Bürgergeld: Jobcenter meldet sich nicht zurück – So kann man sich wehren

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Wir erhalten bei gegen-hartz immer wieder Hilferufe von Leistungsberechtigten, die ewig auf Zahlungen des Jobcenters warten oder keine Antwort auf Anträge bei der Behörde bekommen. Die zuständigen Sachbearbeiter sind nicht erreichbar, und die Menschen, bei denen es um das Existenzminimum geht, wissen nicht, wie sie sich etwas zu essen kaufen können.

Kontakt zum Jobcenter ist unmöglich

Einen solchen Fall schildert die Offenbach-Post aus dem Jobcenter Hanau. Eine Betroffene wandte sich an die Zeitung. Da ihr Gehalt als Altenpflegerin nicht für Strom und Telefon reicht, bekommt sie gewöhnlich aufstockend Bürgergeld wenige Tage, nachdem sie dem Jobcenter ihre monatliche Abrechnung einreicht.

Derzeit wartet sie seit fast zwei Monaten auf ihre Zahlungen, und ein Kontakt zum Sachbearbeiter ist nicht möglich, weder per Telefon noch per E-Mail.

Kein Geld vom Jobcenter, und niemand sagt warum

Im Oktober und November blieb das Geld vom Jobcenter aus, ohne dass sie den Grund dafür kennt. Mehrere Dutzend Mal pro Tag ruft sie bei ihrem Sachbearbeiter an und schreibt diesem E-Mails. Doch er reagiert nicht, ein persönliches Gespräch ist nur mit Termin möglich, und das laut dem Onlineportal der Behörde frühestens ab Januar 2025.

Die Betroffene sieht sich gezwungen, Schulden zu machen, was sie stark belastet. Ihre erwachsenen Söhne tragen zwar einen Teil der Kosten bei, stehen jedoch selbst finanziell unter Druck. Dabei fühlt sie sich unbehaglich, ihre Kinder um Unterstützung bitten zu müssen.

Weitere Fälle im Jobcenter Hanau bekannt

Ihre Geschichte ist beim Jobcenter Hanau kein Einzelfall. So musste die alleinerziehende Mutter eines 20 Monate alten Mädchens wochenlang auf ihren Weiterbewilligungsantrag warten und erhielt keine Antwort auf ihre Mails. Auch Telefonanrufe blieben ohne Erfolg.

Nach langem Warten kam jetzt der Bescheid zu diesem Antrag, andere offene Fragen bleiben aber nach wie vor ungeklärt, weil das Jobcenter keinen Kontakt zulässt.

E-Mail, Briefe und Anrufe werden ignoriert

Die Offenbach-Post sah sich die Google-Rezensionen zum Jobcenter Hanau an und fand etliche ähnliche Fälle. Das Jobcenter bekommt insgesamt nur 1,6 von 5 Sternen.

Die Zeitung zitiert eine solche Beschwerde: „Es geht absolut keiner an die Telefone oder geschweige denn man bekommt eine Antwort auf eine E-Mail. Diese Menschen sind unmöglich zu erreichen.“

Ein anderer Betroffener bestätigt diese Aussage: „E-Mails, Briefe oder Anrufe werden einfach ignoriert. Selbst ein Schreiben vom Anwalt für Sozialrecht brachte bisher keinen Erfolg.“

Ein weiterer fügt hinzu: „Man bekommt einfach keine Antworten, weder per Telefon noch per E-Mail und per Kontaktformular auch nicht. Ich warte seit zwei Monaten auf Geld.“

Überforderung durch zu wenig Mitarbeiter

Die eingangs erwähnte Altenpflegerin erreichte schließlich zwar nicht ihren Sachbearbeiter, allerdings eine andere Mitarbeiterin. Die sagte ihr sinngemäß, laut Offenbach-Post: „Wir haben keine Leute, es geht alles drunter und drüber. Sie sind nicht die Einzige, da müssen Sie eben Geduld haben.“

Jobcenter behauptet, die Ausnahme sei die Regel

Das Jobcenter behauptet, es gebe „einzelne Zeitfenster“, in denen die Sachbearbeiter „sich auf die Bildschirmarbeit fokussieren“. Allgemein seien sie jedoch erreichbar.

Diverse Aussagen von Betroffenen zeigen aber das exakte Gegenteil. Allgemein sind die zuständigen Sachbearbeiter nicht erreichbar, und nur nach Wochen und in Ausnahmen gelingt Leistungsberechtigten der Kontakt zu (irgend-) einer nicht zuständigen Beschäftigten, die nicht hilft, sondern den Wartenden sagt, dass sie weiter warten müssen.

Personalmangel und unzureichende Qualifikation

Deutlich wird, was die Politik verschweigt. Jobcenter haben einen enormen Mangel an Personal. Die Mitarbeiter müssen immer mehr und wiederholt neue Aufgaben übernehmen, für die sie erstens zu wenige sind und für die ihnen zweitens die Qualifikation fehlt.

Basisaufgaben können nicht umgesetzt werden

Die Verhältnisse im Jobcenter Hanau zeigen, dass die Behörde nicht einmal die elementaren Aufgaben zeitnah erledigt: Anträge auf Leistungen zu bearbeiten. Damit kann der nächste Schritt überhaupt nicht erfolgen, nämlich Bürgergeld-Bezieher in Erwerbsarbeit zu vermitteln.

Die Politik gibt den Opfern die Schuld an der Misere

Während Leistungsberechtigte warten müssen und in Not geraten, weil die Bürokratie unerreichbar bleibt, schieben Politik und Medien die Verantwortung für die Missstände auf die Bürgergeld-Empfänger. Dabei werden sie fälschlicherweise zu Schuldigen gemacht, obwohl sie in Wirklichkeit die Leidtragenden sind.

Jobcenter müssen sich an Fristen halten

Leistungsberechtigte sind nicht wehrlos, wenn die Ignoranz der Behörde sie in derlei Notlagen bringt. Wenn Sie Bürgergeld beantragen oder einen Widerspruch einlegen, ist das Jobcenter an konkrete Fristen gebunden. Bei einem Bürgergeld-Antrag hat das Amt sechs Monate Zeit, ihn zu bearbeiten, bei einem Widerspruch sind es drei.

Untätigkeitsklage bei Frist-Versäumnis

Reagiert die Behörde nicht innerhalb des festgelegten Zeitraumes, können Sie eine Untätigkeitsklage erheben. Dies ist im Sozialgerichtsgesetz Paragraf 88 festgelegt. Sie erheben die Klage mündlich oder schriftlich vor dem Sozialgericht. Dafür ist kein Anwalt nötig, und es fallen für Sie keine Gerichtsgebühren an.

Sie können diese Untätigkeitsklage bei Erlass eines Verwaltungsaktes erheben, wenn das Jobcenter nach sechs Monaten noch nicht über ihren Antrag entschieden hat. Alle Anträge auf Bürgergeld-Leistungen sind solche Verwaltungsakte, also nicht nur der Bürgergeld-Antrag, sondern zum Beispiel auch Anträge auf Mehrbedarfe oder Erstausstattungen.

Sie können gegen jeden Bescheid vom Jobcenter schriftlich Widerspruch einlegen. Das Jobcenter muss innerhalb von drei Monaten auf diesen Widerspruch reagieren. Nach dieser Frist können Sie die Untätigkeitsklage gegen einen Verwaltungsakt erheben.