Das Jobcenter muss eine ungenutzte Wohnung für Bürgergeld Empfänger nicht finanzieren, wenn der Bedarf an Wohnkosten anderweitig gedeckt ist, der Leistungsberechtigte etwa kostenfrei bei Familienangehörigen oder – hier grundsätzlich in Betracht kommend – dauerhaft in einer Zweitunterkunft, etwa einer Gartenlaube, wohnt.
Es ist nicht Aufgabe des Sozialstaates, Zweitwohnungen zu finanzieren ( so aktuell das Sozialgericht Halle, Beschluss vom 04.08.2025 – S 16 AS 463/25 ER – ).
Keine Unterkunftskosten im Eilverfahren für nicht bewohnte Wohnung aufgrund sehr geringer Verbrauchswerte für Wasser, Strom und Warmwasserkosten
Bedarfe für Unterkunft und Heizung sind nur dann vom Jobcenter zu übernehmen ( § 22 Abs. 1 SGB 2 ), wenn die angemietete Wohnung auch tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt wird. Bei nur marginalen Verbrauchswerten lässt sich ein Bewohnen nicht erkennen.
Gerade die nur knapp über Null liegenden Verbrauchswerte für Wasser lassen sich – weder allein noch in Kombination – mit besonderer Sparsamkeit und/oder der Nutzung eines Kleingartens im Rahmen einer üblichen – Freizeitgestaltung – begründen.
Für eine nur teilweise genutzte Wohnung besteht kein Anspruch auf Übernahme der Mietkosten durch das Jobcenter, wenn der Bedarf anderweitig gedeckt ist, der Leistungsberechtigte etwa kostenfrei bei Familienangehörigen oder – hier grundsätzlich in Betracht kommend – dauerhaft in einer Zweitunterkunft, etwa einer Gartenlaube, wohnt.
Derartige Verhältnisse stellen eine den Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II deckende Unterkunft jedoch nur dann dar, wenn ihr Potenzial diesem Bedarf entspricht, das heißt, wenn sie den Aufbau oder Erhalt einer Privatsphäre ermöglicht, selbstbestimmtes Wohnen gewährleistet und faktisch und/oder rechtlich gesichert ist, hier aber nicht gegeben.
Das gibt aktuell die 16 Kammer des Sozialgerichts Halle bekannt ( SG Halle, Beschluss vom 04.08.2025 – S 16 AS 463/25 ER – ).
Entscheidungsbesprechung mit dem Bürgergeld Experten Detlef Brock
1. Diese aktuelle Beschluss reiht sich in eine Vielzahl von Entscheidungen ein, welche sich mit der Frage beschäftigt haben, ob die Wohnung von den Leistungsempfängern tatsächlich genutzt wurde.
Es handelt sich hierbei grundsätzlich um Einzelfälle.
2. Es entspricht grundsätzlich dem Regelfall, dass eine Wohnung dauerhaft für alle Bedürfnisse genutzt wird, die nach allgemeiner gesellschaftlicher Anschauung das Wohnen ausmachen, wie z. B. Schlafen, Körperpflege, Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, Aufbewahrung des persönlichen Eigentums, zumindest wesentliche Teile der Freizeitgestaltung.
Angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse sind indes vielfältige Abweichungen etwa bezüglich der Anwesenheitszeiten, des Nutzungsumfangs und der Auslagerung von Teilfunktionen des Wohnens vorstellbar, ohne dass damit der Wohngebrauch zwingend entfallen müsste.
Vor diesem Hintergrund lässt sich die Frage, ob für eine bestimmte Wohnung ein Unterkunftsbedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II und damit eine hieraus resultierende Verpflichtung des Jobcenters zur Übernahme der Kosten besteht, insbesondere nicht anhand einer bestimmten Quote des tatsächlichen Nutzungsumfangs beantworten.
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Bescheid prüfenDies bedeutet aber nicht, dass der Umstand, dass eine steuerfinanzierte Leistung in Anspruch genommen wird, ohne Bedeutung bliebe. Dem nicht auf solche Leistungen angewiesenen Bemittelten steht es frei, dass Innehaben einer oder mehrerer Wohnungen von deren Nutzung zu entkoppeln und die Deckung seines Wohnbedarfs beliebig aufzuspalten.
