Bürgergeld: Zurück zu Hartz IV- Die Rückkehr der Ein-Euro-Jobs

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Mit blumigen Worten kündigt die Bundesregierung an, anstelle des relativ humaneren Bürgergeldes wieder zur Hartz IV Keule zu greifen: “Seit Jahren werden die sozialen Transferleistungen kontinuierlich weiterentwickelt. Um die Akzeptanz der Leistungen zu erhalten und um mehr Betroffene in Arbeit zu bringen, ist es erforderlich, das Prinzip der Gegenleistung wieder zu stärken.”

Rückkehr zu den Ein-Euro-Jobs

Auch ein besonders perfides Werkzeug der Hartz-IV Praxis soll wieder in den Vordergrund rücken – die sogenannten Ein-Euro-Jobs. Diese wurden zwar nie abgeschafft, es gibt sie aber inzwischen erheblich weniger.

Aus gutem Grund. Der Deutsche Gewerkschaftsbund klärt auf: “Die Zahl der sogenannten Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung ist allerdings in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen – im Vergleich mit dem Jahr 2006 auf rund 1/6. Mit einem weiteren Rückgang ist zu rechnen. Andere Instrumente haben sich als sinnvoller erwiesen, um den Schritt zurück ins Berufsleben zu erleichtern.”

“Ein-Euro-Jobs für Totalverweigerer”

Im Papier zur Wachstumsinitiative führt das Bundesfinanzministerium unter 24 e aus: “Das Instrument der Arbeitsgelegenheiten nach § 16 d SGB II soll eine Brücke
in den regulären Arbeitsmarkt darstellen. Dies ist insbesondere für Personen
von besonderer Bedeutung, die sich Maßnahmen immer wieder verweigern
(Totalverweigerer).”

Wer als “Totalverweigerer” definiert ist, soll also in Ein-Euro-Jobs gepresst werden: “Bei dieser Personengruppe kann der schrittweise Einstieg in den Arbeitsmarkt befördert werden. Ein-Euro-Jobs werden wir verstärkt für diese Personengruppe nutzen.”

Ein-Euro-Jobs statt regulärer bezahlter Arbeit

Schon früh wurde bei Hartz-IV klar, dass die Ein-Euro-Jobs keine “Brücke in den regulären Arbeitsmarkt” darstellten, sondern in der Praxis das exakte Gegenteil waren. Reguläre bezahlte Arbeit wurde durch nahezu unbezahlte Arbeit ohne Arbeitsrechte ersetzt.

Kommunen sparten die Kosten für Gärtner, Behörden für Hausmeister. In Pflege, kommunaler Wirtschaft und Sozialeinrichtungen wurden Ein-Euro-Jobber zur Arbeit gezwungen – und so das Geld für bezahlte Fach- und Hilfskräfte gespart.

Das bedeutete nicht nur Ausbeutung der Hartz-IV-Empfänger, es förderte auch die Erwerbslosigkeit und bedrohte die regulär Beschäftigten. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver:di klärte bereits 2008 auf: “Laut Bundesrechnungshof bringen für drei von vier geförderten Hartz IV-Empfängern die Ein-Euro-Jobs „keine messbaren Integrationsfortschritte“.

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Abzocke statt Arbeitsförderung

Ver:di warf einen Blick in ein neues System der Ausbeutung und Entrechtung: “In zwei Dritteln dieser „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ seien die Fördervoraussetzungen nicht erfüllt. Meistens handele es sich bei den geförderten Tätigkeiten um reguläre Aufgaben der öffentlichen Hand. Mit den Ein-Euro-Jobs würden reguläre Arbeitskräfte eingespart oder ein haushaltsbedingter Personalmangel ausgeglichen.”

Rechtswidrigkeit als gängige Praxis

Wolfgang Rose von Ver:di informierte 2008: „Es häufen sich die Beispiele, dass die Qualität der Dienstleistungen mit der Zunahme von 1-Euro-Beschäftigten sinkt, in der Pflege, in Sozialeinrichtungen, in kommunalen Wirtschaftsbetrieben. Viele Stellen verstoßen gegen die gesetzlichen Anforderungen: Die Arbeitslosen werden für Tätigkeiten eingesetzt, die nicht im öffentlichen Interesse sind, nicht zusätzlich oder nicht wettbewerbsneutral. Für die Arbeitslosen bringt der 1-Euro-Job keine Aufstiegschancen.”

Wie sind Ein-Euro-Jobs definiert?

Ein-Euro-Jobs sind besondere Beschäftigungsverhältnisse ohne Arbeitsvertrag. Damit haben die Betroffenen auch nicht die mit diesem Vertrag verbundenen Arbeitsrechte, keine Ansprüche in der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Statt dem gesetzlichen Mindestlohn gibt es eine “Aufwandsentschädigung” von rund zwei bis drei Euro pro Stunde.

Zusätzliche Arbeiten

Ein-Euro-Jobs müssen per Gesetz zusätzliche Arbeiten sein, die ansonsten nicht durch regulär Beschäftigte erledigt würden. Dies ist folgendermaßen definiert: „Arbeiten sind zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden. (…) Ausgenommen sind Arbeiten zur Bewältigung von Naturkatastrophen und sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen.“

Zum Beispiel gelten Arbeiten nicht als zusätzlich, wenn sie in der Pflege durch den Pflegesatz für die Einrichtung abgedeckt werden, oder zur Verkehrssicherungspflicht gehören wie zum Beispiel Schneeräumen. Auch laufende Arbeiten zur Instandhaltung und Unterhalt, die sich nicht aufheben lassen, gelten nicht als zusätzlich.

Handelt es sich belegbar nicht um zusätzliche Tätigkeiten, dann kann -laut dem Bundessozialgericht- den vom Jobcenter eingesetzten Ein-Euro-Jobbern der ortsübliche Lohn für die Tätigkeit zustehen.

Widerspruch einlegen

Betroffene können Widerspruch gegen den Zuweisungsbescheid für einen Ein-Euro-Job einlegen und darin begründen, dass sie diesen nicht für zweckdienlich halten. Wenn die Jobcenter in Zukunft wieder vermehrt vom Instrument der Ein-Euro-Jobs Gebrauch machen sollten, dann wird es vermutlich Klagen vor den Sozialgerichten hageln.

Seit vielen Jahren ist nämlich bekannt, dass der Einsatz von Ein-Euro-Jobbern in hohem Ausmaß zu Rechtsbrüchen führt – auf Arbeits- und Sozialrecht spezialisierte Anwälte kennen diese miese Abzocke und wissen, was zu tun ist.