Eine Familie aus Lübeck, bestehend aus Eltern und vier Kleinkindern, darf trotz einer Kündigung wegen Eigenbedarfs in ihrer Wohnung bleiben. Das entschied das Amtsgericht Lübeck (Az. 33 C 1544/21). Die Familie, die von Bürgergeld lebt, konnte keine angemessene Ersatzwohnung finden. Das Gericht sah hierin einen Härtefall und wies die Räumungsklage der Vermieterin ab.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund des Falls
Die Familie bewohnte eine Mietwohnung in Lübeck, als sie im Februar 2021 eine Kündigung wegen Eigenbedarfs erhielt. Die neue Eigentümerin der Wohnung begründete die Kündigung damit, dass sie sich von ihrem Ehemann getrennt habe und die Wohnung selbst benötige.
Die Familie widersprach der Kündigung und machte einen Härtefalleinwand geltend. Trotz intensiver Wohnungssuche fanden sie keine alternative Unterkunft.
Rechtliche Grundlagen der Eigenbedarfskündigung
Gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann ein Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er die Wohnung für sich oder nahe Angehörige benötigt. Diese sogenannte Eigenbedarfskündigung setzt voraus, dass der Bedarf tatsächlich besteht und nachvollziehbar begründet wird.
Der Härtefalleinwand nach § 574 BGB
Das Gesetz bietet Mietern Schutz vor Kündigungen, die für sie eine unzumutbare Härte darstellen würden. Nach § 574 Abs. 1 BGB kann der Mieter der Kündigung widersprechen, wenn der Umzug für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Berücksichtigung der Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.
Ein wichtiger Härtegrund ist die Unfähigkeit, angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zu finden.
Amtsgericht Lübeck entscheidet zugunsten der Familie
Das Gericht erkannte an, dass die Vermieterin ein berechtigtes Interesse an der Wohnung hat. Dennoch überwog im konkreten Fall das Interesse der Mieterfamilie. Das Gericht stellte fest, dass es der Familie trotz intensiver Bemühungen nicht möglich war, eine passende Ersatzwohnung zu finden.
Die angespannte Wohnraumsituation in Lübeck, insbesondere für Familien mit geringem Einkommen, spielte dabei eine entscheidende Rolle.
Begründung des Gerichts
Die Familie konnte nachweisen, dass sie zahlreiche Vermieter kontaktiert und Besichtigungstermine wahrgenommen hatte. Dennoch blieben ihre Bemühungen erfolglos. Das Gericht betonte, dass der Wohnungsmarkt in Lübeck besonders für finanziell schwächere Familien äußerst schwierig ist.
Familien mit mehreren Kindern und geringem Einkommen haben es schwer, geeigneten Wohnraum zu finden, da sie oft mit zahlungskräftigeren Interessenten konkurrieren.
Im Gegensatz dazu sah das Gericht für die Vermieterin bessere Chancen, eine alternative Wohnung zu finden. Als Einzelperson ohne finanzielle Einschränkungen ist es für sie leichter, angemessenen Wohnraum zu finden. Die Interessenabwägung fiel daher zugunsten der Mieterfamilie aus.
Der angespannte Wohnungsmarkt als Faktor
Die Entscheidung des Gerichts zeigt, wie stark der Zustand des Wohnungsmarktes die Rechte von Mietern beeinflusst. In Städten mit knappem Wohnraum und hohen Mietpreisen haben es finanziell schwächere Mieter besonders schwer. Gerichte berücksichtigen diese Faktoren bei der Bewertung von Härtefällen.
Nachweispflicht des Mieters
Mieter müssen nachweisen, dass sie sich ernsthaft um Ersatzwohnraum bemüht haben. Dazu gehören:
- Dokumentation von Wohnungsangeboten: Sammeln von Inseraten und Angeboten, die kontaktiert wurden.
- Nachweis von Kontaktaufnahmen: Aufzeichnungen über Telefonate, E-Mails oder Schriftverkehr mit potenziellen Vermietern.
- Teilnahme an Besichtigungsterminen: Bestätigung von Besichtigungsterminen und deren Ergebnisse.
Ohne diesen Nachweis kann ein Härtefalleinwand schwer durchsetzbar sein.
Interessenabwägung im Detail
Die Gerichte nehmen eine sorgfältige Abwägung der Interessen von Vermieter und Mieter vor. Dabei werden Aspekte wie:
- Dringlichkeit des Eigenbedarfs: Wie dringend benötigt der Vermieter die Wohnung?
- Persönliche Situation des Mieters: Bestehen gesundheitliche Probleme, familiäre Verpflichtungen oder finanzielle Einschränkungen?
- Alternativen für beide Parteien: Gibt es realistische Möglichkeiten für Vermieter und Mieter, anderweitigen Wohnraum zu finden?
Im vorliegenden Fall wurde der besonderen Schutzbedürftigkeit der Familie Vorrang eingeräumt.
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors
Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.