Fast alle Hartz-IV-Betroffene wollen arbeiten โ im Gegensatz zur gรคngigen Meinung vieler Politiker.
(13.08.2010) Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts fรผr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt, dass fast alle Hartz-IV-Empfรคnger ernsthaft um einen Arbeitsplatz bemรผht sind. 90 Prozent der ALG-II-Bezieher unter 56 Jahren stehen demnach fรผr eine Beschรคftigung zur Verfรผgung.
Die Erwerbslosen-Statistik fรผr den Juni 2010 verzeichnet ca. 27.000 mehr Empfรคnger von Hartz IV als noch ein Jahr zuvor, obwohl sich der Arbeitsmarkt im gleichen Zeitraum insgesamt langsam erholt hat. Rund 280.000 weniger Menschen als im Vorjahr waren auf der Suche nach einem Job. Dass die langfristig Erwerbslosen nicht entsprechend von der Entwicklung profitieren konnten fรผhrt Ingo Kolf, Referent beim DGB fรผr Arbeitsmarktpolitik, darauf zurรผck, dass generell bei anziehender Konjunktur zunรคchst die vermeintlich besser qualifizierten ALG-I-Empfรคnger und erst spรคter die lรคngerfristig Erwerbslose eine Anstellung finden. Auรerdem kosten die Bemรผhungen der der Jobcenter, Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen, besonders viel Geld, weshalb an dieser Stelle auch hรคufig als erstes gespart wird, so Kolf weiter. Insbesondere teure Maรnahmen wie Umschulungen, Weiterbildungen und persรถnliche Betreuung durch Sozialarbeiter sind von Budgetkรผrzungen betroffen, wobei aber eben diese Maรnahmen fรผr die Vermittlung der ALG-II-Empfรคnger besonders geeignet sind. Kostengรผnstige Maรnahmen wie Ein-Euro-Jobs werden nach Ansicht des DGB-Vertreters hingegen viel zu hรคufig angewandt. Teilweise mit fatalen Folgen fรผr die ohnehin oftmals angeschlagen Psyche der Betroffenen. So erleben letztere in dem halben Jahr der Maรnahmen vorerst eine Art psychisches Hoch โ und anschlieรend kommt der tiefe Fall, erklรคrt Kolf.
Wichtig ist es nach Ansicht der Fachleute, den Hartz-IV-Beziehern eine Perspektive zu bieten, um ihre Motivation zur Aufnahme einer Tรคtigkeit auf dem jetzigen Niveau zu halten. Welche Folgen es hat, wenn den Betroffenen diese Perspektive verloren geht, zeigt sich an der stark abnehmenden Arbeitsbereitschaft unter รคlteren Hartz-IV-Empfรคngern. Sie sehen fรผr sich kaum noch eine Chance wieder in den Arbeitsmarkt einzutreten und sind dementsprechend wenig motiviert bei der Suche nach einer Beschรคftigung, so die Ergebnisse der DIW-Studie.
Wie die Psychologin der Arbeitsagentur, Martina Wichmann-Bruche, gegenรผber Welt Online รคuรerte, ist die soziale Isolation, welche bei den ALG-II-Empfรคngern durch โihre Armut und ihre gefรผhlte Nutzlosigkeitโ ausgelรถst wird, eines der grรถรten Probleme. Denn auch wenn heute noch 90 Prozent der ALG-II-Empfรคnger motiviert sind, wieder eine Tรคtigkeit aufzunehmen, so kann sich dies schnell รคndern, falls die Betroffenen fรผr sich keine wirklich Perspektive mehr sehen und die soziale Ausgrenzung zusรคtzliche psychische bzw. Motivations-Probleme hervorruft. (wm)