In einem Twitter-Post informierte das Jobcenter Berlin-Mitte darüber, dass die Behörde ihren “Kunden” nun einen “Safer Space” bieten wolle. Diese “Charming-Kampagne” kam bei vielen Bürgergeld-Betroffenen nicht so gut an, wie vielleicht erhofft wurde.
Jobcenter Berlin-Mittel als “Safer Space” gekennzeichnet
Das Jobcenter Berlin-Mitte will ab jetzt “Open for ALL!” sein. Dazu habe man nun die Behörde als “Safer Space” gekennzeichnet. “Alle Menschen sollen hier dauerhaft vor Diskriminierung geschützt sein”, hieß es in einem Statement der Behörde.
Sie müssen! Alleine schon nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
In einer Antwort schrieb die ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin und Hartz IV-Kritikerin Inge Hannemann: “Sie müssen! Alleine schon nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und dem Grundgesetz!” Für Hannemann ist dies eher als “Schaufensterveranstaltung” zu werten.
Ein anderer User schrieb mit Ironie: “Safer space, wo dir Sanktionen drohen und du in prekäre Arbeitsverhältnisse gezwungen wirst.”
Die Berliner Wohnungslosen-Stiftung kritisiert die Jobcenter-Kampagne ebenfalls kritisch: “Wer ein JobCenter als “safer place” bezeichnet, war noch nie ALG II leistungsberechtigt.”
Bundesagentur für Arbeit: Mit gutem Beispiel voran
Lob hingegen gab es von der Bundesagentur für Arbeit: “Wir finden es super, wie dieses Jobcenter mit gutem Beispiel voran gehen. Sowohl unsere Kund/innen, aber auch unsere Kolleg/innen sind divers, wie die Gesellschaft selbst.”
Was ist “Safe Space”?
Was aber soll “Safe Space” eigentlich bedeuten? Das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. gibt hierzu eine Definition: “Safe Spaces sind Räume (physisch oder digital), in denen sich Personen sicher fühlen sollen, um dort ihre Diskriminierungserfahrungen zu teilen und sich gegenseitig zu empowern. Safer Space geht davon aus, dass es keine gänzlich sicheren Räume gibt.”
Diskriminierung ein strukturelles Problem
Viele Leistungsbeziehende fühlen sich jedoch von ihrem Jobcenter diskriminiert, wenn sie unter Androhung von Sanktionen in prekäre Arbeitsverhältnisse gezwungen werden.
Zwar soll der so genannte Vermittlungsvorrang nun einer Vermittlung auf Augenhöhe und einem Fokus auf Weiterbildung und Förderung weichen, doch ist noch nicht klar, wie dies auch tatsächlich ab 1.7. 2023 im Bürgergeld umgesetzt wird.
Andere fühlen sich diskriminiert, weil wichtige Anträge auf Mehrbedarfe oder Zuschüsse abgelehnt werden und erst über den Widerspruchs- oder Klageweg durchgesetzt werden können.
Nicht wenige Bürgergeldbeziehende berichten, dass sie von ihren zuständigen Sachbearbeiter/innen nicht ernst genommen werden und die Zusammenarbeit nicht auf Augenhöhe passiere.
Auswertung zeigte: Zugang zu Sozialleistungen in den Jobcentern nicht diskriminierungsfrei
Auch von Diskriminierungen von Bürgergeldbezieher/innen durch die Jobcenter wurde häufig berichtet. So ergab beispielsweise eine Evaluation, dass der Zugang zu Sozialleistungen in den Jobcentern nicht diskriminierungsfrei gewährleistet sei.
Die Auswertung von Verbänden wie dem Paritätischen Gesamtverband, der Caritas und der Arbeiterwohlfahrt zeigte, dass eine deutliche Ungleichbehandlung von ausländischen EU-Bürgern in den Jobcentern an der Tagesordnung ist. So ergab die Auswertung, dass in fast 60 Prozent der Fälle, in denen Sozialleistungen abgelehnt wurden, die Betroffenen in die Obdachlosigkeit getrieben wurden.
Eine bloße Kennzeichnung reicht daher nicht aus, es muss sich strukturell etwas ändern – hin zu einer armutsfesten Grundsicherung ohne Sanktionen und Diskriminierung.