Eine Doppelbesteuerung ist in Deutschland verfassungswidrig. Bei der Rente kann es aber genau dazu kommen. Wer ist davon betroffen, und wie geht die Politik dieses Problem an?
Inhaltsverzeichnis
Das Ertragsanteilsverfahren
Vor einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2002 galt bei Renten das Ertragsanteilsverfahren. Nur ein gewisser Prozentsatz der Rente war steuerpflichtig, und dieser hing vom Alter der Betroffenen bei Rentenbeginn ab.
Zunehmende Lebenserwartung und demografische Verschiebungen machten dieses System nicht mehr zeitgemäß. Als Konsequenz wurde eine nachgelagerte Besteuerung eingeführt.
Wie kommt es zur Doppelbesteuerung?
Doppelbesteuerung bei der Rente bedeutet, dass Rentner Steuern auf ihre Rente zahlen, obwohl sie bereits während ihres Erwerbsleben Steuern auf die Rentenbeiträge zahlten.
Es geht also zum einen um den steuerfreien Teil der Rente, und zum anderen um die Summe der geleisteten Beiträge für die Rentenversicherung aus versteuertem Einkommen.
Ist jetzt in der Gesamtsumme der steuerfreie Rentenanteil geringer als die versteuerten Rentenbeiträge, dann liegt eine Doppelbesteuerung vor. Faktisch zahlen die Betroffenen noch einmal Steuern auf bereits versteuerte Rentenbeiträge.
Was soll sich ändern?
2023 wurde diese verfassungswidrige Besteuerung geändert. Es gibt seitdem keine prozentuale Besteuerung beim Sonderabgabenabzug für Altersvorsorge mehr.
Rentenbeiträge sind vollständig absetzbar, um eine Doppelbesteuerung zu verhindern.
Außerdem soll die Besteuerung der Renten langsamer steigen, also nur noch ein halbes Prozent statt ein Prozent pro Jahr. Dies ist mit dem Jahressteuergesetz 2022 beschlossene Sache.
Die Doppelbesteuerung wurde ein zunehmendes Problem
Durch die nachgelagerte Rentenbesteuerung wurden Renteneinkünfte zunehmend besteuert, und der steuerfreie Teil der Rente wird immer kleiner.
Renteneinkünfte werden durch diese Besteuerung komplett besteuert, Rentenbeiträge während der Erwerbszeit können hingegen abgesetzt werden. Dadurch entsteht in der Steuer ein Wechselspiel zwischen Renteneinkünften und Rentenbeiträgen, was bei der vorgelagerten Besteuerung nicht der Fall war.
Wer ist in Gefahr, doppelt besteuert zu werden?
Laut dem Bundesfinanzhof besteht vor allem für bestimmte Gruppen ein größeres Risiko, doppelt in der Rente besteuert zu werden.
Das sind zum einen ehemalige Selbstständige, bei denen Arbeitgeber keinen Zuschuss auf die Rentenbeiträge leisteten.
Zweitens besteht generell bei Männern tendenziell eine größere Gefahr einer Doppelbesteuerung als bei Frauen, da sie im Durchschnitt früher sterben, und deshalb mehrere Jahre weniger Rente ausgezahlt bekommen.
Auch ledige Rentner ohne Hinterbliebenenrente haben ein erhöhtes Risiko, doppelt besteuert zu werden.
Wer ist weniger in Gefahr?
Am wenigsten Gefahr unter den Rentnern, von einer Doppelbesteuerung betroffen zu sein, sind diejenigen, die ihr Erwerbsleben als versicherte Arbeitnehmer verbrachten.
Modelle gegen die Doppelbesteuerung
Das Problem ist bekannt, verschiedene Modelle wurden und werden diskutiert, um eine Löstung zu finden.
Eines davon sieht einen für einen festgelegten Zeitraum gewährten Rentenfreibetrag vor, der sich nach Renteneintrittsjahr und der Erwerbsleistung des Steuerzahlers richtet.
Erst 2058 werden die Renten komplett besteuert
Rentenbeiträge können also ab 2023 vollständig von der Steuer abgesetzt werden, und eine vollständige Besteuerung der Renten soll erst 2058 in Kraft treten.
Seit 2005 stieg der steuerpflichtige Anteil um jährlich zwei Prozent von damals 50 Prozent. Seit 2020 erhöhte er sich dann nur noch jährlich um ein Prozent und jetzt nur noch um 0,5 Prozent.
Auch die Bundesregierung denkt nicht, dass diese Maßnahmen ausreichen, um eine Doppelbesteuerung der Renten komplett zu verhindern.
So steht im Wachstumschancengesetz, das im März 04 verabschiedet wurde: “Zur vollständigen Vermeidung einer doppelten Besteuerung (…) sind weitere Regelungen erforderlich, die zeitnah in einem dritten Schritt gesetzlich geregelt werden.”
Maßnahmen reichen nicht aus
Dirk Kiesewetter, Lehrstuhlinhaber für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, betont, dass „aus heutiger Sicht weitere gesetzgeberische Maßnahmen unumgänglich” seien.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.