Bürgergeld gekürzt: Diese Fehler kosten bares Geld

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Wer Bürgergeld bezieht, steht in einem engen Pflichtenverhältnis zum Jobcenter. Werden Termine versäumt oder Vereinbarungen nicht eingehalten, drohen Sanktionen – teils schon ab dem ersten Tag des Bezugs. Doch viele Bescheide sind fehlerhaft. Der Artikel zeigt, wie Betroffene vorgehen können.

Sanktionen beim Bürgergeld: Kürzungen trotz Existenzminimum

Seit der Einführung des Bürgergelds 2023 hat sich am Prinzip der Sanktionen wenig geändert: Wer seine Mitwirkungspflichten verletzt, riskiert eine Leistungsminderung. Die Sanktionen können direkt zu Beginn des Leistungsbezugs greifen – es gibt keine „Schonfrist“. Der Grund für eine Kürzung muss dabei nicht gravierend sein. Bereits ein nicht entschuldigter Beratungstermin reicht aus, um einen Teil des Geldes zu verlieren.

Nach dem Wegfall des sogenannten „Vermittlungsvorrangs“ ist die Eigenverantwortung der Beziehenden stärker in den Fokus gerückt. Das Jobcenter erwartet, dass Leistungsberechtigte aktiv an der Beendigung ihrer Hilfebedürftigkeit mitarbeiten. Bleibt diese Mitwirkung aus, wird ein Sanktionsbescheid erlassen – häufig mit spürbaren Folgen.

Pflichtverletzung oder Lebensrealität? Wann Sanktionen verhängt werden

Die rechtliche Grundlage für Sanktionen findet sich in § 31 SGB II. Dort ist detailliert geregelt, welche Verhaltensweisen als Pflichtverletzungen gelten. Darunter fallen unter anderem:

  • Nichtteilnahme an einem vereinbarten Termin beim Jobcenter
  • Missachtung von Vorgaben im Kooperationsplan
  • Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsangebotes
  • Unwirtschaftliches Verhalten (z. B. wiederholte Vertragsabschlüsse oder überflüssige Anschaffungen)

Auch wenn das Verhalten objektiv nachvollziehbar erscheint, etwa durch Krankheit oder persönliche Krisen, wertet das Jobcenter dies ohne Nachweis oft nicht als ausreichenden Grund. Ein ärztliches Attest oder eine schriftliche Begründung sind deshalb unerlässlich.

So erkennen Sie einen Sanktionsbescheid – und was dieser beinhaltet

Ein Sanktionsbescheid wird schriftlich vom Jobcenter verschickt und enthält mehrere Elemente:

  • Grund der Sanktion: z. B. nicht erschienener Termin oder Pflichtverstoß
    Höhe der Kürzung: maximal 30 % des Regelbedarfs möglich
  • Dauer der Sanktion: in der Regel ein Monat, bei wiederholten Verstößen auch länger
  • Belehrung über Rechtsfolgen und die Möglichkeit zum Widerspruch

Obwohl diese Angaben gesetzlich vorgeschrieben sind, fehlen sie häufig ganz oder sind fehlerhaft. Besonders oft betroffen ist die sogenannte Rechtsfolgenbelehrung, also der Hinweis auf mögliche Sanktionen im Vorfeld eines Pflichtverstoßes. Fehlt diese oder ist sie nicht konkret auf den Einzelfall zugeschnitten, kann der Bescheid unwirksam sein.

Widerspruch einlegen: Ihre rechtliche Verteidigung gegen fehlerhafte Bescheide

Wenn Sie einen Sanktionsbescheid vom Jobcenter erhalten, bedeutet das nicht, dass Sie die Entscheidung einfach hinnehmen müssen. Sie haben das Recht, binnen eines Monats nach Erhalt des Bescheids schriftlich Widerspruch einzulegen.

Dabei ist es wichtig, den entsprechenden Bescheid eindeutig zu benennen – inklusive Datum und Aktenzeichen. Zusätzlich sollten Sie in nachvollziehbarer Weise begründen, warum Sie die Sanktion für ungerechtfertigt halten. Unterstützen Sie Ihre Argumentation möglichst mit konkreten Nachweisen, zum Beispiel durch ein ärztliches Attest, eine Kopie der ursprünglichen Einladung oder relevante E-Mail-Korrespondenz.

