Bürgergeld: Beschwerden über Jobcenter und Sozialämter stark gestiegen

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Bürgergeld Bezieher müssen vielerorts lange auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten. Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni, hat in der vergangenen Woche ihren Tätigkeitsbericht vorgelegt. Auffällig: Die Beschwerden über Jobcenter, Rentenversicherung, Sozialämter oder Krankenkassen haben vor allem im ersten Quartal 2023 deutlich zugenommen.

Zunahme der Beschwerden

Steigende Lebensmittelpreise, hohe Heizkostennachzahlungen und zu geringe Löhne: Immer mehr Menschen sind nach Angaben der Bürgerbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, Samiah El Samadoni, auf staatliche Leistungen angewiesen. Die Beschwerden über Sozialbehörden wie Wohngeldämter oder Jobcenter nehmen deutlich zu. Allein im ersten Quartal dieses Jahres beschwerten sich über 250 Menschen häufiger über die Arbeit der Sozialämter als im Vorjahreszeitraum.

Im vergangenen Jahr beschwerten sich im Land 3440 Menschen über die Arbeit der Sozialbehörden. Das ist ein Plus von 138 Eingaben. Insgesamt wurde der Bürgerbeauftragte seit seinem Bestehen in 97.576 Fällen um Hilfe gebeten.

Auffällig sei, dass es im Jahr 2022 “außergewöhnlich häufig” zu Verzögerungen bei der Bearbeitung von Anträgen in den Sozialbehörden gekommen sei, sagte die Bürgerbeauftragte bei der Vorstellung des Tätigkeitsberichts.

Zudem sei es für die Antragsteller schwierig gewesen, in den Jobcentern und Sozialbehörden “überhaupt zuständige Sachbearbeiter zu erreichen”. Für die Betroffenen sei es daher nicht möglich gewesen, das Problem selbst zu lösen, mahnt El Samadoni.

Häufigste Beschwerden über Jobcenter

Am häufigsten wurden Petitionen im Bereich Hartz IV (Grundsicherung nach dem SGB II) eingereicht (583). Über die Arbeit der gesetzlichen Krankenkassen beschwerten sich 399 Menschen. Häufig waren auch Eingaben im Bereich der Sozialhilfe. Hier beschwerten sich 382 Personen über die Arbeit der Sozialämter.

Die Arbeit der Krankenkassen sowie der Grundsicherungsbehörden scheint sich verbessert zu haben. Die Beschwerden seien rückläufig, so El Samadoni.

Bei allen anderen Behörden sei ein Anstieg der Eingaben zu verzeichnen, vor allem im Bereich der Sozialhilfe. „Wenn sich der bisherige Trend fortsetzt, ist schon jetzt absehbar, dass die Eingangszahlen im Jahr 2023 noch einmal deutlich ansteigen werden“, so El Samadoni.

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Mangelhafte Erreichbarkeit in den Behörden

Nach wie vor sei die Erreichbarkeit in den Behörden mangelhaft. Oft gebe es auch auf der Fachebene Probleme, mit den Behörden in Kontakt zu treten. In Einzelfällen musste der Ombudsmann die Leitungsebene kontaktieren, um das Problem zu lösen.

Im Kontakt mit den Leitungsebenen konnten einige Ursachen identifiziert werden. Viele Stellen in den Sozialämtern sind nicht besetzt, zudem gibt es häufige krankheitsbedingte Ausfälle. Dies führt zu einer Verdichtung der Aufgaben bei den verbleibenden Sachbearbeitern. Dies wiederum führt zu einem anhaltend hohen Krankenstand.

Zu wenig Fachkräfte in den Sozialbehörden

Komplexe Gesetzesänderungen im Bereich des Bürgergeldes und immer komplexere Aufgaben in den Behörden haben die Arbeitsbelastung in den Behörden zusätzlich erhöht. Außerdem, so die Bürgerbeauftragte, sei der Kreis der Anspruchsberechtigten durch Inflation und steigende Energiekosten enorm gewachsen. Zusätzliche Sachbearbeiter seien aber nicht eingestellt worden.

„Das ist eine Abwärtsspirale, die eine einzelne Behörde nur schwer aufhalten kann. Denn die Umstände, die dazu führen, hat die Behörde nicht zu verantworten und kann sie auch nicht steuern – der allgemeine Fachkräftemangel führt eben auch dazu, dass dem Staat schlichtweg das Personal ausgeht“, resümiert die Volksanwältin.

Viele Menschen das erste Mal in Kontakt mit Sozialbehörden getreten

Durch die Inflationsrate und steigende Heizkosten sowie durch das Wohngeld Plus habe sich der Kreis der Antragstellenden deutlich vergrößert.

Viele Menschen seien zum ersten Mal mit den Sozialbehörden in Kontakt gekommen. „Viele Menschen, die bisher über die Runden gekommen sind, mussten sich kurzfristig zum ersten Mal mit einer ihnen bisher unbekannten Bürokratie auseinandersetzen, um Leistungen zu beantragen“, berichtet die Bürgerbeauftragte. Es zeigte sich, dass viele Antragsteller nach wie vor Probleme mit dem so genannten Amtsdeutsch haben, das oft kaum verständlich ist.

Überlange Postlaufzeiten der Ämter

Häufig mussten die Antragsteller zu lange auf Antworten der Behörden warten. Postlaufzeiten von zwei bis drei Wochen sind keine Seltenheit mehr. Die in den Briefen und Bescheiden genannten Fristen können dann oft nicht mehr voll ausgeschöpft werden.

“Wir haben Fälle, in denen die gesetzte Frist einen Tag nach Eingang des Schreibens beim Bürger abläuft – in Einzelfällen ist die Frist sogar schon verstrichen”, so El Samadoni. Für die Betroffenen sind dann zum Beispiel Widerspruchs- oder Klagefristen nicht mehr einzuhalten.

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