zu Wohnungs-, Stromverlusten und Verschuldung oder Anzahl von Lebensmittelgutscheinen vorlegen”, berichtet Thomé.
Im Klartext: Bei den Aufrechnungen von Ansprüchen wegen Ersatzansprüchen wird das Existenzminimum um bis zu 3 Jahre massiv unterschritten. Dass dies ein verfassungswiderrechtlicher Eingriff in das “Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums” ist, interessiert offenbar weder die Bundesregierung noch die Bundesagentur für Arbeit.
Bundesministerium versteckt sich hinter einer Mauer der Ignoranz und Unwissenheit
Für Katja Kipping (Die Linke) steht fest: “Das Bundesministerium versteckt sich hinter einer Mauer der Ignoranz und Unwissenheit”. Die Bundesregierung hat noch “nicht einmal einen Plan, um das Elend von Hartz-IV-Betroffenen zu lindern”, so Kipping weiter. Anstatt die Anfrage der Linken zum Anlass zu nehmen, “sich mit dieser Form der Schikane und Repression auseinanderzusetzen, und zu schauen, wie man die Situation von Hartz-IV-Betroffenen verbessern kann, versteckt sich das Ministerium von Hubertus Heil hinter einer Mauer der Ignoranz und Unwissenheit.” Stattdessen antwortet man lapidar: “Der Bundesregierung liegen diesbezüglich keine Erkenntnisse vor.” (sb)
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