Weniger Vorurteile gegen Hartz IV Bezieher durch Corona-Pandemie

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Zahlreiche führende Politiker von CDU und CSU fordern einen Arbeitsdienst für Hartz IV Beziehende. Was sie damit unstellen ist, dass Erwerbslose nur deshalb nicht arbeiten gehen, weil sie angeblich „zu faul“ seien. Damit werden auch Vorurteile in der Bevölkerung gesät, die zu einer gestiegenden Ablehnung von Hartz IV Betroffenen geführt hat. Die Corona-Krise hat vor allem eins gezeigt: Von Hartz IV kann jeder Mensch betroffen sein.

Eine aktuelle Umfrage zeigte nun, dass die Corona-Krise einige zum Umdenken gebracht hat. Vor allem bei denjenigen, die selbst nun erwerbslos geworden sind.

Große Angst vor Jobverlust

Den Job zu verlieren, das ist neben schweren Krankheiten eine der Hauptängste der Deutschen. Allein durch die Auswirkungen der Pandemie haben 500.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Allerdings passiert dadurch auch ein Umdenken. Immer weniger hegen Vorurteile gegen Erwerbslose, wie eine Umfragstudie des Netzwerks LinkedIn bei 2002 Teilnehmern ermittelte.

Ein Drittel der Arbeitnehmer (34 Prozent), die während der Krise ihren Job verloren haben, gibt an, die Freistellung durch den Arbeitgeber habe Ängste ausgelöst. Weitere 30 Prozent geben an, dass sie die Entlassung deprimiert habe. Unter den Befragten, die bereits vor der Krise arbeitslos wurden, sind diese Gefühle weniger stark verbreitet. Hier fühlen sich 20 Prozent vom Jobverlust verängstigt, weitere 20 Prozent deprimiert.

Mehr Verständnis für Arbeitslose

82 Prozent der Befragten stimmen der Einschätzung zu, dass mit dem Jobverlust prinzipiell ein negatives Stigma verbunden ist. Gleichzeitig sind aber auch 70 Prozent der Meinung, dass Entlassungen als Folge der Coronakrise in einem weniger schlechten Licht erscheinen – schließlich gaben hier offensichtlich externe Faktoren den Ausschlag, nicht die persönliche Leistung oder Eignung.

Auch eigene Erfahrungen mit der Arbeitslosigkeit sorgen für den Abbau von Vorurteilen: 28 Prozent der Befragten geben an, dass sie vor ihrem Jobverlust selbst auf Arbeitslose herabgeschaut haben. 53 Prozent sagen jedoch, dass sie deren Situation jetzt besser verstehen. 24 Prozent hielten Arbeitslose vorher für faul, 17 Prozent für weniger fähig und 21 Prozent für schlechter qualifiziert als andere Arbeitnehmer.

Zwei Drittel verschweigen den Jobverlust

Wohl auch aufgrund solcher Vorurteile haben viele Befragte in der Vergangenheit bereits die Unwahrheit über ihren aktuellen Jobstatus gesagt. 63 Prozent der Befragten geben an, schon mal gelogen zu haben, um ihre Arbeitslosigkeit zu verschleiern – zum Beispiel gegenüber Familie, Freunden oder möglichen zukünftigen Arbeitgeber. Die Beweggründe dafür sind vielfältig: Für 38 Prozent der Arbeitnehmer, die schon mal gelogen haben, lag der Beweggrund darin, dass ihnen der Jobverlust peinlich war. 37 Prozent geben an, sich geschämt zu haben.

Ein Viertel (25 Prozent) hat laut eigener Auskunft jedoch aus rein taktischen Gründen gelogen: Sie wollten auf diese Weise vermeiden, ihre Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz zu beeinträchtigen. Denn trotz des schwindenden Stigmas glaubt mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent), aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit bei Bewerbungen einen Nachteil zu haben. Viele fürchten wohl, dass ihr aktueller Jobstatus bei potenziellen neuen Arbeitgebern einen schlechten Eindruck erwecken könnte. Auch Lücken im Lebenslauf halten knapp drei Viertel der Befragten deshalb für ein Problem: 74 Prozent sagen, dass es für sie wichtig ist, keine Lücke im Lebenslauf zu haben.

Bei der Jobsuche hilft das persönliche Netzwerk

Positiv ist, dass die Betroffenen in der Krise offenbar wesentlich mehr Unterstützung und Rückhalt von ihrem persönlichen Netzwerk erfahren als in den Zeiten zuvor. 39 Prozent der Befragten, die während der Pandemie ihren Job verloren haben, werden bei der Jobsuche von ihren Freunden unterstützt. Menschen, die bereits vor der Krise arbeitslos wurden, berichten nur etwas mehr als halb so oft (21 Prozent) von diesem Rückhalt aus dem Freundeskreis. Auch von Familie (35 vs. 20 Prozent) und früheren Kollegen (16 vs. 9 Prozent) erhalten Betroffene in der aktuellen Situation wesentlich mehr Unterstützung.

Sorge und Stress wegen Jobsuche

Dennoch gestaltet sich die Jobsuche in Krisenzeiten nicht ganz einfach. 22 Prozent der Befragten sind gestresst und besorgt, keinen neuen Job zu finden. 17 Prozent sind frustriert, weil sie bereits mit Absagen konfrontiert wurden. 16 Prozent finden in ihrem Fachgebiet schlicht keine Stellenangebote und sind deshalb ratlos, wie es in Zukunft weitergehen soll. Lediglich 15 Prozent sind positiver Dinge und freuen sich über die neuen Möglichkeiten, die sich bei der Jobsuche auftun.

„Wenn Arbeitnehmende aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise ihren Job verlieren, dann kommt zur globalen Krise oft noch eine persönliche hinzu“, sagt Barbara Wittmann, Managerin bei LinkedIn. „Auf unserer Plattform berichten viele Mitgliederinnen und Mitglieder von den Herausforderungen und Sorgen, die mit dem Jobverlust verbunden sind. Gleichzeitig erleben wir eine enorme Welle an Empathie und Unterstützungsbereitschaft in der Community. Während früher leider oft auf Arbeitssuchende herabgeschaut wurde, sind heute immer mehr Mitmenschen bereit, sie aktiv zu unterstützen.“