Bürgergeld trotz Elterngeld: Gericht erlaubt Kombination

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Eltern, die wegen der Betreuung ihres Kindes in Elternzeit gehen und deshalb auf Bürgergeld angewiesen sind, verhalten sich nicht automatisch rechtswidrig. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Hessen in einem aktuellen Urteil entschieden (Az: L 6 AS 111/23). Der Bezug von Bürgergeld zusätzlich zum Elterngeld ist demnach legitim, wenn der Anspruch auf Hilfsleistungen durch die Elternzeit entsteht – und nicht durch Missbrauchsvorsatz.

Was das Urteil für Familien bedeutet

Für Eltern bedeutet dieses Urteil rechtliche Klarheit: Wer wegen der Kinderbetreuung temporär auf Bürgergeld angewiesen ist, kann dies ohne Angst vor Rückforderungen tun – solange die Elternzeit tatsächlich zur Betreuung des Kindes genutzt wird. Das schützt insbesondere Familien mit geringem Einkommen vor finanzieller Unsicherheit in einer ohnehin sensiblen Lebensphase.

Der konkrete Fall: Vater in Elternzeit beantragt Bürgergeld

Der Entscheidung des Gerichts liegt ein Fall aus Hessen zugrunde. Ein Vater von drei Kindern nahm nach der Geburt seines dritten Kindes Elternzeit. Da das staatliche Elterngeld nicht ausreichte, um seinen bisherigen Verdienst von rund 1.540 Euro netto zu ersetzen, beantragte er zusätzlich Bürgergeld.

Zunächst bewilligte das Jobcenter die Leistung. Doch wenige Wochen später forderte die Behörde die komplette Rückzahlung. Begründung: Der Mann habe die Elternzeit nur angetreten, um Bürgergeld zu erhalten – ein mutmaßlicher Missbrauchstatbestand.

Elterngeld: Leistung mit Lücken

Das Elterngeld deckt nur 65 bis 67 Prozent des vorherigen Einkommens ab. Bei höheren Fixkosten und weiteren Kindern entsteht schnell eine Finanzierungslücke. In solchen Fällen greifen viele Eltern auf ergänzendes Bürgergeld zurück. Gesetzlich ist das möglich, solange bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

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Rechtlicher Rahmen: Wann Rückzahlungen drohen

Nach § 34 SGB II kann das Jobcenter Geld zurückfordern, wenn Bürgergeld-Bezieher ihre Hilfsbedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführen – und keinen “wichtigen Grund” dafür anführen können.

Die entscheidende Frage im hessischen Fall war daher: Gilt Elternzeit als ein solcher wichtiger Grund?

Gericht: Elternzeit ist ein legitimer Grund – kein Sozialmissbrauch

Die Richter des LSG stellten unmissverständlich klar: Die Inanspruchnahme von Elternzeit erfüllt die Voraussetzung eines wichtigen Grundes. Sie sei gesetzlich vorgesehen und werde durch das Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz (BEEG) ausdrücklich gefördert. Ziel sei es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern und die Beteiligung beider Elternteile an der Erziehung zu ermöglichen.

Besonders betont wurde die Gleichstellungsfunktion: Elternzeit soll Müttern wie Vätern ermöglichen, sich aktiv in die Kinderbetreuung einzubringen – ohne wirtschaftliche Benachteiligung.

Kein Freibrief: Bürgergeld gibt es nur bei echter Betreuung

Das Gericht zog jedoch auch eine Grenze: Wird Elternzeit nur vorgeschoben, um unberechtigt Sozialleistungen zu erhalten, kann dies zu Rückforderungen führen. Ein solcher Missbrauch liegt laut LSG dann vor, wenn Eltern sich nicht tatsächlich um das Kind kümmern – was das Jobcenter jedoch konkret nachweisen muss.

Im konkreten Fall fehlten derartige Hinweise. Die Familie konnte glaubhaft belegen, dass die Elternzeit zur aktiven Kinderbetreuung genutzt wurde. Der Vater musste daher nichts zurückzahlen.

Was betroffene Familien jetzt wissen sollten

Für Eltern in vergleichbaren Situationen ergeben sich aus dem Urteil folgende Erkenntnisse:

  • Elternzeit ist grundsätzlich ein triftiger Grund für vorübergehenden Bürgergeldbezug.
  • Voraussetzung ist, dass die Kinderbetreuung tatsächlich erfolgt.
  • Rückforderungen sind nur möglich, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit eindeutig nachgewiesen werden.

Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit für Eltern und stellt zugleich sicher, dass Sozialleistungen nicht missbräuchlich genutzt werden.

Politische Relevanz: Familienfreundlichkeit im Fokus

Das Urteil stärkt die sozialpolitische Zielsetzung, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. In Zeiten steigender Lebenshaltungskosten und stagnierender Reallöhne geraten besonders Familien mit mehreren Kindern schnell an finanzielle Grenzen. Dass der Staat ihnen zumindest temporär zur Seite steht, ist nicht nur rechtlich, sondern auch gesellschaftlich sinnvoll.