Jobcenter dürfen bei Zweifeln an Ihrer Erwerbsfähigkeit ärztliche Untersuchungen verlangen. Sie müssen dabei aber nicht jede Information preisgeben. Die Freigabe medizinischer Daten bleibt freiwillig – solange Sie die Mitwirkungspflicht nicht verletzen.
Inhaltsverzeichnis
Wann prüft das Jobcenter Ihre Erwerbsfähigkeit?
Besteht der Verdacht, dass Sie dauerhaft oder zeitweise nicht arbeiten können, schaltet das Jobcenter den Ärztlichen Dienst ein. Gründe dafür sind z. B.:
- mehrfache Krankschreibungen über sechs Wochen,
- verpasste Termine ohne Begründung oder
- Widersprüche bei gesundheitlichen Angaben.
Rechtsgrundlage ist § 44a SGB II. Dabei soll festgestellt werden, ob und in welchem Umfang Sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Keine Pflicht zur Offenlegung Ihrer Diagnose
Wichtig zu wissen: Sie sind nicht verpflichtet, Ihre Krankheit, Diagnosen oder medizinischen Befunde der Sachbearbeitung offenzulegen. Auch die sogenannte Schweigepflichtentbindung ist freiwillig.
Das bedeutet konkret: Nur wenn Sie zustimmen, dürfen behandelnde Ärztinnen oder Ärzte mit dem Ärztlichen Dienst Informationen austauschen. Ein kompletter Verzicht auf diese Entbindung ist rechtlich möglich – jedoch mit Folgen (siehe unten).
So funktioniert das medizinische Prüfverfahren
Das ärztliche Gutachten besteht aus zwei getrennten Teilen:
- Teil A: Einschätzung der Erwerbsfähigkeit – ohne Diagnosen. Diese Information geht an das Jobcenter.
- Teil B: Umfasst Diagnosen und vertrauliche medizinische Details. Dieser Teil bleibt beim Ärztlichen Dienst und ist nur für medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Dieses Zwei-Stufen-Modell schützt Ihre sensiblen Daten – zumindest formell. Dennoch sollten Sie bewusst entscheiden, welche Informationen Sie freigeben.
Lesen Sie auch:
- Es fehlen rund 500 Euro Bürgergeld
- Bürgergeld: Koalition will alten Hartz IV Mechanismus einführen – mit Folgen bis 2027
Was passiert, wenn Sie die Mitwirkung verweigern?
Wenn Sie sich weigern, Fragebögen auszufüllen oder an medizinischen Untersuchungen teilzunehmen, kann das Jobcenter Ihre Leistungen vorläufig einstellen. Die Rechtsgrundlagen dafür finden sich in §§ 60 und 66 SGB I.
Allerdings gilt: Ihre ärztliche Schweigepflicht dürfen Sie ohne Sanktionen wahren. Sanktionen entstehen nur dann, wenn Sie aktiv erforderliche Mitwirkungshandlungen unterlassen, z. B. eine zumutbare Untersuchung verweigern.
Sobald Sie mitwirken, wird die Zahlung wieder aufgenommen. Eine dauerhafte Leistungskürzung ist in solchen Fällen ausgeschlossen.
Was Sie konkret tun müssen – und was nicht
Folgende Pflichten bestehen:
- Krankmeldungen: Spätestens am dritten Krankheitstag muss ein Attest beim Jobcenter vorliegen (§ 56 SGB II).
- Teilnahme an Untersuchungen: Wenn der Ärztliche Dienst eine Untersuchung verlangt und diese für die Leistungsfeststellung nötig ist, müssen Sie teilnehmen (§ 62 SGB I).
- Gesundheitsfragebogen: Das Ausfüllen ist freiwillig. Der Bogen geht ausschließlich an den Ärztlichen Dienst, nicht ans Jobcenter.
Tipp: Auch bei Freiwilligkeit kann der Gesundheitsfragebogen helfen, Ihre Situation objektiv darzustellen – sofern Sie den Inhalt kontrollieren.
So sichern Sie sich ab – beim Thema Schweigepflicht
Sie möchten die Schweigepflichtentbindung begrenzen? Dann beachten Sie:
- Einschränkung nach Arzt oder Thema: Sie können klar festlegen, welche Ärzte zu welchem Zweck Auskünfte geben dürfen.
- Frist setzen: Begrenzen Sie die Gültigkeit, etwa „bis zum Abschluss der Begutachtung“.
- Akteneinsicht einfordern: Nach § 25 SGB X haben Sie Anspruch auf Einsicht in alle Unterlagen – auch in Teil B.
Diese Maßnahmen helfen, Kontrolle über Ihre Gesundheitsdaten zu behalten.
So wird Ihre Privatsphäre geschützt – zumindest theoretisch
Gesundheitsinformationen werden beim Ärztlichen Dienst separat von der Leistungsakte gespeichert. Der Zugriff ist ausschließlich medizinischem Fachpersonal vorbehalten (§§ 67–76 SGB X).
Diagnosen oder Details zu Behandlungen dürfen nicht an Sachbearbeiter weitergegeben werden. Diese Trennung dient dem Datenschutz – in der Praxis kommt es jedoch zu Fehlern. Fordern Sie deshalb regelmäßig Akteneinsicht, um ungewollte Weitergaben zu erkennen.
Wann drohen Leistungskürzungen?
Es gibt verschiedene Gründe, aus denen das Jobcenter das Bürgergeld kürzen oder vorübergehend einstellen kann. Eine häufige Ursache ist eine sogenannte Pflichtverletzung – etwa, wenn ein zumutbares Jobangebot ohne triftigen Grund abgelehnt wird. In solchen Fällen kann der Regelbedarf um bis zu 30 Prozent gemindert werden, wie § 31 SGB II vorsieht.
Auch die Verweigerung zur Mitwirkung, zum Beispiel das Ausbleiben bei einer angeordneten ärztlichen Untersuchung, kann Folgen haben: In diesem Fall darf das Jobcenter die Leistungen vorübergehend vollständig einstellen (§ 66 SGB I). Die Auszahlung wird erst wieder aufgenommen, wenn die versäumte Mitwirkung nachgeholt wird.
Eine dauerhafte oder weitergehende Kürzung ist jedoch nicht zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 2019 entschieden, dass Abzüge über 30 Prozent hinaus gegen die Verfassung verstoßen. Für Betroffene bedeutet das: Selbst bei wiederholten Verstößen darf das Jobcenter die Leistungen nur bis zu dieser Grenze kürzen.
Im Ernstfall: So wahren Sie Ihre Rechte
Folgende Schritte helfen, wenn das Jobcenter Leistungen streicht oder Maßnahmen fordert:
- Anhörung prüfen: Bei jeder Versagung muss ein Anhörungsschreiben beiliegen (§ 66 Abs. 3 SGB I). Fehlt dieses, können Sie sofort Widerspruch einlegen.
- Diagnosen schützen: Bestehen Sie darauf, dass medizinische Details nicht an die Sachbearbeitung gehen.
- Unterlagen anfordern: Fordern Sie Abschriften Ihrer Gutachten direkt beim Ärztlichen Dienst (§ 25 SGB X).
Diese Maßnahmen stärken Ihre Rechtsposition im Verfahren.