Die von der Bundesregierung jetzt eingeführten Sanktionen bei der Grundsicherung sind offen verfassungswidrig. Das schreibt Harald Thomé von der Erwerbsloseninitiative Tacheles e.V und sieht in diesen Regelungen „eine Demontage sozialer Sicherung mit der Brechstange“.
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Neuregelungen erlauben, Miete und Heizung zu streichen
Bisher konnten Jobcenter bei Sanktionen nur den Regelsatz streichen (und auch das sehen Fachkundige als Verstoß gegen unser Grundgesetz an). Mit den neuen Regelungen können Jobcenter jedoch auch die Kosten der Unterkunft und Heizung auf Null setzen.
Faktischer Zwang
Thomé engagiert sich seit Jahren für die Rechte erwerbsloser Menschen und kennt die Entwicklung von Hartz IV zum Bürgergeld und jetzt zur sogenannten Neuen Grundsicherung sehr genau. Er weiß also wovon er redet, wenn er die frischen Sanktionsregelungen kritisiert.
Diese bedeuten ihm zufolge einen faktischen Arbeitszwang, und das für jede Tätigkeit, egal wie schlecht sie bezahlt oder wie unterqualifiziert sie ist. Qualifikation, Zumutbarkeit oder Lebenssituation spielen in dieser Neuregelung keine Rolle mehr, so Thomé.
Schlimmer als Hartz IV
Die Sanktionsregelungen sind ihm zufolge sogar schlimmer als bei den Hartz IV Gesetzen, die das Bürgergeld abmildern sollte. So seien im Unterschied zu Hartz IV bei den Sanktionen weder Sachleistungen noch der Schutz der Wohnung vorgesehen. Und das ist, in den Augen von Thomé, ein offener Bruch mit unserer Verfassung.
Klarer Verstoß gegen Urteil des Verfassungsgericht
So hätte das Bundesverfassungsgericht im November 2019 eindeutig geklärt, dass das menschenwürdige Existenzminimum nicht gekürzt werden dürfe, und dies auch nicht bei vermeintlich „unwürdigem“ Verhalten.
Die beschlossenen Regelungen würden aber genau das planen, was das Verfassungsgericht als grundgesetzwidrig einstufe.
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Bescheid prüfenVor dem Verfassungsgericht nicht haltbar
Thomé geht davon aus, dass diese Bestimmungen vor dem Verfassungsgericht scheitern werden. Eine Entwarnung gibt es deshalb aber nicht, denn, so Thomé, bis zu einer solchen juristischen Entscheidung werden die Sanktionen unzähligen Menschen Leid und Elend zufügen.
Angriff auf gesicherte Arbeit
Thomé sieht in den beschlossenen Regelungen nicht einmal nur einen vorbereiteten Verfassungsbruch. Zugleich handle es sich um Angriffe auf die Rechte der Beschäftigten und auf alle Formen gesicherter und existenzsichernder Arbeit.
Auch Parteipolitiker sehen Verfassungsbruch
Auch die sozialpolitische Sprecherin der Partei Die LINKE sieht die Pläne als verfassungswidrig an. Die Regierung drohe Menschen mit Hunger und bezeichne das als Sozialpolitik.
Fraktionschefin Heidi Reichinnek nennt die beschlossenen Regelungen menschenunwürdig und rechtlich höchst fragwürdig. Sie sieht den ersten Schritt eines massiven Angriffs auf den Sozialstaat.
Einschüchterung der Arbeitnehmer
Wie Thomé erkennt auch sie eine Attacke nicht nur auf Erwerbslose, sondern auch gerade auch auf Beschäftigte. Diese bekäme das Signal, keine besseren Arbeitsbedingungen und jede Überstunde hinzunehmen, denn im Bürgergeld würde alles noch schlimmer.
Soziale Kälte
Die Grüne Britta Haßelmann nennt die Sanktionen menschlich hart und kalt. Es gebe weder Geld für Nahrung noch für eine Wohnung, und das gelte auch für Familien mit Kindern. CDU und FDP wollten Menschen alles streichen, das sie zum Leben brauchen.
Auch sie betonte, dass die Regelungen verfassungsrechtlich nicht haltbar seien, denn das Grundgesetz sehe ein soziokulturelles Existenuminimum vor.