Erfahrungsgemäß halten viele dieser Sanktionsbescheide einer rechtlichen Prüfung nicht stand, da sie häufig unverhältnismäßig, formal fehlerhaft oder unzureichend begründet sind. Ein gut vorbereiteter Widerspruch kann daher Ihre Leistungen sichern – und in vielen Fällen sogar rückwirkend wiederherstellen.

Einmal erklärt, dennoch bestraft? Das dürfen Jobcenter nicht

Haben Sie nach einem versäumten Termin einen Anhörungsbogen erhalten und darin einen triftigen Grund für Ihr Verhalten angegeben, darf das Jobcenter dies nicht ignorieren. Wird trotz plausibler Erklärung eine Sanktion ausgesprochen, ist der Bescheid mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Hier lohnt sich in jedem Fall ein Widerspruch – notfalls auch mit anwaltlicher Unterstützung.

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Während des Verfahrens gelten reduzierte Leistungen

Ein weitverbreiteter Irrtum: Viele glauben, dass während eines laufenden Widerspruchsverfahrens die Kürzung ausgesetzt wird. Doch das ist nicht der Fall. Die Sanktion bleibt vorerst bestehen. Erst wenn der Widerspruch erfolgreich ist, werden die einbehaltenen Beträge rückwirkend ausgezahlt.

Um eine akute finanzielle Notlage zu vermeiden, besteht die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht zu beantragen.

Einstweiliger Rechtsschutz: Wenn das Existenzminimum gefährdet ist

Der einstweilige Rechtsschutz ist ein Verfahren, das vorläufig klärt, ob eine Sanktion ausgesetzt werden sollte. Das Gericht trifft dabei eine schnelle Entscheidung, ohne ein umfassendes Hauptverfahren abzuwarten. Besonders bei Kürzungen ab 30 % des Regelsatzes, die als existenzbedrohend gelten, stehen die Chancen auf einen Erfolg gut.

Das Verfahren ist auch dann sinnvoll, wenn Sie Ihre Grundbedürfnisse (Miete, Nahrung, Strom) nicht mehr decken können. Voraussetzung ist ein Anwalt oder eine Beratungsstelle, die den Antrag fachgerecht vorbereitet.

Fehlerhafte Sanktionen erkennen: Eine einfache Checkliste

Vor dem Gang zum Anwalt oder Gericht hilft es, den Bescheid selbst zu prüfen. Diese Fragen sollten Sie stellen:

  1. Lag ein wichtiger Grund für das Verhalten vor?
  2. Ist die Rechtsfolgenbelehrung korrekt, vollständig und auf Sie bezogen?
  3. Beträgt die Kürzung höchstens 30 % des Regelbedarfs?
  4. Ist die Begründung klar, verständlich und individuell?
  5. Enthält der Bescheid eine gültige Rechtsbehelfsbelehrung?

Bereits ein einziger formaler Fehler kann dazu führen, dass der Bescheid rechtlich angreifbar ist.

Wer hilft bei Sanktionsbescheiden? Diese Stellen stehen Ihnen zur Seite

Bürgergeld-Empfänger müssen sich oft alleine durch den Behördendschungel kämpfen. Unterstützung bieten:

  • Sozialberatungsstellen (z. B. Caritas, Diakonie, AWO)
  • Fachanwälte für Sozialrecht (Beratungsschein beim Amtsgericht möglich)
  • Online-Plattformen zur Bescheidprüfung (teilweise kostenlos)
  • Gewerkschaften oder Mietervereine, wenn Sie dort Mitglied sind

Ein erfahrener Anwalt kann zudem ein Eilverfahren juristisch absichern und Sie so schneller wieder zu Ihren vollen Leistungen bringen.

Angehörige nicht vergessen: Wenn Sanktionen ganze Haushalte betreffen

Sanktionen beim Bürgergeld betreffen nicht nur die unmittelbar sanktionierte Person, sondern können sich auf das gesamte Haushaltsbudget auswirken. Wird ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gekürzt, spüren insbesondere Alleinerziehende, Familien oder Wohngemeinschaften die finanziellen Folgen sofort und direkt.

In solchen Fällen können Angehörige wertvolle Unterstützung leisten – etwa indem sie Nachweise für entschuldigtes Verhalten sammeln, wie ärztliche Atteste oder Belege für Terminüberschneidungen. Auch die Organisation des Schriftverkehrs mit dem Jobcenter sowie die Begleitung zu Beratungsterminen kann eine große Hilfe sein.

Solche Formen der Unterstützung entlasten nicht nur emotional, sondern verbessern auch die Erfolgsaussichten im Widerspruchs- oder Klageverfahren erheblich.