Die Bundesregierung hat Details über den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in Jobcentern veröffentlicht. In einer kürzlich veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird die generelle Unterstützung der Technik “zur Optimierung von Prozessen in der Arbeits- und Sozialverwaltung” bestätigt.
Inhaltsverzeichnis
Warum setzt die Bundesregierung auf KI in Jobcentern?
Angesichts des demografischen Wandels und drohender Personalengpässe sieht die Bundesregierung in KI einen “wesentlichen Hebel”, um Mitarbeiter von Routinetätigkeiten zu entlasten.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht Automatisierungspotenziale und nutzt KI-gestützte Prozesse, um “effizienter zu arbeiten”. Doch während Effizienzsteigerungen wünschenswert sind, stellt sich die Frage, ob dabei die Qualität der Jobcenter und der Schutz sensibler Daten gewährleistet bleiben.
“Adest” – ein Fortschritt?
Das Projekt “Adest” soll Stellenbeschreibungstexte in Stellenangebote übertragen. Mithilfe eines algorithmischen Entscheidungssystems werden Daten aus unstrukturierten Formaten wie E-Mails oder PDFs extrahiert und automatisiert in das Vermittlungs-, Beratungs- und Informationssystem (VerBIS) der BA überführt.
Zwar erhalten Mitarbeiter dadurch vorausgefüllte Stellenangebote und können sich auf die inhaltliche Gestaltung konzentrieren, doch entsteht hier die Gefahr, dass maschinell erstellte Vorschläge ungeprüft übernommen werden. Fehlerhafte oder missverständliche Informationen könnten so in den Vermittlungsprozess gelangen.
Zudem stellt sich die Frage, ob die Automatisierung tatsächlich zu besserer Arbeitsqualität führt oder lediglich den Druck auf Mitarbeiter erhöht, mehr in kürzerer Zeit zu leisten.
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Maschinenlernen bei Online-Anträgen: Effizienz auf Kosten der Genauigkeit?
Die Anwendung von maschinellem Lernen bei Online-Anträgen zum Einstiegsgeld nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II) soll Mitarbeiter entlasten, indem Inhalte aus Arbeitsverträgen extrahiert und Dokumente klassifiziert werden. Eine detaillierte Sichtung aller Unterlagen wird dadurch überflüssig.
Doch gerade in der Sozialverwaltung sind individuelle Lebenssituationen der Leistungsbeziehenden und spezifische Details entscheidend.
Kann eine KI diese menschlichen Nuancen erfassen? Besteht nicht die Gefahr, dass durch automatisierte Prozesse wichtige Informationen übersehen werden und Anträge ungerechtfertigt abgelehnt oder genehmigt werden?
KI gegen Betrugsversuche: Wie zuverlässig ist die Technik?
Die BA nutzt KI, um jährlich rund 150.000 Studienbescheinigungen für Kindergeldbewilligungen zu prüfen und Betrugsversuche zu erkennen.
Während dies Effizienzgewinne verspricht, bleibt die Frage nach der Zuverlässigkeit solcher Systeme. Falsch-positive Ergebnisse könnten dazu führen, dass berechtigte Ansprüche verweigert werden, während Falsch-negative Betrugsfälle übersehen. Zudem wirft der Einsatz von KI in diesem Bereich datenschutzrechtliche Fragen auf.
Können Voice-Bots den persönlichen Kontakt ersetzen?
Ein Voice-Bot befindet sich in der Erprobung, der telefonische Anliegen der Bürger selbst lösen soll. Obwohl dies die Mitarbeiter in den Service-Centern entlasten könnte, stellt sich die Frage nach der Qualität der Beratung. Komplexe Anliegen und persönliche Schicksale lassen sich jedoch oft nicht in standardisierten Gesprächen klären.
Bürgergeld-Berechtigte könnten sich durch automatisierte Systeme abgewiesen werden, obwohl grundsätzlich ein Anspruch besteht.
KI-basierte Spracherkennung in Fachdiensten: Gefahr der Entmenschlichung?
Die automatische Erstellung von Gutachten und Stellungnahmen durch KI-basierte Spracherkennung soll Fachkräfte entlasten.
Doch in Bereichen wie dem Ärztlichen Dienst und dem Berufspsychologischen Service sind individuelle Einschätzungen und menschliches Urteilsvermögen enorm wichtig.
Kann eine KI die komplexen Zusammenhänge und individuellen Bedürfnisse der Klienten angemessen berücksichtigen? Es besteht die Gefahr, dass standardisierte Dokumente die persönliche Betreuung ersetzen und die Qualität der Vermittlung leidet.
40 Prozent weniger Sachbearbeiter in den Jobcentern
BA-Chefin Andrea Nahles sagt, dass “in den kommenden zehn Jahren rund 40 Prozent der Mitarbeiter die Behörde verlassen werden” und Digitalisierung notwendig sei, um die Qualität der Jobcenter zu erhalten.
Doch der Druck, mit weniger Personal mehr zu leisten, könnte zu Überlastung und Stress bei den verbleibenden Mitarbeitern führen. Zudem könnten Arbeitsplätze durch Automatisierung gefährdet sein, was soziale Spannungen innerhalb der Behörde verursachen könnte.
Datenschutz und Ethik: Werden die Risiken ausreichend berücksichtigt?
Der Einsatz von KI in sensiblen Bereichen wie der Arbeits- und Sozialverwaltung wirft erhebliche Datenschutz- und Ethikfragen auf. Wie werden die sensiblen Daten der Bürger geschützt?
Sind die KI-Systeme transparent und nachvollziehbar? Es besteht das Risiko, dass intransparente Algorithmen Entscheidungen treffen, die für Betroffene nicht nachvollziehbar sind. Z
udem könnten unbewusste Biases in den Daten zu diskriminierenden Entscheidungen führen.
Notwendige Innovation oder vorschneller Technologieeinsatz?
Der Einsatz von KI in Jobcentern bietet zweifellos Potenziale für Effizienzsteigerungen und Entlastung der Jobcenter-Mitarbeiter.
Die Risiken und Herausforderungen dürfen nicht unterschätzt werden. Es bedarf eines sorgfältigen Abwägens zwischen technologischem Fortschritt und dem Schutz der Interessen von Leistungsberechtigten.
Transparenz, Datenschutz und ethische Überlegungen müssen gewahrt werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Digitalisierung in der Arbeits- und Sozialverwaltung nicht zu Lasten der Menschen geht, die auf Sozialleistungen angewiesen sind.
“Es benötigt, klare Richtlinien und Kontrollmechanismen, um den verantwortungsvollen Einsatz von KI sicherzustellen”, sagt Dr. Utz Anhalt, Sozialrechtsexperte bei Gegen-Hartz.de. Es bleibt abzuwarten, ob sie dieser Verantwortung gerecht werden und wie sich der Einsatz von KI langfristig auf die Arbeitswelt und die Gesellschaft auswirken wird, so Anhalt weiter.
Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.