Bürgergeld: Das Recht schützt vor Totalsanktionen

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Ein neuer Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums soll Menschen das Existenzminimum entziehen, die mehrfach Jobangebote der Jobcenter ablehnen.

Dabei war als Unterschied zwischen Hartz IV und Bürgergeld gerade angekündigt worden, Betroffene auf Augenhöhe nachhaltig für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren, statt sie, wie bei Hartz IV, durch absolute Armut in menschenunwürdige Ausbeutung zu zwingen.

Vorgaben und Quoten erfüllen

Beim Bürgergeld soll die individuell zugeschnittene Beratung im Vordergrund stehen. Harald Thomé von der Sozialberatungsstelle „Tacheles“ hatte jedoch schon im Juni 2023 kritisiert, dass sich strukturell seit Einführung des Bürgergeldes wenig geändert habe.

„Hohe Arbeitsüberlastung, Vorgaben die nur dazu da sind, Quoten zu erfüllen, keine auf den Einzelfall bezogene Integration und erst recht nicht ein Umgang auf Augenhöhe, sondern im Vordergrund steht das „Bedienen von Trägern“ bzw. Vollmachen von Plätzen oder „wahllose Maßnahmenzuweisung“.“

Anspruch gegen Wirklichkeit

Auch Steffen Meyer von der Erwerbsloseninitiative Hannover erkannte einen Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit: „In Theorie hört sich das gut an. Allerdings werden die Wünsche und Möglichkeiten der Betroffenen sehr oft ignoriert.“ Wie Harald Thomé von Tacheles e.V. kritisierte auch Meyer, dass oft Quoten im Vordergrund stünden statt die Situation der Betroffenen.

Die Mitwirkungspflicht

Der Gesetzesentwurf, der die 100 Prozent Sanktionen des Regelsatzes bei wiederholtem Ablehnen von Jobangeboten vorsieht, bezieht sich auf die im Bürgergeld festgelegte Mitwirkungspflicht der Betroffenen.

Diese verpflichten sich, um in Arbeit zu kommen, unter anderem dafür, Bewerbungen zu schreiben, Weiterbildungen zu besuchen und auch, Jobangebote seitens des Jobcenters nicht generell abzulehnen.

Die Pflicht des Jobcenters

Gezielt vergessen wird bei der Hetze gegen „faule Bürgergeld-Bezieher“, dass auch das Jobcenter Verpflichtungen gegenüber den Betroffenen hat. Die Eingliederungsvereinbarung bzw. heutige Kooperationsvereinbarung legt nicht nur fest, auf welche Art die Betroffenen Arbeit suchen sollen, sondern auch, wie das Jobcenter ihnen dabei hilft.

Dabei geht es um das Finanzieren beruflicher Weiterbildung, die Übernahme von Bewerbungskosten und auch um die Suche nach individuell passenden (!) Stellenangeboten.

Ausdrücklich müssen die Jobcenter bei der Arbeitsvermittlung also die individuelle Situation der Leistungsberechtigten berücksichtigen. Eine Eingliederungsvereinbarung liegt keineswegs im Ermessen der jeweiligen Jobcenter, sondern ist gesetzlich verpflichtend.

Betroffene sind nicht schutzlos

Selbst der neue Gesetzentwurf bedeutet nicht, dass Betroffene ohne jeden Schutz willkürlichen Sanktionen des Jobcenters ausgesetzt sind. Zwar hört es sich markig an, wenn Arbeitsminister Hubertus Heil Totalsanktionen fordert, für „einige wenige Beziehende von Bürgergeld, die Jobangebote beharrlich verweigerten“.

Diese Trennung von „guten“ und „bösen“ Bürgergeld-Abhängigen ändert aber nichts an der Rechtslage. Nach der sind die jeweiligen Sachbearbeiter im Jobcenter verpflichtet, Jobvermittlungen auf das individuelle Profil der Betroffenen abzustimmen.

Arbeitssuchende hätten voraussichtlich vor den Sozialgerichten gute Chancen auf Erfolg in folgendem Fall: Wenn ein Jobcenter Betroffene wiederholt -und ohne Absprache- versucht, in irgendwelche Tätigkeiten zu drücken, die für sie und für die sie ungeeignet sind, und die Betroffenen bei Verweigerung nach dem neuen Gesetz total sanktioniert.