Bürgergeld, Wohngeld, Kinderzuschlag: Jeder 3. stellt keinen Antrag – Das sind die Gründe

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Bürgergeld, Sozialhilfe, Wohngeld Plus, Kinderzuschlag: Das Sozialleistungssystem in Deutschland ist kompliziert. Viele Menschen scheuen sich, Sozialleistungen zu beantragen. Etwa jeder dritte Anspruchsberechtigte in Deutschland stellt keinen Antrag. Die Gründe dafür sind vielfältig: Komplizierte Anträge, zu wenig Informationen und Angst vor Abwertung und Ausgrenzung sind die Hauptgründe.

Die Krise führt dazu, dass immer mehr Menschen mit geringem Einkommen die steigenden Kosten nicht mehr tragen können. Geringverdiener, Alleinerziehende und Rentner geraten zunehmend in finanzielle Not. Dennoch werden ihnen zustehende Sozialleistungen nicht in Anspruch genommen.

Jeder dritte Anspruchsberechtigte stellen keinen Antrag

Nach Auswertungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nimmt nur jeder dritte Anspruchsberechtigte die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Anspruch. Experten des Sozialverbands VdK vermuten in diesem Zusammenhang, dass “die Zahl der Antragsteller beim Wohngeld ähnlich niedrig ist”.

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Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums nehmen nur rund 30 Prozent der berechtigten Familien den Kinderzuschlag in Anspruch. Noch seltener werden die Leistungen für Bildung und Teilhabe von Familien in Anspruch genommen: Nur 15 Prozent der Berechtigten stellen einen Antrag.

Der Sozialverband macht dafür vor allem die bürokratischen Hürden verantwortlich. “Die Formulare sind oft kompliziert und schwer verständlich. Hinzu kommt, dass viele Nachweise erbracht werden müssen, die zum Teil aufwändig zu beschaffen sind”, so der VdK.

Auch die Digitalisierung baut die Hürden nicht ab. Der Antrag muss online ausgefüllt werden, aber viele einkommensschwache Haushalte haben keinen Computer oder können ihn nicht bedienen.

Zu wenige Informationen über Ansprüche

Eine zweite Hürde sind Informationsdefizite. Viele Menschen wissen nicht, dass sie einen Anspruch auf aufstockendes Bürgergeld haben, dass sie Wohngeld beantragen können oder dass sie Anspruch auf Kinderzuschlag haben. Hinzu kommt, dass der Kinderzuschlag bei Alleinerziehenden mit Unterhalt oder Unterhaltsvorschuss verrechnet wird, so dass oft kein Anspruch besteht.

Einige Sozialleistungen sind zu gering, um aufwändige Anträge zu stellen. Dies ist häufig beim Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder und Jugendliche der Fall.

“Der monatliche Zuschuss für den Sportverein oder die Musikschule beträgt nur 15 Euro, den Rest müssen die Eltern selbst tragen”, berichtet der Sozialverband. Viele Kinder würden sich auch schämen, wenn sie dem Verein regelmäßig einen Antrag zum Ausfüllen vorlegen müssen.

Betroffene haben Angst vor Antragstellung

Ähnlich sieht es bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aus. Die Betroffenen füllen die Anträge nicht aus, weil sie sich einer umfangreichen Vermögens-, Einkommens- und Wohnkostenprüfung unterziehen müssen. Gerade ältere Menschen schämen sich, als “Bittsteller” behandelt zu werden. Viele hätten Angst, als Konsequenz ihre Wohnung und damit ihr vertrautes Umfeld verlassen zu müssen.

“In vielen Debatten – unter anderem auch um das Bürgergeld – wurde und wird Betroffenen immer wieder unterstellt, auf Kosten des Staates zu leben und nicht arbeiten zu wollen”, mahnt der Verband. Viele Menschen wollen deshalb nicht ins Fadenkreuz von Diskriminierung geraten.

Hürden sollen abgebaut werden

Der VdK fordert daher, die zum Teil hohen Hürden bei der Beantragung von Leistungen abzubauen. Der Sozialverband schlägt deshalb vor, “mehr Leistungen automatisiert auszuzahlen und die Bewilligungszeiträume zu verlängern, insbesondere für ältere Menschen, deren Einkommenssituation sich nicht mehr ändern wird”.

Eine weitere Möglichkeit sei, die Nachweispflichten zu reduzieren. Die Behörden seien ohnehin vernetzt und könnten sich die notwendigen Bescheide und Unterlagen gegenseitig zusenden. “Insgesamt müssen die Kontrollen entschärft und die Leistungen bürgerfreundlicher werden.” Neben der Digitalisierung der Antragstellung seien persönliche Ansprechpartner wichtig, die den Antragstellern mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Sozialleistungen sind keine Almosen

Außerdem müsse deutlich gemacht werden, dass Sozialleistungen keine “Almosen” seien, sondern Rechtsansprüche, auf die die Menschen einen Anspruch haben.

„Ein moderner Sozialstaat sollte den Menschen den Weg zu ihrem Recht einfach und unbürokratisch ermöglichen. Hierfür ist die Vernetzung der Finanzbehörden mit den Sozialleistungsträgern entscheidend, um beispielsweise die Kinder am meisten zu unterstützen, deren Eltern wenig Geld haben. So könnte zielgenau und unbürokratisch geholfen werden”, fordert die VdK-Präsidentin Verena Bentele.

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