Diffamierung von Arbeitslosen in der BILD: “Bernhard geht aber lieber arbeiten”

Lesedauer 2 Minuten

Bernhard Weber-Rosa (53) arbeitet, obwohl er als Arbeitsloser mehr Geld in der Tasche hätte. Er hätte bei Nichtstun Anspruch auf 67 Prozent dieses Lohns, also 1675 Euro brutto. 50 Euro mehr, als er für seinen jetzigen Job erhält. Als über 50-Jähriger hätte er zwischen 12 und 24 Monate lang Anspruch auf das Arbeitslosengeld.

Weber-Rosa sagt: “Ich hätte sogar mit einem Minijob 165 Euro ohne Abzüge dazuverdienen können und hätte noch mehr. Aber wenn ich arbeitslos wäre, würde ich den ganzen Tag zu Hause sitzen.”

Da Weber-Rosa nur eine 30-Stunden-Woche hat, nutzt er freie Stunden ehrenamtlich für Soziales. Er sammelt Spenden und Trikots bei Berliner Fußball-Klubs und schickt sie nach Brasilien für sein Fußballprojekt ,,Favelafriends” in einem Armutsviertel von Rio. (Quelle Bild)

Bernhard würde also trotz Minijob und Ehrenamt den ganzen Tag zu Hause rumsitzen? Und müsste als Arbeitslosengeld-Empfänger “Nichtstun”?

Arbeitslose müssen sich aktiv um Arbeit bemühen

Abgesehen davon, dass es sehr traurig macht, wenn sich ein Mensch nur über (s)einen Job definiert, wird hier unterschlagen, dass sich ein Arbeitslosengeld-Empfänger jeden Tag aktiv um Arbeit bemühen muss und seinen Arbeitslosengeld-Anspruch verliert, wenn er einen zumutbaren Job wie den als Obst-Fahrer, den Bernhard ja ausübt, nicht annimmt – und zwar bevor er tatsächlich arbeitslos wird.

Ob dieser Job weniger Geld einbringt als an Arbeitslosengeld-Anspruch besteht, ist für gesetzliche Pflicht zur Annahme eines solchen Jobs ohne Belang.

Bernhard Weber-Rosa (wenn er denn tatsächlich existiert) hatte also nie die von der BILD suggerierte Wahl, ob er diesen zumutbaren Job als Obst-Fahrer annimmt, oder lieber zu Hause “rumsitzt” und Arbeitslosengeld kassiert.

Lieber rumsitzen statt Arbeiten?

Würde man der diesem Artikel innewohnenden Logik der BILD folgen, würde demnach jeder, der schon mal seinen Job verloren und das Glück hatte, einen neuen zu finden, bevor er Arbeitslosengeld benötigt, “lieber arbeiten, als rumzusitzen”, was gleichsam aussagt, das jeder, der nicht so viel Glück hat, lieber “rumsitzt, als zu arbeiten”. Was für eine verlogene Diffamierung von Arbeitslosen.

Laut dem offiziellen Arbeitslosengeld 1 Rechner der BA hätte Bernhard Weber-Rosa bei einem Bruttoverdienst von 2500€ Anspruch auf 1147,20€ Arbeitslosengeld pro Monat.

Bei seinem Job als Obst-Fahrer erhält er 1235 Euro Netto, also 87,80€ mehr, als er im Monat an ALG I erhalten würde. Hier werden Äpfel (67% Bruttolohn) mit Birnen (67% Netto-Entgelt = ALG I) verglichen.

Falsch ermittelter Arbeitslosengeld-Anspruch

Das Reporter der BILD nicht in der Lage sind, einen simplen ALG I Anspruch zu ermitteln, diesen irrtümlich mit 67% des Bruttolohnes zugrunde legen und deshalb grob fehlerhaft zu der falschen Aussage kommen, das hier jemand lieber für weniger Geld arbeitet, als für mehr Geld rumzusitzen, darf ernsthaft bezweifelt werden.

Tatsächlich ist es also so, dass Bernhard Weber-Rosa lieber für mehr Geld im Portemonnaie 6 Std pro Tag arbeiten geht, statt mit weniger Geld zu Hause rumzusitzen.

Und hätte das Arbeitsamt ihm den Job als Obst-Fahrer vermittelt (wer weiß, vielleicht war es sogar so?), dann hätte er diesen annehmen müssen – oder würde jetzt ganz ohne Geld zu Hause rumsitzen. (fm, hartz.info)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...