Der Bundesrechnungshof kritisiert ungewöhnlich scharf das Vorhaben der Bundesregierung, umfangreiche Hartz-IV-Reformen umzusetzen. Bei dem anstehendem Bürgergeld sei das Schonvermögen zu hoch, auch sei die Abschwächung der Sanktion “kontraproduktiv”.
Was ist der Bundesrechnungshof?
Der Bundesrechnungshof (BRH) ist für die die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zuständig. Er ist die oberste Bundesbehörde und ist allein dem Gesetz unterworfen.
Politische Diskussionen sind im Normalfall nicht die Aufgabe dieser Behörde. Und dennoch: Nun hat sich die Bundesbehörde in die laufende Debatte zu den geplanten Sozialleistungsreformen eingeschaltet.
Bundesbehörde: Bürgergeld-Reformen seien kontraproduktiv
In einem Papier zum geplanten Bürgergeld, das dem Handelsblatt vorliegt, wird die Hartz-IV-Reform als “kontraproduktiv” bezeichnet.
Dabei greift der Bundesrechnungshof in eher ungewohnter Weise die Pläne der Bundesregierung scharf an. Hauptaugenmerk der Kritik der Bundesrechnungsprüfer sei im Wesentlichen die geplante die Karenzzeit von 2 Jahren.
Die Schonzeit wird kritisiert
Die Karenzzeit von zwei Jahren sieht vor, dass das Vermögen des Antragsstellers nicht überprüft werden soll, sofern es nicht erheblich hoch ist.
Der Gesetzgeber hat hierfür allerdings klare Vorgaben gemacht. Die Grenze zum “erheblichen” meint hier ein Schonvermögen des Bürgerged-Antragstellers, das nicht höher als 60.000 Euro ist. Weitere 30.000 Euro Schonvermögen sollen jeder weiteren Person innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft zugebilligt werden.
Zusätzlich soll laut Vorhaben der Bundesregierung innerhalb der ersten zwei Jahre auch die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nicht geachtet werden. Ziel soll es sein, dass die Menschen, die nach dem Arbeitslosengeld I Bezug in Hartz IV rutschen, nicht ihre Wohnung verlieren und sich auf die Jobsuche konzentrieren können.
Diese Reformen sind nicht neu und wurden bereits während der Corona-Krise angewandt, um eine Vereinfachung der Hartz-IV-Antragstellung zu erreichen. Gerade die Unterkunftskosten führten zu zahlreichen Rechtstreitigkeiten vor den Sozialgerichten.
Eben jene Neuregelung stößt beim Bundesgerichtshof auf “scharfe Kritik”. Das Schonvermögen sei nach Ansicht der Beamten „unverhältnismäßig hoch“.
Und so steht es in dem Kritikpapier des Rechnungshofes: “Der Bundeshaushalt sollte nicht mit dem Leistungsbezug von Personen belastet werden, bei denen grundsätzlich von einer ausreichenden Eigenleistungsfähigkeit ausgegangen werden kann.”
Das Gesetzesvorhaben würde laut Papier “weit über die Regelungen im Rahmen der Corona-Pandemie hinausgehen”. Zusätzlich würde das Vorhaben im Widerspruch zum Sozialgesetzbuch II (SGB II) stehen.
Im SGB II sei verankert, dass Antragstellern „eine vorübergehende Unterstützung bei Hilfsbedürftigkeit sicherzustellen“ sei. Die Reform würde -laut Bundesrechnungshof- dieser Zielsetzung widersprechen.
Kürzere Karenzzeit vorgeschlagen
Der Bundesrechnungshof plädiert allerdings nicht dafür, die Pläne für eine Karenzzeit ganz zu streichen, wie einige andere Medien berichten. Stattdessen solle die geplante “Schonzeit” kürzer ausfallen. Zudem schlagen die Prüfer eine zeitliche Begrenzung vor, um die Auswirkungen der Änderungen bemessen zu können.
Allerdings gehen die Beamten der Behörde davon aus, dass die Selbstauskunft zum Vermögen zum “Betrug” führen wird. „Der Verzicht auf jegliche konkretere Angabe eröffnet Mitnahme- und Missbrauchsmöglichkeiten“, steht in dem Behördenpapier.
Bundesbehörde gegen Abschaffung der Sanktionen
Damit nicht genug. Auch die geplanten Neuregelungen zu den Leistungskürzungen als Sanktionsmittel werden von dem Rechnungshof kritisiert, obwohl eine aktuelle Studie des Vereins “Sanktionsfrei” zeigte, dass Sanktionen ihr Ziel weitestgehend verfehlen.
Der Bundesrechnungshof hingegen sieht in den Sanktionen ein “Mittel mit präventiver Wirkung”. Androhungen und Leistungskürzungen würden nach Ansicht der Beamten die Zusammenarbeit in den Jobcentern positiv beeinflussen und die Vermittlung in einen Job erleichtern.
Hat das Papier Einfuss?
Das Bürgergeld ist noch nicht vom Gesetzgeber verabschiedet. Inwieweit die Kritik des Bundesrechnungshofes als oberste Bundesbehörde Widerhall findet, ist demnach noch nicht abzuschätzen. Fakt ist aber, dass die Aussagen nicht auf Berechnungen fußen, sondern allenfalls “Befürchtungen” sind, die in ungewohnter Weise in den politischen Prozess eingreift.
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