Keine schematische Berechnung der Tagessätze bei Hartz IV Beziehern

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Wenn ein Gericht einen Angeklagten zu einer Geldstrafe verurteit, werden Tagessätze analog zum Nettoeinkommen festgesetzt. Auch bei Hartz IV Beziehern wurde in der Vergangenheit dieses schematische System angewandt.

Ein Betroffener wehrte sich erfolgreich gegen diese Form der Bemessung von Tagessätzen. Wer bereits am Rande des Existenzminimus lebt, kann kaum die festgelegten Tagessätze aufbringen.

Gericht schloss Mietzahlungen bei der Berechnung der Tagessätze mit ein

Im konkreten Fall erließ das Amtsgericht Eberswalde einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 20 Euro.

Der Angekagte bezieht allerdings Hartz IV Leistungen nach dem SGB II. Der Betroffene argumentierte, dass er zwar insgesamt rund 700 Euro Leistungen nach dem SGB II beziehe, allerdings etwa 300 Euro Mietkosten darin enthalten seien. Er beantragte aus diesem Grund eine Zahlungserleichterung nach § 42 StGB.

Eine schematische Anwendung nach § 40 Abs. 2 StGB sei im Ermessen fehlerhaft, da die Mietkosten nicht frei zur Abzahlung des Strafbefehls zur Verfügung stünden, ohne dass er seine eigene Existenz durch eine drohende Obdachlosigkeit gefährden würde, argumentierte er.

Damit der Angeklagte seinen Lebensbedarf schütze, müsse ihm mindestens 70 Prozent des Regelbedarfs erhalten bleiben.

Landgericht reduzierte Tagessatzhöhe um die Hälfte

Das Landgericht Frankfurt an der Oder (AZ: 24 Qs 45/22) gab dem Beschwerdeführer im Wesentlichen Recht. Das Gericht reduzierte die Tagessatzhöhe auf 10 Euro. Im Grundsatz muss sich die Tagessatzhöhe am Nettoeinkommen des Verurteilten orientieren.

Auch bei Menschen mit einem niedrigen Einkommen müssen alle Bezüge berücksichtigt werden. Wenn Leistungsbezieher nach dem SGB II jedoch am Rande des Existenzminimum leben, würde die schematische Anwendung der gesetzlichen Regelungen an rechtsstaatliche Grenzen stoßen. Daher müsse die Tagessatzhöhe angepasst werden, so die Richter.

Hartz IV Bezieher haben kaum finanziellen Spielraum

Aufgrund des Sozialleistungssystem seien Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG-2) härter betroffen als regulär Verdienende, da sie kaum einen finanziellen Spielraum hätten, da die Leistungen darauf abzielen, das Existenzminimum zu wahren.

So sei es für die Berechnung entscheidend, welcher Betrag nicht im Gesamten bezogen wird, sondern welcher Betrag tatsächich real bei dem Leistungsbezieher verbliebe.

Hierbei müsse beachtet werden, dass dennoch ein menschenwürdiges Leben gewahrt bleibe, ohne das beispielsweise eine Obdachlosigkeit drohe.

Daher sei der Mietanteil für die Herleitung des Einkommens zur Berechnung der Tagessätze nicht zu beachten.

Unerlässlicher Lebensbedarf nach § 26 Abs. 2 SGB XII muss gewahrt bleiben

Ein Gericht müsse daher den “unerlässlichen Lebensbedarf, der nach § 26 Abs. 2 SGB XII zwischen 70 und 80 Prozent des Regelbedarfs liegt”, ermitteln. Dann muss das Gericht den “drei bis vierfachen Betrag der Differenz zwischen Regelbedarf und dem unerlässlichen Lebensbedarf” berechnen, um die Tagessatzhöhe bei einem Strafbefehl festzulegen.

Demnach dürfen die Kosten der Unterkunft nicht für die Berechnung der Tagessätze herangezogen werden. Zusätzlich darf bei Hartz IV Beziehern die Festsetzung der Tagessätze nicht schematisch erfolgen. Der Betroffene konnte somit erreichen, dass die Tagessätze halbiert wurde.

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