Im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II beim Bürgergeld werden dagegen immer nur die tatsächlich anfallenden Aufwendungen angemessenen Umfangs für eine Wohnung gedeckt, sofern sie durch das Objekt verursacht werden, welches den Unterkunftsbedarf des Hilfebedürftigen befriedigt, wobei hierfür keine besonders intensive Nutzung des Objekts Voraussetzung ist.
Das bedeutet, dass für eine nur teilweise genutzte Wohnung kein Anspruch nach § 22 Abs. 1 SGB II gegeben ist, wenn der Bedarf anderweitig gedeckt ist, der Leistungsberechtigte etwa kostenfrei bei Familienangehörigen oder – hier grundsätzlich in Betracht kommend – dauerhaft in einer Zweitunterkunft, etwa einer Gartenlaube, wohnt.
Es ist nicht Aufgabe des Staates, Zweitwohnungen zu finanzieren.
Veröffentlichte Rechtsprechung zu diesem Thema – aufgearbeitet vom Experten für Sozialrecht Detlef Brock
Bürgergeld: Wer weniger verbraucht – muss drauf zahlen? Einzelfälle aus der Rechtsprechung zum Bürgergeld
1. Sehr geringe Verbrauchswerte für Wasser, Heizung und Strom können darauf hindeuten, dass der Bürgergeld Empfänger seine Wohnung nicht tatsächlich genutzt hat ( LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.10.2024 – L 3 AS 165/24 B ER – rechtskräftig – nicht veröffentlicht – ).
2. Keine fehlende Nutzung der Mietwohnung, wenn der Hilfebedürftige einen sparsamen Wasserbrauch vor Gericht auch mittels Zeugen und eidesstattlicher Versicherung glaubhaft machen kann ( LSG NRW v. 08.07.2025 – L 21 AS 537/25 B ER – ).
3. Fehlende Nutzung der Wohnung muss vom Jobcenter nachgewiesen werden, denn Geringe Verbrauchswerte bei Heizung, Strom und Wasser sprechen nicht gegen die Nicht-Nutzung einer Wohnung ( SG Frankfurt (Oder),Beschluss v. 26.06.2024 – S 14 AS 214/24 ER –
4 . Bezieher von Bürgergeld sind nicht verpflichtet, sich dauerhaft in ihrer Wohnung aufzuhalten bzw. nächtigen, so entschieden vom LSG BB, Beschluss v. 17.06.2024 – L 20 AS 364/24 B ER –).
5. Eine gelegentliche Nutzung der Wohnung schließt Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II nicht aus. Die Kosten werden nicht etwa dadurch unangemessen, dass die Klägerin die Wohnung nur unregelmäßig und in einem Umfang nutzt, der erheblich unter dem üblichen Nutzungsumfang einer Wohnung liegt. Auch wer auf der Straße lebt und nur einen sicheren Unterschlupf für kalte Tage benötigt, oder wer das ganze Jahr auf einem Campingplatz verlebt und die eigne Wohnung nur als Rückzugsort für Notfälle bereithält, hat grundsätzlich Anspruch auf Unterkunftskosten vom Jobcenter (SG Düsseldorf, Urt. v. 28.01.2019 – S 35 AS 859/17 -).
6. Für die Frage, ob eine Mietwohnung tatsächlich in dem Umfang genutzt wird, dass die hierfür anfallenden Kosten einen Bedarf iS von § 22 Abs 1 SGB II begründen, kommt es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf die aktuellen tatsächlichen Verhältnisse sowie auf eine Prognose für den streitgegenständlichen – künftigen – Leistungszeitraum. Die Verhältnisse in der (jüngeren) Vergangenheit haben allenfalls indizielle Bedeutung ( LSG Sachsen, Beschluss vom 16.08.2016 – L 4 AS 225/16 B ER- ).
7. Die nicht ausschließliche Mitbenutzung der Wohnung eines Lebensgefährten beseitigt für sich noch nicht den Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft im Rahmen eines Leistungsanspruchs nach dem SGB 2, soweit eine eigene Wohnung tatsächlich, wenn auch nur im geringen Umfang nach selbst genutzt wird ( LSG Berlin – Brandenburg vom 09.03.2012 – L 10 AS 123/12 B ER – ).



