Wenn die Miete nach Jahren erstmals steigt, stellen sich für Bürgergeld Beziehende Fragen: Muss das Jobcenter die höhere Miete übernehmen? Was passiert, wenn man der Erhöhung zustimmt – ohne vorherige Rücksprache?
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Ausgangslage: Mieterhöhung nach Jahren – was nun?
In einem aktuellen Fall stieg die Kaltmiete einer Wohnung erstmals nach über zehn Jahren. Der Vermieter verlangte die Zustimmung der Mieterin, lieferte jedoch keine gesetzlich vorgeschriebenen Belege wie Mietspiegel oder Vergleichswohnungen. Trotzdem stimmte die Bürgergeld-Bezieherin zu – in der Annahme, das Jobcenter werde die höhere Miete tragen. Doch diese Annahme birgt Risiken.
Zustimmung zur Mieterhöhung: Wann sie rechtlich bindend ist
Eine Mieterhöhung nach § 558 BGB muss bestimmten formellen Vorgaben genügen und muss vom Vermieter begründet werden. Ohne Nachweis durch Mietspiegel, Vergleichswohnungen oder Gutachten ist sie juristisch angreifbar. Mieterinnen und Mieter müssen der Erhöhung dann nicht zustimmen. Tun Sie es dennoch freiwillig, entsteht eine neue Vertragsgrundlage (§ 557 BGB). Diese ist rechtswirksam – auch ohne formelle Begründung des Vermieters.
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Jobcenter muss zahlen – aber nicht bedingungslos
Ist eine Miete vertraglich vereinbart und bleibt unterhalb der Angemessenheitsgrenze, ist das Jobcenter zur Übernahme verpflichtet. Das hat das Bundessozialgericht mehrfach entschieden (z. B. B 4 AS 32/12 R, B 14 AS 4/23 R). Ein Ermessensspielraum besteht nicht.
Aber: Die Zustimmung zur Mieterhöhung sollte dem Jobcenter vorab mitgeteilt werden. Denn nach den Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) sind alle Änderungen in den Wohnkosten „unverzüglich“ zu melden – nicht erst im Nachhinein.
Wann ist eine Mieterhöhung formell wirksam?
Damit eine Mieterhöhung nach § 558 BGB wirksam wird, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein:
- Die letzte Mieterhöhung liegt mindestens 15 Monate zurück.
- Die Miete wurde seit mindestens zwölf Monaten unverändert gezahlt.
- Die Zustimmung des Mieters erfolgt innerhalb von zwei Monaten.
- Die Mieterhöhung darf die Kappungsgrenze nicht überschreiten (meist max. 15–20 % in drei Jahren, je nach Kommune).
Ohne diese Voraussetzungen darf der Vermieter die Miete nicht einseitig erhöhen. Eine Zustimmung des Mieters ist freiwillig – und kann auch verweigert werden.
Mieterverein oder Jobcenter – wer prüft die Erhöhung?
Die Fachanweisungen der Stadt Hamburg empfehlen Bürgergeld Beziehenden bei „Zweifelsfällen“ den Gang zum Mieterverein. Ein solcher Fall liegt vor, wenn etwa keine formgerechte Begründung der Mieterhöhung vorliegt. Eine Pflicht zur Einholung von Beratung besteht aber nicht. Entscheidend ist am Ende, ob die Miete rechtlich zulässig und vertraglich vereinbart wurde.
Tipp: Wer unsicher ist, sollte sich frühzeitig an das Jobcenter oder einen Mieterverein wenden. Das schafft Klarheit und schützt vor Rückforderungen.
Kommunale Unterschiede: Nicht jede Grenze ist gleich
Was als „angemessene Miete“ gilt, legt jede Kommune selbst fest. Dabei orientieren sich die Städte an örtlichen Mietspiegeln oder eigenen Tabellenwerten. In Hamburg gelten andere Höchstbeträge als in Leipzig oder München. Bürgergeld Beziehende sollten regelmäßig prüfen, ob ihre Miete innerhalb dieser Richtwerte liegt. Die aktuellen Tabellenwerte sind meist auf den Webseiten der Kommunen oder Sozialbehörden veröffentlicht.
Karenzzeit: Was gilt im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs?
Neu im SGB II ist die sogenannte Karenzzeit: In den ersten zwölf Monaten des Bürgergeldbezugs übernimmt das Jobcenter jede tatsächliche Miete – unabhängig von den örtlichen Höchstgrenzen (§ 22 Abs. 1 S. 3 SGB II). In dieser Zeit sind Mieterhöhungen für Betroffene unproblematisch, sofern sie wirksam vereinbart wurden. Danach gelten wieder die Angemessenheitsgrenzen.
Meldung der Mieterhöhung: Vor oder nach der Zustimmung?
Ein häufiger Irrtum: Viele glauben, sie dürften die Mieterhöhung erst nach Zustimmung melden. Die Pflicht zur Mitteilung beginnt jedoch, sobald die Änderung erkennbar wird. Das bedeutet konkret: Sobald der Vermieter eine Mieterhöhung ankündigt, sollten Betroffene das Jobcenter informieren – idealerweise noch vor der Zustimmung.
Die Bundesagentur für Arbeit schreibt dazu: „Nutzen Sie die Veränderungsmitteilung (VÄM) online, wenn sich Ihre Miete oder Heizkosten erhöhen.“ Wer diese Pflicht versäumt, riskiert Rückforderungen, Bußgelder oder im Extremfall ein Strafverfahren.
Frühzeitig melden, rechtlich prüfen lassen
Wer Bürgergeld erhält und mit einer Mieterhöhung konfrontiert wird, sollte nie vorschnell zustimmen. Auch wenn die neue Miete unter der Angemessenheitsgrenze liegt, ist eine vorherige Rücksprache mit dem Jobcenter sinnvoll – und im Zweifel rechtlich notwendig. Denn nur so lassen sich Rückforderungen und Sanktionen sicher vermeiden.