Die geheimen Hartz IV Verhandlungen

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Koalition berät hinter geschlossenen Türen über Hartz IV Reformen

23.01.2015

Die Umsetzung der Hartz IV Reformen, die eigentlich im April geplant waren, soll nun verschoben werden. Die teilweisen Verschärfungen mit dem Titel „Rechtsvereinfachungen im Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II)“ werden demnach vorerst nicht eingeleitet. Ein genauer Termin stehe nicht fest, wie es in einer Regierungsantwort heißt.

Hauptgrund dürfte eine anhaltender Streit zwischen SPD und CDU sein. Vor allem wird sich über die Ausgestaltung der Sanktionen bei Hartz IV gestritten. Doch die genauen Inhalte will das Bundesarbeitsministerium weder Linken, den Grünen und auch nicht der Presse verraten. In einer Regierungsantwort auf Anfrage der Partei „Die Linke“ heißt es, „ die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, über nicht abgeschlossene interne Willensbildungsprozesse Auskunft zu geben“.

Eigentlich sollten im Februar eine Anhörung passieren. Diese wurde nun auf Juni verschoben, wie das Büro der Grünen-Abgeordneten Brigitte Pothmer gegenüber der „Jungen Welt“ mitteilte. Während die Grünen ein abgemilderten Sanktionskatalog fordern, wollen die Linken diesen ganz abschaffen. „Vermutlich will die Bundesregierung dazu einen Änderungsantrag formulieren“, sagte Ronald Blaschke, Sprecher von Katja Kipping (Die Linke). Blaschke kritisierte die Geheimhaltungspraxis der Regierung. „Wir erfahren nichts, es ist auch möglich, dass alles wieder umgeworfen wird“.

Die ausgehandelten sog. "Rechtsvereinfachungen" bedeuten für Millionen von Hartz IV betroffenen Menschen nichts anderes, als dramatische Rechtsverschärfungen. Damit werden die Grundrechtsverletzungen, die ohnehin schon stattfinden, zementiert. Der Sozialrechtler Harald Thomé bewertet diese Entwicklungen als eine Aushebelung der Grundrechte. Sollten die Vorschläge tatsächlich umgesetzt werden, würde eine „Sonderrechtszone zementiert, die immer stärker vom einst gültigen Sozialrecht abweicht“, zitiert die Zeitung den Arbeits- und Sozialrechtler. Diese betreffe dann den Teil der Bevölkerung, der ohnehin bereits abgehängt sei.

Zentrale Reformen sind unter anderem:

– Vereinfachungen im Sanktionsrecht wie die Angleichung der Sanktionsvorschriften für die Altersgruppen unter 25 Jahre und ab 25 Jahre und die Einführung eines einheitlichen Minderungsbetrages für jede Pflichtverletzung,

– die Verlängerung des Regelbewilligungszeitraums auf zwölf Monate,

– die Zulässigkeit der Darlehensgewährung bei vorzeitigem Verbrauch einer einmaligen Einnahme,

– die Schnittstellen zur Ausbildungsförderung,

– die Aufnahme eines eigenständigen Tatbestandes zur vorläufigen Leistungsgewährung in das SGB II,

– die Ermöglichung einer trägerübergreifenden Aufrechnung und weitere Erleichterungen bei der Aufrechnung,

– sowie die Sicherstellung von Erstattungsansprüchen der Grundsicherungsträger gegen andere Sozialleistungsträger bei Vorleistungen.

Der Titel Rechtsvereinfachung führt in die Irre. Zwar sind auch Verbesserung für ALG II Leistungsberechtigte dabei, die Mehrheit der Vorschläge sind allerdings deutliche Verschlechterungen. So sollen Hartz IV Beziehende nicht nur mehr kontrolliert und abkassiert werden, sondern es soll ein sogenanntes „Sonderrecht“ geschaffen werden, dass vom allgemeinen Sozial- und Verfahrensrecht deutlich abweicht. Nicht umsonst kritisieren Erwerbslosen-Initiativen die Vorschläge als eine sogenannte „Sonderrechtszone“ die in den Jobcentern geschaffen werden sollen.

Folgende Verschärfungen sollen nach dem Willen der Bund-Länderarbeitsgruppe umgesetzt werden:
1. Die Möglichkeit, Verwaltungsakte mittels eines Antrags nach § 44 SGB X rückwirkend überprüfen zu lassen, soll für den Rechtskreis des SGB II praktisch ausgeschlossen werden. Das ist ein gesetzgeberischer Freibrief für offenen Rechtsbruch durch die Jobcenter. Für Widerspruchs- und Klageverfahren soll eine Gebühr fällig werden. So reduziert man den Verwaltungsaufwand.

2. Bei Terminversäumnissen, die den überwiegenden Teil der Sanktionen ausmachen, wird die Leistung nicht mehr um 10% sondern um 30% gekürzt. Beim 3. Terminversäumnis gibt es kein Geld mehr.

3. Die Kosten der Unterkunft werden bundesweit gedeckelt, so dass sich viele ihre Wohnung nicht mehr leisten können.

4. Monatlicher Datenabgleich mit anderen Stellen bezogen auf alle Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch wenn diese nicht vom Jobcenter abhängig sind. Die Bedarfsgemeinschaft soll als Gesamtgläubiger gesamtschuldnerisch haften.

5. Die temporäre Bedarfsgemeinschaft (getrennt lebende Paare mit Kind) wird abgeschafft, wodurch Verwaltungsarbeit und Geld eingespart werden. (sb)

Bild: Gerd Altmann, Pixelio