Die Digitalisierung hat auch das Bürgergeld erreicht. Mit der neuen Jobcenter-App, auch Bürgergeld-App genannt, soll ein weiterer Schritt in Richtung digitaler Verwaltung unternommen werden.
Doch was bedeutet das für Leistungsbeziehende? Ist die Nutzung der App verpflichtend, und welche Vor- und Nachteile bringt sie mit sich?
Was ist die Jobcenter-Handy-App?
Die Jobcenter-Handy-App ist Teil einer umfassenden Digitalisierungsstrategie, die auf EU-Richtlinien basiert. Ziel ist es, einen europaweiten digitalen Zugang zu Verwaltungsverfahren zu schaffen und diese online abzuwickeln. Die App soll Bürgergeldanträge erleichtern und bietet Funktionen wie:
- Antragstellung und Folgeanträge
- Terminvereinbarungen
- Jobvermittlung
- Online- und Videoberatungen
Darüber hinaus wird der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Bearbeitung von Anträgen erprobt, um Bearbeitungszeiten in den Jobcentern deutlich zu verkürzen.
Ist die Nutzung der App für Bürgergeld-Bezieher verpflichtend?
Die häufiger Frage, die uns viele Leser in letzter Zeit stellen, lautet: Muss ich die Jobcenter-Handy-App nutzen? Wir wollen einmal kurz und bündig antworten:
- Keine Verpflichtung zu digitalen Endgeräten: Niemand kann verpflichtet werden, ein Smartphone oder andere digitale Endgeräte zu besitzen.
- Alternative Kommunikationswege: Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass analoge Kommunikationswege weiterhin zur Verfügung stehen, z. B. durch postalische Zustellung von Mitteilungen.
- Keine rechtliche Grundlage für Zwang: Bislang gibt es keine gesetzliche Verpflichtung zur Nutzung der App. Jeglicher Druck seitens des Jobcenters, die App zu verwenden, wäre unrechtmäßig.
Warum gibt es Kritik an der App?
Trotz der scheinbaren Vorteile wie niedrigschwellige Zugänge und verkürzte Bearbeitungszeiten gibt es berechtigte Bedenken:
Zum Beispiel sind rechtlich verwertbare Eingangsbestätigungen ein Problem. Viele Nutzer berichten, dass die digitale „Bestätigung“ keinen rechtlichen Wert hat, was in Konfliktfällen mit der Behörde später vor Gericht problematisch sein kann.
Da das System von der Bundesagentur für Arbeit betrieben wird, besteht das Risiko, dass Unterlagen verloren gehen – ein bekanntes Problem in der analogen wie auch digitalen Verwaltung der Jobcenter.
Bei Internetausfällen oder Abschaltungen des Internetzugangs ist der Zugang zur App blockiert. Dies könnte dazu führen, dass wichtige Mitteilungen oder Termine verpasst werden.
Die Daten sollen laut der Digitalisierungsstrategie auch Kooperationspartnern zur Verfügung gestellt werden. Unklar bleibt, wer diese Partner sind und wie die Daten genutzt werden. Hier haben wir der Bundesagentur für Arbeit einen Fragenkatalog geschickt, der bislang unbeantwortet blieb.
Durch den Zugriff auf die App werden zudem Daten wie IP-Adressen gespeichert. Dies ermöglicht theoretisch die Standortbestimmung des Nutzers, was datenschutzrechtlich bedenklich ist.
Viele Nutzer berichten auch, dass das Löschen des Jobcenter-Digital-Kontos unnötig kompliziert ist oder gar nicht möglich ist. Diese Intransparenz führt zu weiterem Misstrauen.
Weniger menschliche Jobcenter-Mitarbeiter notwendig
Ein weiterer Aspekt ist die potenzielle Auswirkung auf die Beschäftigten in den Jobcentern. Durch den Einsatz von KI und digitalen Assistenten könnte der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft sinken. Einige Prognosen sprechen davon, dass bis 2030 bis zu drei Millionen Arbeitsplätze in Deutschland durch KI ersetzt werden könnten.
Ist die Bürgergeld-App ein Fortschritt oder ein Problem?
Die Jobcenter-Handy-App ist zweifellos ein Schritt in Richtung digitaler Verwaltung. Doch der Nutzen steht für viele Nutzer in keinem Verhältnis zu den potenziellen Risiken.
Während die App für technikaffine Menschen Vorteile bieten mag, bleiben Datenschutzprobleme, fehlende rechtliche Absicherung und die Schwierigkeit, analoge Alternativen aufrechtzuerhalten, große Herausforderungen.
Wer sich gegen die Nutzung der App entscheidet, sollte auf analoge Kommunikationswege bestehen und sicherstellen, dass keine ungewollte Online-Kommunikation aktiviert ist. Die Jobcenter dürfen derzeit nicht zur Nutzung der “Bürgergeld-App” verpflichten. Tun sie es dennoch, sollte umgehend ein Widerspruch eingelegt werden.
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