Der Wirtschaftsrat der CDU fordert eine Umkehr der Beweislast im Bürgergeld. Nicht mehr das Jobcenter soll fehlende Mitwirkung nachweisen. Leistungsbeziehende müssten fortlaufend belegen, dass sie alles Zumutbare für Arbeit und Qualifizierung tun. Der Vorstoß passt zu aktuellen Reformankündigungen der Parteispitze.
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Worum es beim Vorschlag geht
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann stellte für den Herbst Änderungen am Bürgergeld in Aussicht. Kurz darauf legte Wolfgang Steiger vom CDU-Wirtschaftsrat nach. Er fordert eine „Umkehr der Beweislast“. Das Bürgergeld würde dann nur weiterlaufen, wenn Betroffene Bewerbungen, Gespräche, Qualifizierungen und Arbeitsangebote belastbar dokumentieren.
Die politische Richtung ist gesetzt. Die genaue rechtliche Umsetzung bleibt offen. Auch der sächsische Ministerpräsident Kretschmer betonte, wer Bürgergeld wolle, sollte nachweisen müssen, dass er nicht in der Lage sei, zu arbeiten. Erst dann dürfe es Geld geben.
Was heute rechtlich gilt
Im Sozialverwaltungsverfahren ermitteln Behörden den Sachverhalt von Amts wegen. Das heißt: Das Jobcenter klärt entscheidende Tatsachen. Leistungsbeziehende müssen mitwirken, Termine wahrnehmen und Angaben machen. Bei Pflichtverletzungen drohen Leistungsminderungen. Eine echte Beweislastumkehr würde den Amtsermittlungsgrundsatz berühren. Dafür wären Gesetzesänderungen nötig.
Wie streng derzeit sanktioniert wird
Sanktionen entstehen meist wegen versäumter Termine. Nur ein kleiner Teil betrifft die Ablehnung von Arbeit oder Maßnahmen. Der Anteil der Betroffenen bleibt niedrig. Stichtagswerte liegen im unteren einstelligen Prozentbereich. Das spricht gegen die These eines Massenphänomens. Einzelne spektakuläre Fälle ändern daran wenig.
Wie groß die Zielgruppe ist
Rund fünf bis sechs Millionen Menschen leben in Bedarfsgemeinschaften. Davon ist ein großer Teil erwerbsfähig. Viele davon gelten als arbeitslos, manche sind in Maßnahmen oder arbeiten aufstockend. In dieser großen Gruppe bleiben Pflichtverletzungen eine Minderheit. Zahlen sollten daher immer ins Verhältnis gesetzt werden.
Politische Vorgeschichte der Idee
Die Forderung ist nicht neu. Bereits 2024 stand sie wiederholt auf der Agenda. Landespolitiker und Wirtschaftsvertreter betonten den Kurswechsel. Seitdem wird er bundesweit diskutiert. Die CDU-Spitze verknüpft das mit einem „Herbst der Reformen“. Der Wirtschaftsrat liefert das mechanische Prinzip. Die Frage ist nun, wie der Gesetzgeber Details festlegt.
Wie die Beweislastumkehr gedacht ist
Kern wäre eine „Bewerbung um Hilfe“. Sie müsste regelmäßig erneuert werden. Gefordert wären dokumentierte Bewerbungen und Rückmeldungen. Hinzu kämen Nachweise zu Weiterbildungen und Gesprächen. Betroffene sollten auch in „ungewohntem Terrain“ arbeiten wollen. Wer das nicht lückenlos belegt, riskiert Kürzungen. Unklar bleibt, wie viel Nachweis genug ist. Ohne klare Schwellenwerte droht Streit.
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Bescheid prüfenWas sich praktisch ändern würde
Die Last auf der schwächsten Seite stiege. Wer in Armut lebt, müsste ein permanentes Beleg-Management stemmen. Dazu zählen ein Bewerbungstagebuch, E-Mails, Absagen, Gesprächsnotizen, Kurs-Bescheinigungen. Jobcenter müssten diese Flut prüfen und bewerten.
Das erzeugt mehr Akten, mehr Ermessensentscheidungen und mehr Konflikte. Die perfekte Bewerbung gibt es nicht. Einfache Formulierungen oder Lücken im Lebenslauf taugen nicht als Indikator für Unwillen. Ohne einheitliche Kriterien entscheidet jedes Jobcenter anders. Fehlentscheidungen könnten zunehmen.
Bürokratie, Kontrolle und Wirkung
Mehr Nachweise liefern mehr Kennzahlen. Sie schaffen aber keine Arbeit. Vermittlung und Qualifizierung dürfen nicht in den Schatten einer Kontrolllogik geraten. Sonst wächst die Bürokratie, während die Integration stagniert. Entscheidend ist, ob der Nachweisaufwand die Vermittlungschancen stärkt. Dafür braucht es klare Regeln, klare Fristen und digitale Standards.
Offene Rechts- und Praxisfragen
Eine dauerhafte Nachweispflicht berührt das System an drei Stellen. Erstens den Amtsermittlungsgrundsatz. Zweitens die Mitwirkungspflichten. Drittens die Sanktionsnormen im SGB II. Der Gesetzgeber müsste definieren, welche Nachweise genügen. Zudem in welchem Intervall sie fällig sind. Und wie Ermessensspielräume begrenzt werden. Ohne bundeseinheitliche Standards entstehen Rechtsunsicherheiten.
Was Sie jetzt schon tun können
Auch ohne Reform lohnt saubere Dokumentation. Heben Sie Bewerbungsbestätigungen, E-Mails und Absagen auf. Notieren Sie kurz Inhalte von Telefonaten. Lassen Sie Teilnahme und Abschluss von Kursen bescheinigen. So reagieren Sie bei einer Anhörung schneller. Das belegt Mitwirkung und senkt das Risiko von Kürzungen. Wer Belege geordnet sammelt, verkürzt Verfahren.
Einordnung und Ausblick
Der Vorstoß zielt auf eine kleine Gruppe, bewegt aber viele. Die meisten Kürzungen entstehen wegen Meldeversäumnissen. Reine Arbeitsverweigerung bleibt selten. Die Ausgestaltung entscheidet daher über Nutzen und Schaden. Klare Kriterien, einfache digitale Nachweise und wirksame Unterstützung könnten Bürokratie begrenzen.
Sonst wächst hauptsächlich die Kontrolle. Wer betroffen ist, sollte Entwicklungen eng verfolgen. Fristen, Mitwirkung und Dokumentation bleiben zentral.